Lastmanagement und virtuelle Kraftwerke
Power mit Ethernet
Die Versorgungssicherheit soll in der Energiewende durch Funktionen wie Lastmanagement und virtuelle Kraftwerke gewährleistet werden, die natürliche Schwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen. Ethernetbasierte Technik spielt dabei eine wichtige Rolle.
Im Jahr 2014 lag die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien in Deutschland, hauptsächlich Photovoltaik und Windkraft, bei 27,3 Prozent. Das sind drei prozentuale Punkte mehr als im Jahr davor. In zehn Jahren soll der Anteil der erneuerbaren Energien bei 40 bis 45 Prozent liegen. Der Ausbau von erneuerbaren Energien erhöht die Anforderungen an die Flexibilität der Übertragungs- und Verteilungsnetze. Zudem steigen mit der wachsenden Durchdringung der Erneuerbaren im System auch Fluktuation und Volatilität im Stromnetz. Im Versorgungssystem müssen aber Stromerzeugung und -verbrauch stets in Gleichgewicht gehalten werden, da sich Energie nur sehr geringfügig im Stromnetz speichern lässt. Darüber hinaus entfällt laut der Internationalen Energieagentur IEA 42,3 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs auf die Industrie. Die Durchdringung der erneuerbaren Energien in Strommix und das Gewicht der Industrie im gesamten Stromverbrauch deuten darauf hin, dass für die erfolgreiche Erreichung der Ziele der Energiewende die Zusammenarbeit der Energie- und Fertigungsnetze unerlässlich ist. Eine Möglichkeit, diese Schwankungen in den Griff zu bekommen, sind virtuelle Kraftwerke und Lastmanagement. Beides bildet ein Pool von jeweils dezentralen Energieanlagen und von elektrischen Lasten, die gemeinsam von einer übergeordneten Instanz gesteuert werden.
Demand Response
Mit Lastmanagement wird die Nachfrage an die aktuelle Erzeugungskapazität angepasst und dadurch die Integration fluktuierender erneuerbarer Energie ins Stromnetz ermöglicht. Für den Ausgleich von Leistungsungleichgewichten sind die Übertragungsnetzbetreiber für ihre jeweiligen Regelzonen verantwortlich. Abweichungen zwischen Erzeugung und Entnahme müssen durch den Einsatz von Regelenergie ausgeglichen werden, damit es zu keiner Gefährdung der Systemstabilität kommt. Mit Regelenergie oder -leistung bezeichnet man die Energie, die ein Netzbetreiber benötigt, um unvorhergesehene Leistungsschwankungen in seinem Stromnetz auszugleichen. Es wird zwischen positiver und negativer Regelenergie unterschieden. Wenn die Erzeugung (u.a. mit erneuerbaren Energien) den aktuellen Energiebedarf nicht abdecken kann, ist positive Regelenergie erforderlich. Vom Übertragungsnetzbetreiber werden Signale an Demand-Response-Aggregatoren (Firmen, die mehrere industrielle Lasten in einem virtuellen Pool oder Cluster vernetzen) geschickt, damit sie die Last ihrer Kunden vom Netz nehmen (entweder automatisch, wenn die Endanwender damit einverstanden sind, oder die Endanwender werden darüber informiert und entscheiden selbst) und damit das Gleichgewicht im System wiederherstellen. Übersteigt die ins Netz eingespeiste Energie die zum selben Zeitpunkt entnommene Energie, liegt ein Leistungsüberschuss im Netz vor. In diesem Fall benötigt der Netzbetreiber negative Regelenergie durch Stromabnehmer, welche kurzfristig dem Netz Strom entziehen.
EU-Richtlinie fordert Lastmanagement
Den Übertragungsnetzbetreibern stehen die drei Qualitätsstufen Primärregelenergie; Sekundärregelenergie und Minutenreserve zur Verfügung. Primärregelenergie wird zur schnellen Stabilisierung des Netzes innerhalb von 30s benötigt. Die Sekundärregelenergie muss innerhalb von 5min in voller Höhe zur Verfügung stehen. Minutenreserve wird zur Ablösung der Sekundärregelenergie eingesetzt, ist mit einer Vorlaufzeit von bis hinunter zu 7,5min zur erbringen und wird mindestens 15min lang in konstanter Höhe abgerufen. Lastmanagementanwendungen finden in denjenigen Ländern Europas statt, die die EU-Richtlinie 2012/27/EU zur Energieeffizienz, die u.a. die Einführung von Lastmanagement fordert, im nationalen Recht bereits umgesetzt haben. Gemäß des Jahresberichts 2014 von SEDC, Lobbygruppe für die Anwendung von Lastmanagement, ist dies heutzutage barrierefrei möglich nur in Belgien, Frankreich, Finnland, Großbritannien, Irland und in der Schweiz. Andere Länder Europas, darunter auch Deutschland, werden nach und nach folgen. Die Deutsche AbLastV (Verordnung zu abschaltbaren Lasten) ist eine im Dezember 2012 angenommene Verordnung, die die Nutzung von abschaltbaren Lasten in der Industrie zur Stabilisierung der Übertragungsnetze und somit zur Versorgungssicherheit fördern soll. Unter abschaltbaren Lasten versteht man stromintensive Industrieprozesse, die kurzfristig deaktiviert oder gedrosselt werden können, wenn die Stromnetzfrequenz dies erfordert. Die abschaltbaren Lasten finden sich insbesondere in der verarbeitenden Industrie, wie z.B. Papierfabriken, Kläranlagen, Zement- oder Stahlwerken. Die Industrieanlagen, die den Stromnetzbetreibern diese Flexibilität und Anpassungsfähigkeit anbieten, profitieren von den im AbLastV definierten Prämien in Höhe von 19.000E/MW pro Jahr für die Bereitstellung der Abschaltleistung und bis zu 400E/MWh für die tatsächlich ersparte Energie.
Virtuelle Kraftwerke
Ein virtuelles Kraftwerk ist ein Zusammenschluss dezentraler Erzeuger, etwa von Biogas-, KWK-, Windenergie-, Solar- und Wasserkraftanlagen auf der einen, und dezentraler Lasten (z.B. Wärmepumpen, Prozesserhitzer, Batteriespeicher) auf der anderen Seite zum Zweck der Übernahme von Systemdienstleistungen, z.B. zur Bereitstellung von Regelenergie. Ein virtuelles Kraftwerk kombiniert dezentrale Energieanlagen zu einem vernetzten, flexibel regelbaren und zentral gesteuerten Anlagensystem, und ermöglicht den Ausgleich von Schwankungen durch das koordinierte Zusammenwirken der dezentralen Energieressourcen (DER) und Lasten. Beispielsweise können BHKWs Strom ins Netz einspeisen, wenn die erneuerbaren Energieanlagen gerade zu wenig produzieren, und die Wärmepumpen können überflüssigen Strom aus dem Netz entnehmen, wenn die erneuerbaren Energieanlagen zu viel Strom erzeugen. Über eine zentrale Leitwarte werden alle im virtuellen Kraftwerk vernetzten und regelbaren Anlagen angesprochen. Die Kommunikation zwischen DER und der Leitwarte war bisher nicht vollständig standardisiert worden. Der Kommunikationsstandard VHPready sorgt jetzt dafür, dass sich Leitwarte und Anlage dabei auch verstehen. VHPready gewährleisten ein nahtloses, sicheres und wirtschaftliches Zusammenwirken aller steuerbaren Komponenten und deren Kompatibilität, und bilden die Grundlage für flexible Aggregationen dezentraler Energieanlagen zu virtuellen Kraftwerken.
Ethernet für die Stromnetze
VHPready (Virtual Heat and Power Ready) ist ein offener Industriestandard für die Fernsteuerung und den Zusammenschluss von dezentralen Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen, Verbrauchern und Energiespeichern zu virtuellen Kraftwerken. Das von Vattenfall initiierte Protokoll wird mittlerweile von dem Industrieforum VHPready e.V. spezifiziert, eine Industrieallianz von über 35 Unternehmen aus den verschiedenen Bereichen des Energiemarktes (Betreiber von virtuellen Kraftwerken, Energieversorger, Übertragungsnetzbetreiber, BHKW-Hersteller und Anbieter von industriellen Kommunikations-Gateways) mit dem Ziel, den Industriestandard für die Vernetzung dezentraler Energieanlagen, das Zertifizierungsprogramm und dazugehörige Prüfwerkzeuge zu entwickeln. Die kommunikationstechnische Basis bildet Ethernet in zwei Varianten: das TCP/IP-basierte und signalorientierte Fernwirkprotokoll IEC60870-5-104 oder ein ebenfalls TCP/IP-basierter, objektorientierter Ansatz gemäß IEC61850. Die Sicherheit der Datenübertragung wird durch den Aufbau eines virtuellen privaten Netzwerks (VPN) auf Basis von OpenVPN mit SSL/TLS-Verbindungen (Secure Sockets Layer, Transport Layer Security) gewährleistet.
Fernwirk-Gateways
Die verteilten Energieanlagen und Lasten müssen mit der Leitwarte vernetzt werden. Die dafür notwendigen Fernwirk-Gateways müssen einerseits mit der Zentrale über Ethernet oder Mobilfunk (GPRS/3G) verbunden sein, und andererseits müssen sie auch mit der SPS der Anlage vor Ort kommunizieren. Die Kommunikation mit der Leitwarte findet mit Fernwirkprotokolle statt (VHPready, IEC61850, IEC60870-5-104), während für die Kommunikation mit der lokalen Steuerung im Feld in der Regel Standards aus der Fabrikautomation wie Modbus, Profibus oder Profinet zum Einsatz kommen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, hat HMS die Labline-SG-Fernwirk-Gateways für virtuelle Kraftwerke und Lastmanagement entwickelt. Die Produktfamilie ermöglicht die Fernwartung elektrischer Systeme, das Steuern und Überwachen von Anlagen, Systemen und Prozessen im Feld, das Protokollieren von Anwendungsdaten oder Energieverbrauch, sowie die Darstellung von Daten oder Betriebszuständen. Mit der Leitwarte kommunizieren die SG-Gateways über VHPready, entweder über IEC60870-5-104 oder mit dem modernen IEC61850-Standard. Für die Kommunikation mit der lokalen SPS im Feld steht eine Anybus-CompactCom-Schnittstelle zur Verfügung, mit der jeder beliebige Feldbus oder Industrial-Ethernet-Standard unterstützt wird (z.B. Profibus, Profinet oder Ethernet/IP). Dadurch erhält der Anwender einen universellen Schlüssel, um mit der SPS zu kommunizieren. Außerdem werden Modbus, M-Bus und mehrere E/As unterstützt, um beliebige Geräte im Feld anzuschließen.
Befehle aus der Leitwarte
Darüber hinaus müssen die Fernwirk-Gateways in der Lage sein, eine gewisse Logik ausführen zu können, um die Befehle aus der Leitwarte (z.B. anschalten oder ausschalten) zu verstehen und auszuführen. Die Konfiguration und Parametrierung der Gateway-Serie Labline SG wird über einen internen Webserver realisiert. Wenn man jedoch eine komplexe Applikation programmieren möchte, steht Ixxat Econ 100 zur Seite. Diese Embedded-PC-Plattform mit einem Linux-Betriebssystem beinhaltet eine leistungsfähige ARM-basierte CPU und bis zu 1GB RAM. Zusätzlich zur Programmierung in C/C++ bietet Econ 100 eine intuitiv zu bedienende Soft-SPS-Programmierumgebung gemäß IEC61131-3 für die einfache Programmierung und Konfiguration der Steuerungsanwendungen an. Das Software-Paket unterstützt alle namhaften Protokolle inklusive IEC61850, IEC60870-5-104, DNP3, VHPready und Industrial Ethernet Standards wie Profinet, Ethernet/IP, Ethercat und Powerlink. Anwendungen können somit ohne große Programmiererfahrung schnell und zuverlässig realisiert werden. Econ 100 verfügt auch über eine Erweiterungskarte mit insgesamt 24 digitale und analoge E/As z.B. für die direkte Anbindung von Sensoren und Aktoren. Durch bis zu 2A Ausgangsstrom bei den digitalen Ausgängen und 12Bit-Auflösung bei den analogen Kanälen bietet sich Ixxat Econ für verschiedene Anwendungen an. Neben den analogen und digitalen E/As bietet die Erweiterungskarte einen Steckplatz für die Anybus-CompactCom-Module, ein 3G-Modem, sowie einen 512MB NVRAM für kritische Anwendungen, bei welchen auch bei Stromausfällen der letzte Betriebszustand mit allen Prozessvariablen vorgehalten werden muss.
Die Versorgungssicherheit soll in der Energiewende durch Funktionen wie Lastmanagement und virtuelle Kraftwerke gewährleistet werden, die natürliche Schwankungen der erneuerbaren Energien ausgleichen. Ethernetbasierte Technik spielt dabei eine wichtige Rolle.
Im Jahr 2014 lag die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien in Deutschland, hauptsächlich Photovoltaik und Windkraft, bei 27,3 Prozent. Das sind drei prozentuale Punkte mehr als im Jahr davor. In zehn Jahren soll der Anteil der erneuerbaren Energien bei 40 bis 45 Prozent liegen. Der Ausbau von erneuerbaren Energien erhöht die Anforderungen an die Flexibilität der Übertragungs- und Verteilungsnetze. Zudem steigen mit der wachsenden Durchdringung der Erneuerbaren im System auch Fluktuation und Volatilität im Stromnetz. Im Versorgungssystem müssen aber Stromerzeugung und -verbrauch stets in Gleichgewicht gehalten werden, da sich Energie nur sehr geringfügig im Stromnetz speichern lässt. Darüber hinaus entfällt laut der Internationalen Energieagentur IEA 42,3 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs auf die Industrie. Die Durchdringung der erneuerbaren Energien in Strommix und das Gewicht der Industrie im gesamten Stromverbrauch deuten darauf hin, dass für die erfolgreiche Erreichung der Ziele der Energiewende die Zusammenarbeit der Energie- und Fertigungsnetze unerlässlich ist. Eine Möglichkeit, diese Schwankungen in den Griff zu bekommen, sind virtuelle Kraftwerke und Lastmanagement. Beides bildet ein Pool von jeweils dezentralen Energieanlagen und von elektrischen Lasten, die gemeinsam von einer übergeordneten Instanz gesteuert werden.
Demand Response
Mit Lastmanagement wird die Nachfrage an die aktuelle Erzeugungskapazität angepasst und dadurch die Integration fluktuierender erneuerbarer Energie ins Stromnetz ermöglicht. Für den Ausgleich von Leistungsungleichgewichten sind die Übertragungsnetzbetreiber für ihre jeweiligen Regelzonen verantwortlich. Abweichungen zwischen Erzeugung und Entnahme müssen durch den Einsatz von Regelenergie ausgeglichen werden, damit es zu keiner Gefährdung der Systemstabilität kommt. Mit Regelenergie oder -leistung bezeichnet man die Energie, die ein Netzbetreiber benötigt, um unvorhergesehene Leistungsschwankungen in seinem Stromnetz auszugleichen. Es wird zwischen positiver und negativer Regelenergie unterschieden. Wenn die Erzeugung (u.a. mit erneuerbaren Energien) den aktuellen Energiebedarf nicht abdecken kann, ist positive Regelenergie erforderlich. Vom Übertragungsnetzbetreiber werden Signale an Demand-Response-Aggregatoren (Firmen, die mehrere industrielle Lasten in einem virtuellen Pool oder Cluster vernetzen) geschickt, damit sie die Last ihrer Kunden vom Netz nehmen (entweder automatisch, wenn die Endanwender damit einverstanden sind, oder die Endanwender werden darüber informiert und entscheiden selbst) und damit das Gleichgewicht im System wiederherstellen. Übersteigt die ins Netz eingespeiste Energie die zum selben Zeitpunkt entnommene Energie, liegt ein Leistungsüberschuss im Netz vor. In diesem Fall benötigt der Netzbetreiber negative Regelenergie durch Stromabnehmer, welche kurzfristig dem Netz Strom entziehen.
HMS Industrial Networks GmbH
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN ETH3 2015 - 03.09.15.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de