Steckbares Energieketten-System
Austausch in Sekundenschnelle
Vor gut einem Jahr stellte die Firma Igus auf der Hannover Messe ihre neue steckbare Energiekette readychain speed vor. Seit kurzer Zeit ist eine verbesserte Version erhältlich. SCHALTSCHRANKBAU sprach mit Christian Stremlau, Leiter Geschäftsbereich readychain & readycable bei Igus, über die Vorteile, die diese Lösung für Schaltschrankbauer bietet.
Herr Stremlau, Igus bietet dem Markt mit readychain einbaufertig konfektionierte Energieführungssysteme. Bitte erklären Sie das Prinzip, das dahinter steht.
Christian Stremlau: Die Idee des readychain-Systems ist etwa 20 Jahre alt. Ziel war und ist es, dem Kunden ein komplett konfektioniertes Energieketten-System aus Kunststoff an die Hand zu geben, mit dem er einerseits die Lebensdauer seiner Anwendung erhöhen, andererseits direkt Kosten reduzieren kann - beispielsweise indem er Konfektionierungs-, Montage- und Prozesskosten bei Beschaffung und Logistik spart. Dazu definiert er uns gegenüber die Anforderungen für die Elektrifizierung seiner Maschine und erhält dann ein auf seine Anwendung zugeschnittenes, schnittstellenoptimiertes Energieführungsmodul, die readychain.
Welche Varianten gibt es dabei?
Stremlau: Hierbei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Einmal liefern wir einfache Energieketten-Systeme, bei denen die Leitungen gewissermaßen als Meterware eingelegt sind und bei denen der Kunde nachher selbst konfektioniert. Diese Variante wird häufig von Schaltschrankbauern nachgefragt, da diese nicht immer genaue Kenntnis davon haben, in welchem Umfeld ihre Schaltschränke zum Einsatz kommen. Sie können dann die unkonfektionierten Leitungen ganz nach ihrem Bedarf ablängen. Bei anderen Varianten konfektionieren wir nur an einem Ende der Energiekette, weil dort die Endgeräte - also beispielsweise Geber, Motor, Sensorik oder Aktorik - bekannt sind. Dann müssen die Leitungen nur noch auf der Schaltschrankseite konfektioniert werden. Schließlich gibt es auch solche Anwendungen, bei denen alle Parameter bekannt sind und die wir dann mit vollständig konfektionierten Energieketten beliefern können. Bei den beiden erstgenannten Varianten besteht selbstverständlich auch die Möglichkeit, eine oder beide Seiten durch Igus-Mitarbeiter vor Ort anpassen und konfektionieren zu lassen.
Bei der möglichen Vielfalt an Anwendungen müssen diese Energieketten gewissermaßen alle kundenspezifisch ausgelegt werden ...
Stremlau: Ja, ich bezeichne dies gerne als eine Sondermassenfertigung. Das bedeutet: Wir produzieren große Mengen an Energieketten, diese jedoch in unzähligen kundenspezifischen Ausprägungen. Bei Igus reden wir von einem Serienkunden ab einer Bestellmenge von zwölf Energieketten pro Jahr. Wir arbeiten zurzeit mit 165 Mitarbeitern in der readychain-Produktion und konfektionieren pro Woche ca. 10.000 Leitungen. Und das nur in Köln! Zusätzlich werden in zwölf Igus-Niederlassungen weltweit readychain-Systeme für die jeweiligen lokalen Märkte konfektioniert.
Wie groß ist in der Regel die Zeitspanne zwischen Kundenanfrage und Auslieferung eines Produktes?
Stremlau: Wir produzieren unsere Standard- bzw. Katalogware für die Antriebstechnik innerhalb von 24h, auch in größeren Stückzahlen. Der Vorteil von Igus ist, dass wir sowohl Energieketten als auch für den Einsatz in der Kette geeignete Leitungen unter dem Namen 'chainflex' entwickeln, herstellen und lagern. Im Moment führen wir rund 85.000 verschiedene Artikel, die wir in unseren Energieketten-Systemen verbauen. Derzeit haben wir allein rund 4.500 verschiedene Steckerkomponenten auf Lager und bieten allein im Bereich der Antriebsleitungen 3.200 Katalogvarianten in sieben verschiedenen Preisklassen. So können wir sehr schnell und auf die jeweilige Anwendung spezifisch reagieren. Wenn ein Kunde eine konfektionierte Energiekette anfragt, die es so noch nicht gibt, durchläuft diese Anfrage die gesamte Projektierungsphase. Zurzeit arbeiten bei Igus in Köln 16 Projektingenieure, die sich den ganzen Tag nur um solche Anwendungsfälle kümmern. Die Durchlaufzeit in der Projektierungsphase hängt dabei sehr stark von der vorherrschenden Datenlage und dem Detailierungsgrad der an den Igus-Projekteur übergebenen Dokumentation ab. Bei kundenspezifischen Lösungen reden wir im eingeschwungenen Zustand in der Regel von Standardlieferzeiten von etwa zehn Arbeitstagen für einachsige readychain-Systeme bis hin zu 15 Tagen für komplexere Drei-Achs-Systeme. Bei einfachen Systemen wie readychain basic, wo lediglich Meterware in die Energiekette einzulegen und die Dokumentation sowie die Konfektion relativ einfach ist, beträgt der Zeitraum zwischen Kundenanfrage und Auslieferung ab drei Arbeitstagen.
Kommen wir zur steckbaren Energiekette readychain speed, die Sie im vergangenen Jahr erstmals auf der Hannover Messe vorgestellt haben. Welche Vorteile bietet die Energiekette dem Schaltanlagenbauer?
Stremlau: In diesem Zusammenhang möchte ich zunächst einmal auf die unterschiedlichen Branchen eingehen, für die sich der Einsatz dieser speziellen Energiekette meiner Ansicht nach besonders lohnt. Eine sehr interessanter Markt hierfür ist die Automobilindustrie, weil es hier häufig auf einen blitzschnellen Austausch von Energiekettensystemen ankommt, da in diesem Wirtschaftszweig eine Produktionsunterbrechung besonders teuer ist. Vor rund zwölf Jahren habe ich dies selbst im Rahmen eines Projektes bei einem großen deutschen Automobilhersteller erfahren. Die Firma hatte eine Energiekette im Einsatz, bei der 108 Leitungen mit an beiden Enden je 108 Steckern verbaut waren. Diese wurden auf sogenannten Steckerplatten angeschlossen. Wenn hier eine Energiekette hätte ausgetauscht werden müssen, hätten auf beiden Seiten 108 Verbindungen gelöst und sämtliche Kabel über die gesamte Maschine zurückverfolgt werden müssen. Kurz: Es wäre ein enormer Aufwand gewesen. Da wäre eigentlich eine auf beiden Seiten steckbare Kette die ideale Lösung gewesen. Mit readychain speed bieten wir ein für die Marktbedürfnisse optimal ausgelegtes Produkt, da wir auf der Schaltschrankseite eine vorkonfektionierte Steckvorrichtung liefern. Das andere Ende der Energiekette ist dagegen nicht im Voraus konfektioniert, denn dort kommen meist unterschiedliche Aggregate oder Verbraucher zum Einsatz, die mit verschiedenen Leitungslängen erreicht werden und dementsprechend vor Ort konfektioniert werden müssen.
Gibt es neben der Automobilbranche andere Industrien, für die der Einsatz von readychain speed besonders attraktiv sind?
Stremlau: Überall dort, wo eine längere Produktionsunterbrechung teuer zu stehen kommt. Es gibt eine ganze Menge Maschinen, die pro Stunde ungeheuer hohe Stückzahlen für den Massenmarkt produzieren und bei denen ein Stillstand ebenfalls sehr negative Auswirkungen hätte. Gleiches gilt für Applikationen, bei denen zwar nur eine mittelgroße Stückzahl gefertigt wird, die Produkte aber besonders hochwertig sind. Ein weiteres Beispiel ist der große Werkzeugmaschinenbau. Hier gibt es Maschinenbauer, die eine große Werkzeugmaschine vor der Auslieferung zur Qualitätssicherung und Funktionsüberprüfung zunächst komplett in ihrer Fertigung aufbauen, testen, dann demontieren, um sie anschließend bei ihrem Kunden wieder aufzustellen. Auch hier bedeutet es eine große Zeit- und damit Geldersparnis, wenn nicht alle Einzelleitungen separat gelöst und wieder verbunden werden müssen. Außerdem haben wir Kunden, die ihre Energieketten, weil sie beispielsweise im Fahrweg in der Werkhalle liegen, zeitweilig demontieren müssen, damit die Fahrzeuge ungehindert passieren können. Auch diesen Unternehmen bieten wir mit readychain speed die Möglichkeit, die Energiekette innerhalb von Sekunden zu entriegeln und diese rasch aus dem Weg zu räumen.
Die vor gut einem Jahr in Hannover vorgestellte readychain speed war die Version 1.0, mittlerweile gibt es eine Version 2.0. Worin besteht der Unterschied?
Stremlau: Der Unterschied besteht einmal in der höheren Anzahl an Kontaktstellen. Nach der Markteinführung der vorkonfektionierten steckbaren Energiekette erhielten wir eine sehr positive Resonanz. Allerdings kam von Kundenseite rasch der Wunsch auf, eine größere Anzahl an Leitungen in der Energiekette unterzubringen. Daher haben wir die Anzahl der Kontakte auf 160 Kontakte pro Fläche erhöht. Es können also nun mehr LWL-, Steuer-, Servo-, Daten- und Pneumatikleitungen untergebracht werden. Außerdem haben wir die Verriegelungsart der Steckvorrichtung modifiziert und erheblich verbessert, wodurch die Montagezeit nochmals um das Dreifache beschleunigt ist.
Das hört sich nach einem evolutionären Konzept an. Gibt es auch schon Überlegungen, wie eine Weiterentwicklung zu einer Version 3.0 aussehen könnte?
Stremlau: Die gibt es tatsächlich. Derzeit denken unsere Entwickler darüber nach, Elektrik- und Hydraulikleitungen räumlich zu trennen und eine zweite Kupplung zu verwenden, mit deren Hilfe eine Hydraulikleitung sehr schnell an- und abgekuppelt werden kann. Dies sollte dann sogar unter Volllast möglich sein. Wenn beispielsweise auf einer Hydraulikleitung 200bar Druck anliegt, sollte der Anwender tatsächlich so abkuppeln können, dass nicht mehr als ein kleiner Tropfen Hydraulikflüssigkeit am Ventil austritt. Bei dieser Entwicklung sind wir schon relativ weit. Prinzipiell sind solche neuen Anforderungen immer eine Einladung an die Kreativität der Ingenieure, und zwar sowohl auf unserer als auch auf Kundenseite. So schicken wir beispielsweise unseren Kunden einmal im Jahr eine Liste zu, in der sie Wünsche zu neuen oder zu Verbesserungen bestehender Produkte äußern können. Und wir freuen uns dann, mit unseren Kunden gemeinsam daraus neue Ideen zu entwickeln, einfach mal quer zu denken und Ideen freien Raum zu lassen. So kommen oftmals ganz neue Produkte zustande, die das Energieführen noch einfacher machen. n
Vor gut einem Jahr stellte die Firma Igus auf der Hannover Messe ihre neue steckbare Energiekette readychain speed vor. Seit kurzer Zeit ist eine verbesserte Version erhältlich. SCHALTSCHRANKBAU sprach mit Christian Stremlau, Leiter Geschäftsbereich readychain & readycable bei Igus, über die Vorteile, die diese Lösung für Schaltschrankbauer bietet.
Herr Stremlau, Igus bietet dem Markt mit readychain einbaufertig konfektionierte Energieführungssysteme. Bitte erklären Sie das Prinzip, das dahinter steht.
Christian Stremlau: Die Idee des readychain-Systems ist etwa 20 Jahre alt. Ziel war und ist es, dem Kunden ein komplett konfektioniertes Energieketten-System aus Kunststoff an die Hand zu geben, mit dem er einerseits die Lebensdauer seiner Anwendung erhöhen, andererseits direkt Kosten reduzieren kann - beispielsweise indem er Konfektionierungs-, Montage- und Prozesskosten bei Beschaffung und Logistik spart. Dazu definiert er uns gegenüber die Anforderungen für die Elektrifizierung seiner Maschine und erhält dann ein auf seine Anwendung zugeschnittenes, schnittstellenoptimiertes Energieführungsmodul, die readychain.
igus GmbH
Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU 4 2015 - 29.10.15.Für weitere Artikel besuchen Sie www.schaltschrankbau-magazin.de