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Sichere Verbindungen für die Bahntechnik: Interview mit Richard Markus (Teil 1)

"Bei Wago wird 'Bahn' gelebt"

Seit fast 40 Jahren sind Komponenten von Wago im Bereich Bahntechnik im Einsatz. 1978 wurden erstmals Reihenklemmen mit der Cage-Clamp-Technik in elektrischen Niederspannungsanlagen von 2. Klasse-Großraumwagen der Deutschen Bahn eingesetzt. SCHALTSCHRANKBAU unterhielt sich mit Richard Markus, Leiter Internationales-Key-Account-Management-Transport bei Wago, über das Geschäftsfeld Bahn. Im ersten Teil des Interviews spricht er über die gesamtwirtschaftliche Situation im Bahnbereich, die Vorzüge der Federzugtechnik bei anspruchsvollen Anwendungen sowie neue Lösungen, die das Unternehmen auf der Messe 'Innotrans' in Berlin vorstellen wird.

Bild: Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KGBild: Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG
"Der Ausbau der Bahntechnik ist ein Megatrend, dem man sich nicht mehr verschließen kann. Es gibt kaum ein effizienteres Verkehrsmittel, das auch ökologisch gesehen so sinnvoll eingesetzt werden kann." Richard Markus, Wago

Werfen wir eingangs einen Blick auf die wirtschaftliche Situation am Bahnmarkt. In Deutschland ist hier die Situation durchaus diversifiziert: Während der Nahverkehr vergleichsweise gut dasteht, gibt es im Fernverkehr - nicht zuletzt durch die Konkurrenz der Fernbusse - trotz eines sehr gut ausgebauten Schienennetzes erhebliche Probleme.

Bild: Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KGBild: Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG
"Eine Kontaktstelle, die Sie heute mit einer Feder herstellen, ist dauerhaft gasdicht. Der elektrische Kontakt bleibt über Jahrzehnte sicher."

Der Güterverkehr stagniert eher, die langen Staus auf unseren Autobahnen belegen, dass der Warenverkehr immer noch vorwiegend über unsere Straßen läuft. Ist dies eine speziell deutsche Situation oder ein globaler Trend?

Richard Markus: Den Güterverkehr betreffend ist die Situation, wie wir sie in Deutschland vorfinden, typisch für den weltweiten Bahnverkehr. Von den jeweiligen Regierungen wird zwar Geld zur Verfügung gestellt, dieses ist aber oft einseitig genutzt. Nehmen wir das Beispiel China: Die Chinesen haben in den letzten Jahren über 100Mio.? jährlich in die Bahn investiert. Ein Großteil dieses Geldes wurde in den Fernverkehr gesteckt. Mittlerweile ist der Fernverkehr in China nahezu perfekt ausgebaut. Nach wie vor gibt es dort jedoch, wie in ganz Asien, Dutzende von Megastädten, die überhaupt keine Verkehrs-Infrastruktur haben. Die Gelder müssen dort jetzt also verstärkt in den Nahverkehr geroutet werden. Und was den Güterverkehr betrifft: der ist in Asien immer noch im Aufbau begriffen und war bisher sehr bedarfsorientiert. Die Chinesen beispielsweise bauen Strecken von 600 bis 700km, nur um Waren aus dem Kohlebecken in der Mongolei in die Hafenstädte zu transportieren. Von dort aus wird die Kohle dann zu den Kraftwerken im ganzen Land verteilt. Der Rest des Güterverkehrs wurde bisher allerdings vernachlässigt. Daher wird auch dort sehr viel Ware über die Straßen transportiert. In Deutschland sind gerade mal 17 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene. Fast 70 Prozent der beförderten Güter lagern bei uns jedoch auf überfüllten, rechten Autobahnspuren.

Es gibt also noch reichlich Optimierungspotenzial ...

Markus: Sicherlich könnte in dem einen oder anderen Bereich noch mehr investiert werden. Grundsätzlich aber ist der Ausbau der Bahntechnik ein Megatrend, dem man sich nicht mehr verschließen kann. Es gibt kaum ein effizienteres Verkehrsmittel, das auch ökologisch gesehen so sinnvoll eingesetzt werden kann. Das Bevölkerungswachstum ist evident, und bereits heute ist es so, dass rund 60 Prozent der Menschheit in Städten lebt. Die wachsende Bevölkerung verlangt nach einer Möglichkeit, mobil zu sein und zu bleiben. Ein zwei Tonnen schweres Auto ist kein ökologisch effizientes Mittel, um einen 80kg schweren Menschen zu transportieren. Die Ausweitung der Elektromobilität im Individualverkehr ist zwar richtig und sinnvoll, hier muss aber erst einmal eine entsprechende Infrastruktur geschaffen werden. Es gibt also nichts Sinnvolleres, als den Bereich Bahn auszubauen. Züge fahren seit 180 Jahren mit Strom, und es hat hier nie irgendwelche Subventionen dafür gegeben, dass man auf Strom umgestellt hat. Dass der Fernbus gegenwärtig der Bahn so den Rang abläuft, kreiert eigentlich ein verzerrtes Bild. Ein Fernbus bezahlt nicht einmal Maut, ein Bahnfahrzeug hingegen muss Trassengebühren bezahlen, wenn es von A nach B fährt.

Bild: ©Platus/Pixabay.com, gemeinfrei
Bild 1 | Egal ob mobil oder stationär eingesetzt, stellt die Bahntechnik besonders hohe Anforderungen an technische Komponenten.

Demnach gibt es auch Versäumnisse auf politischer Seite, die einen Ausbau nicht gerade begünstigen.

Markus: Glücklicherweise hat man auf politischer Ebene erkannt, dass hier investiert werden muss, und es wird wirklich viel Geld zur Verfügung gesteht, und zwar weltweit. Die Schwerpunkte, die bei der Investition des Geldes gesetzt werden, sind regional allerdings unterschiedlich. Manchenorts müssen Nahverkehrslösungen her, anderswo werden Loks für den Güterverkehr gebraucht. Der Ausbau des Fernverkehrs ist hingegen europaweit beschlossene Sache. Und dann gibt es auch noch Länder, in denen müssen noch komplette Bahninfrastrukturen geschaffen werden. Im Iran beispielsweise ist der Bahnverkehr noch sehr unterentwickelt: Hier sind nach dem Ende der Sanktionen von Regierungsseite große Investitionen geplant, was den Anbieter von Bahntechnik natürlich einen sehr vielversprechenden Markt eröffnet. Aber auch die deutsche Regierung hat kürzlich beschlossen, jährlich 8Mrd.? in Schieneninfrastruktur und Schienenfahrzeuge zu investieren. Wie lange der Ausbau jedoch versäumt wurde, wird am Gotthard-Basistunnel deutlich: Der ist nach 17 Jahren Bauzeit endlich fertiggestellt, trotzdem kann der Rhein-Alpen-Korridor erst in 20 Jahren effizient genutzt werden. Unter anderem deswegen, weil auf deutscher Seite erst jetzt prioritär mit dem Ausbau dieses Streckenabschnitts begonnen wird.

Wo sehen Sie in Deutschland den größten Investitionsbedarf?

Markus: Vor allem muss die Signaltechnik auf Vordermann gebracht werden. Gerade in der Signaltechnik-Infrastruktur gibt es häufig noch Technik, die richtig alt ist, teilweise aus dem Zeitraum 1875 bis 1910. Also sind hier Investitionen am dringendsten notwendig.

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Bild 2 | Seit 1978 ist Verbindungstechnik von Wago im Bereich Bahntechnik erfolgreich im Einsatz. Auf der InnoTrans in Berlin präsentiert das Unternehmen neue Produkte für die Bahntechnik - wie die Hochstromklemmen bis 185mm².

Es gibt also auf der einen Seite einen Investitionsstau und auf der anderen Seite sehr lange Produktlebenszyklen ...

Markus: In der Tat ist es so, dass Produkte häufig 20, 30 oder 40 Jahre lang genutzt werden. Allgemein herrscht in dieser Branche eher die Haltung vor, dass nicht immer das Allerneueste das Beste ist, sondern eher Technik gefragt ist, die sich bereits bewährt hat. Die Einsatzfelder sind so komplex und anspruchsvoll, dass alle technischen Anforderungen ohne Wenn & Aber erfüllt sein müssen. Verständlicherweise greifen die Verantwortlichen dazu gerne auf Bewährtes zurück. Insgesamt müssen wir aber bei der Innovationsbereitschaft schneller werden und auch in Deutschland aufpassen, dass wir nicht von anderen Ländern überholt werden. Bisher ist Deutschland bei der Bahntechnik noch Innovationstreiber und technologisch führend, mittlerweile gibt es aber z.B. chinesische Hersteller, die innerhalb von 14 Monaten ein Bahnfahrzeug komplett neu entwickeln und auf die Schiene bringen können. Wir - die Komponentenhersteller in Deutschland - brauchen teilweise für eine einzelne Komponente die gleiche Zeit bis zur Marktreife. Die Kosten sind ebenfalls ein enormer wettbewerbsbestimmender Faktor. Chinesische Fahrzeughersteller bieten inzwischen Metro-Fahrzeuge für unter einer halben Million Euro an. Die Europäer sind also gut beraten, effizienter und schnell zu werden. Dabei spielt sogar die Auswahl der Klemme eine Rolle - unsere X-Com-Klemmen zum Beispiel sind einfach in der Handhabung und lassen sich besonders zeit- und platzsparend verdrahten. Meiner Ansicht nach haben das europäische Unternehmen sehr wohl erkannt, denn mittlerweile überdenken nicht nur die großen Fahrzeughersteller ihre Prozesse, sondern auch die Komponentenhersteller.

Kommen wir auf die Technik zu sprechen: Wie sehen hier die Anforderungen bei der Bahntechnik aus?

Markus: Die Technik ist sehr anspruchsvoll und die Komponenten müssen hohe Anforderungen erfüllen. Als Wago 1977 die Käfigzugfeder erfunden hatte, hat dies den Markt komplett revolutioniert. Die Federzugtechnik ist zum Standard in der Verbindungstechnik geworden. Warum? Weil sie wartungsfrei, schnell und sicher in der Handhabung ist und die Fehleranfälligkeit bei der Installation auf ein Minimum reduziert wird. Damals hatte die Deutsche Bahn das Potenzial dieser Technologie sofort erkannt und die Firma AEG damit beauftragt, 540 Reisezugwagen mit der ersten Käfigzugfeder auszustatten. Fast 500 dieser Reisezugwagen sind noch heute mit den selben Klemmen unterwegs. Die Wagen wurden mittlerweile neu gestrichen, es wurden neue Teppiche verlegt, die Lampen und Sitze wurden ausgewechselt, nur in den Schaltschränken befinden sich noch immer die selben Reihenklemmen. Darauf sind wir durchaus stolz. Vor einigen Jahren haben wir einige dieser ersten Käfigfederzug-Klemmen ausbauen und im Labor untersuchen dürfen. Verglichen mit neuen Klemmen hat sich in Bezug auf die Leistungsfähigkeit - also elektrische Anschlusspunkte, Kontaktsicherheit, Kontakthaltekräfte - überhaupt nichts verändert.

Bild: Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KGBild: Wago Kontakttechnik GmbH & Co. KG
Bild 3 | Neben der Verbindungstechnik eignen sich auch andere Wago-Komponenten wie das vibrations-, schock- und EMV-feste I/O-System 750 XTR für die anspruchsvollen Applikationen.

Welche Vorteile bietet die Federzugtechnik bei den rauen Einsatzbedingungen im Bahnbereich?

Markus: Jemand, der sich mit dieser Technologie noch nicht näher beschäftigt hat, könnte zu dem Schluss kommen, man könne mit einer Schraube den besseren Kontakt herstellen. Frei nach dem Motto: Wenn ich eine Schraube anziehe, dann sitzt die. Um aber exakt die richtige Kraft einzusetzen, müsste man schon mit einem Drehmoment-Schlüssel arbeiten. Praktisch tut das niemand, also sind solche elektrischen Verbindungen in der Regel entweder zu fest oder zu locker. Hinzu kommt: Nach dem Festziehen, bleibt die Schraube genau in ihrer Position, auch wenn kein Strom mehr fließt und die Werkstoffe sich zusammenziehen. Dadurch reißt die Kontaktstelle auf, Sauerstoff dringt ein und durch die Korrosion steigt schließlich der Übergangswiderstand. Man kann die Schraube zwar nachziehen, aber die Kontaktstelle hat sich physikalisch verändert und die Qualität der Verbindung ist schlechter geworden. Eine Feder hingegen ist ein dynamisch wirkendes Element, das alle Zustandsveränderungen einfach mitmacht. Wenn Strom fließt, erwärmt sich das ganze System und es dehnt sich aus. Wenn kein Strom fließt, kühlt das System ab und zieht sich wieder zusammen. Die Feder folgt in beiden Fällen. Dasselbe gilt bei Veränderungen der Umgebungstemperatur. Daraus resultiert: Eine Kontaktstelle, die Sie heute mit einer Feder herstellen, ist dauerhaft gasdicht. Es dringen also weder Feuchtigkeit noch Sauerstoff ein und die Kontaktstelle kann nicht korrodieren. Kurz: Der elektrische Kontakt bleibt über Jahrzehnte sicher. Es ist doch einem Bahnbetreiber nicht zu vermitteln, dass eine Komponente, die nur ein paar Cent oder einen Euro kostet, einen gesamten Zug lahmlegt. Deswegen sind wir stolz, dass unsere Komponenten über Jahrzehnte derart zuverlässig arbeiten. Die Federzugtechnik ist prädestiniert für diese anspruchsvollen Anwendungen. Deswegen wird bei Wago 'Bahn' gelebt. Nicht zuletzt ist dies auch eine gute Referenz für andere Anwendungsbereiche. Wer in der Bahntechnik über einen so langen Zeitraum erfolgreich unterwegs ist, der ist auch den Anforderungen in anderen Applikationen gewachsen.

Welche Komponenten für die Bahntechnik bietet Wago abseits der Klemme?

Markus: Tatsächlich haben wir abgesehen von der Klemme ein großes Produktportfolio, das sich bestens für den Einsatz im Bahn-Umfeld eignet und bei dem es noch Entwicklungspotenzial hinsichtlich der Marktanteile gibt. So bieten wir auch Interface-Technik wie Relais und Optokoppler, elektronische Schutzschalter oder Trennverstärker. Seit kurzer Zeit haben wir auch ein Bussystem für extreme Bedingungen - das I/O-System 750 XTR. Es ist vibrations-, schock- und EMV-fest sowie temperaturbeständig von -40 bis +70°C. Also genau das, was ein Bahnfahrzeug-Hersteller braucht. Hiermit möchten wir einen Zug nicht steuern, aber wir können viele Randapplikationen, also den Komfortbus in Fahrzeugen der Anwendungen wie Beleuchtung, Passagier-Informationssysteme, Toiletten, Küchen, Aufgaben im Bereich Datenspeicherung, etc. abdecken und dadurch die Haupt-Steuerungen entlasten. Genau wie bei unserem klassischen I/O-System 750 haben wir auch für das XTR eine breite Palette an Komponenten - angefangen beim PFC200, über Ethernet- oder CANopen-Feldbuskontroller bis hin zu unterschiedlichen Kopplern und einer Vielzahl passender Busklemmen.

Gibt es Neuheiten, die Sie auf der Innotrans in Berlin vorstellen werden?

Markus: Ja, auf der Innotrans werden wir wieder in Halle 13 ausstellen. Dort werden wir unter anderem neue Module für das XTR-Automatisierungssystem präsentieren. Genauso werden wir die Bandbreite unserer Verbindungstechnik vorstellen - von Federklemmen für Leitungen von 0,08mm², also der Dicke eines Haares, bis hin zu 185mm². Letztere ist in der Federklemmtechnik ein Wago-Alleinstellungsmerkmal. Ein weiteres Highlight ist unsere Schirmleiterklemme. Hier haben wir die Handhabung enorm vereinfacht und die Funktionalität durch die Feder perfektioniert.

Den 2. Teil des Interviews mit Richard Markus lesen Sie in Heft 5. Näher beleuchtet werden dann wichtige Normen sowie zukünftige Trends in der Bahntechnik

WAGO Kontakttechnik GmbH & Co. KG

Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU 4 2016 - 08.07.16.
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