Interview mit Hans Beckhoff zu Ethercat P
"Die One Cable Automation ermöglicht die konsequente Maschinenmodularisierung"
Ethercat P kombiniert Hochleistungskommunikation und Leistungsversorgung in einem Kabel und ermöglicht so die One Cable Automation für die gesamte Feldebene. Hans Beckhoff, Geschäftsführender Gesellschafter von Beckhoff Automation, erläutert im Interview das Konzept der steckbaren Automatisierung sowie die konkreten Vorteile und Auswirkungen für den modernen Maschinenbau.
Was waren die Hintergründe, die zur Entwicklung von Ethercat P geführt haben?
Hans Beckhoff: Beckhoff zeichnet sich dadurch aus, dass wir einerseits als Hightech-Unternehmen viele neue Technologien beherrschen und erkennen. Andererseits wird, u.a. durch den eigenen Schaltschrankbau, nie die praktische Seite der Maschinen- oder Gebäudeautomatisierung außer Acht gelassen. Und gerade im Maschinenbau zeigt sich schon seit Jahren die Tendenz, die Anzahl der Kabel an der Maschine zu reduzieren. Schließlich sind diese nicht nur teuer, sondern sie kosten auch Platz und können eine Fehlerquelle darstellen. Schon die Entwicklung der Feldbussysteme vor vielen Jahren beruhte auf diesem Wunsch. Bestätigt wird diese Tendenz zudem durch die Entwicklungen in der IT, wie z.B. mit USB und Power-over-Ethernet als kombinierte Kommunikations- und Leistungsverbindung. Mit Ethercat P haben wir nun einmal mehr die von PC-based Control gewohnte Konvergenz von IT-Welt und Automatisierung umgesetzt.
Welche besonderen Anforderungen erfüllt Ethercat P als industrielle Einkabellösung?
Beckhoff: Viele Automatisierungsgeräte benötigen zwei Versorgungsspannungen, damit sich Ein-und Ausgänge getrennt voneinander schalten lassen, und häufig auch eine Versorgung mit höherer Leistung. Außerdem kommen in Maschinen meist sehr viele Automatisierungsgeräte zum Einsatz, weshalb eine industrielle Einkabellösung kaskadierbar sein muss. All diese Voraussetzungen werden von der IT-Welt nicht erfüllt. Daher haben wir Ethercat P entwickelt, das die ultraschnelle und flexible Ethercat-Kommunikation mit der industriellen Normspannung auf einem vieradrigen Standard-Ethernet-Kabel vereint. So können Automatisierungsgeräte über nur ein Kabel und einen einfachen M8-Stecker mit Daten und mit 2x24V und 3A versorgt werden.
Was bedeutet Ethercat P für die PC-Control-Systemlösung?
Beckhoff: Ethercat P ist ein wichtiger Baustein in Richtung einer Vereinfachung unserer Systemarchitektur. System-Kunden können mit vorhandenem Know-how die Vorteile mit der bereits verfügbaren 24V-Ethercat-P-Technik sehr schnell nutzen. Darüber hinaus wurde Ethercat P bereits innerhalb der Ethercat Technology Group (ETG) vorgestellt. An den Spezifikationen zur Standardisierung wird derzeit gearbeitet. Ziel ist es, Ethercat P als offenen Technologiestandard zu etablieren, genau wie dies sehr erfolgreich bei Ethercat gelungen ist.
Welche Zielbranchen werden mit Ethercat P angesprochen?
Beckhoff: Schon Ethercat hat sich als eine Universaltechnologie bewährt, die von vielen Bereichen genutzt wird. Realisiert werden damit z.B. Maschinen- und Gebäudesteuerungen, Messtechnikanwendungen und Audioübertragungen. Ethercat P ist aus unserer Sicht eine logische, das Systemdesign vereinfachende Technologieerweiterung von Ethercat. Daher wird es auch in den gleichen Bereichen Einzug halten. Ein Schwerpunkt wird sicher der Maschinenbau sein, aber gerade auch in der Gebäudetechnik wird Ethercat P als wesentlicher Faktor für eine vereinfachte Automatisierungsinfrastruktur angesehen. Der Bereich Messtechnik wird vor allem davon profitieren, dass für die Anbindung intelligenter Sensorik nur noch ein M8-Stecker benötigt wird, die Systeme somit kompakter bauen und leichter zu integrieren sind.
Ethercat P ist die Basis für One Cable Automation. Welche Grundidee steckt hinter diesem Konzept?
Beckhoff: Die Einkabeltechnologie, bestehend aus Kommunikation und Power, hat Beckhoff im Bereich der Antriebstechnik mit OCT schon vor vier Jahren sehr erfolgreich eingeführt. Die One Cable Automation als Einkabelansatz ist also schon länger ein treibendes Element unserer Produktentwicklung. Ethercat P ist nun eine Generalisierung dieses Prinzips, mit dem sich die One Cable Automation für die Feldebene optimal umsetzen lässt. Dahinter steckt der Gedanke einer Plug&Work-Technologie, sodass ein Automatisierungsgerät einfach über eine automatisierungstechnische Steckdose in eine Automatisierungsanlage hinein integriert werden kann. Ein weiteres Ziel ist, eine steckbare Automatisierung an der Maschine zu erreichen. Dabei kombinieren intelligente Ethercat-P-Steckdosen an der Maschine die benötigten unterschiedlichen Spannungsniveaus mit der jeweiligen kommunikativen Intelligenz. Hierfür wurde eine komplette Ethercat-P-Steckerfamilie definiert, die den gesamten Bereich von 24V und 3A bis hin zu 600V mit 64A abdeckt.
Was bedeutet eine steckbare Automatisierung bzw. die schaltschranklose Maschine zukünftig für den Maschinenbau?
Beckhoff: Moderne Konzepte des Maschinenbaus beinhalten auch immer eine Modularisierung, d.h. viele Maschinenbauer denken heute in Plattformen und darauf definierten Maschinenmodulen. Durch deren individuelle Zusammenstellung lässt sich dann eine kundenspezifische Maschine mit minimiertem Aufwand konzipieren. Damit einhergehend wird von der Steuerungstechnik gefordert, sich ebenso modular zu verhalten wie die Mechanik. Das gilt sowohl für die Signalebene als auch für die Softwarearchitektur. Dementsprechend wünschen sich die Maschinenbauer, dass der kleine Teil eines Schaltschranks, der für ein einzelnes Maschinenmodul zuständig ist, sich als kompakte IP65-Lösung auch direkt in diesem Modul befindet und nicht aufwendig verdrahtet bzw. projektiert werden muss. Und für deren Anschluss eignet sich Ethercat P optimal. Ist darauf zusätzlich noch das Prinzip der Ethercat-P-Steckdose umgesetzt, lassen sich automatisierungstechnische Endgeräte direkt und einfach per Plug&Work anstecken.
Welche Möglichkeiten eröffnen sich für eine innovative Maschinen- und Anlagenkonzeption?
Beckhoff: Die Steckbarkeit wirkt sich auf zwei Ebenen aus: bei der Anbindung des kompletten Maschinenmoduls und beim Anschluss der Automatisierungsgeräte über Ethercat-P-Steckdosen. Damit kann im Endeffekt die ganze Maschine über eine zentrale Power- und Kommunikationsverteilstation versorgt werden, was eine sehr übersichtliche, modulare und einfach erweiterbare Konzeption ermöglicht. Außerdem wird Ethercat P durch seine einfache, kostengünstige Anwendung und die sehr einleuchtende technische Philosophie, die dahintersteht, ganz grundsätzlich das modulare Denken der Maschinenbauer fördern.
Welche Ethercat-P-Produkte umfasst das Beckhoff-Portfolio?
Beckhoff: Bis zum zweiten Quartal 2016 werden alle Ethercat-Box-Module auch als Ethercat-P-Versionen zur Verfügung stehen. Damit lässt sich ein extrem breites I/O-Portfolio für nahezu alle Signalarten nutzen und zwar mit dem vorhandenen Engineering-Know-how und dem zusätzlichen Vorteil der entfallenden Powerleitung. In der zweiten Jahreshälfte wird es Ethercat-P-fähige 24- bzw. 48V-Servomotoren mit Anbau-Leistungselektronik geben. Weiterhin ist eine Panel-PC-Serie geplant, die sich sehr elegant und kostengünstig über lediglich einen Ethercat-P-M8-Stecker anschließen lässt. Mittelfristig wird dann auch der höhere Leistungsbereich mit Infrastrukturkomponenten und den genannten Ethercat-P-Steckdosen abgedeckt werden.
Welche Vorteile bietet Ethercat P aus Sicht von Industrie 4.0 bzw. IoT?
Beckhoff: Gerade im Sinne von Industrie 4.0 gilt es, eine Vielzahl von Signalen zu erfassen und auszuwerten. Ethercat P eignet sich hier ideal als unterlagerter Sensor-, Aktor- und Messtechnik-Bus. Über entsprechende IP65-I/O-Module ist es für den Anwender sehr einfach, Messpunkte bedarfsgerecht im Feld zu platzieren und die Daten über Protokolle wie AMQP oder MQTT in das Internet of Things weiterzuleiten. Hierfür bieten wir mit Twincat IoT und Twincat Analytics bereits jetzt die optimalen Voraussetzungen.
Ethercat P - Highlights und Vorteile
- • Ethercat + 2x 24V DC/3A auf nur vier Adern
- • Stromversorgungsweiterleitung in den Teilnehmern
- • Skalierbare Steckerfamilie von 24VDC bis 600VDC und 64A
- • Freie und flexible Topologiewahl durch Stromversorgungsweiterleitung
- • Überragende Ethercat-Performance zu geringen Anschaltkosten
- • Reduzierte Material- und Montagekosten
- • Reduzierte Fehlerquellen und minimierter Verdrahtungsaufwand
- • Optimierter Bauraum bei Schleppketten, Schaltschränken, Kabeltrassen und Maschinen
- • Verkleinerte Sensoren und Aktoren durch Wegfall separater Versorgungseinspeisungen
Ethercat P kombiniert Hochleistungskommunikation und Leistungsversorgung in einem Kabel und ermöglicht so die One Cable Automation für die gesamte Feldebene. Hans Beckhoff, Geschäftsführender Gesellschafter von Beckhoff Automation, erläutert im Interview das Konzept der steckbaren Automatisierung sowie die konkreten Vorteile und Auswirkungen für den modernen Maschinenbau.
Was waren die Hintergründe, die zur Entwicklung von Ethercat P geführt haben?
Hans Beckhoff: Beckhoff zeichnet sich dadurch aus, dass wir einerseits als Hightech-Unternehmen viele neue Technologien beherrschen und erkennen. Andererseits wird, u.a. durch den eigenen Schaltschrankbau, nie die praktische Seite der Maschinen- oder Gebäudeautomatisierung außer Acht gelassen. Und gerade im Maschinenbau zeigt sich schon seit Jahren die Tendenz, die Anzahl der Kabel an der Maschine zu reduzieren. Schließlich sind diese nicht nur teuer, sondern sie kosten auch Platz und können eine Fehlerquelle darstellen. Schon die Entwicklung der Feldbussysteme vor vielen Jahren beruhte auf diesem Wunsch. Bestätigt wird diese Tendenz zudem durch die Entwicklungen in der IT, wie z.B. mit USB und Power-over-Ethernet als kombinierte Kommunikations- und Leistungsverbindung. Mit Ethercat P haben wir nun einmal mehr die von PC-based Control gewohnte Konvergenz von IT-Welt und Automatisierung umgesetzt.
Beckhoff Automation GmbH & Co. KG
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN HMIS 2016 - 07.04.16.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de