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Resolution des EU-Parlamentes gibt Empfehlungen an die Europäische Kommission

Verbindlicher Rechtsrahmen als Wettbewerbsvorteil

Sieht man einmal vom Gesetzentwurf der Bundesregierung zum autonomen Fahren ab, der Ende Januar verabschiedet wurde, so ist in Sachen Robotikrecht national wie international bisher reichlich wenig geschehen. Dabei ist die Thematik mehr als dringend, denn nicht nur in der industriellen Produktion, sondern auch im Consumer-, Medizin- oder Pflegebereich sind die Kollegen Roboter und die künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch. Daher hat sich nun der Rechtsausschuss des EU-Parlamentes der Angelegenheit angenommen und fordert die Europäische Kommission auf, ein entsprechendes Regelwerk zu schaffen.

Bild: European Union 2017 - Source EPBild: European Union 2017 - Source EP
Bisher gibt es weder einen nationalen noch einen internationalen Rechtsrahmen in Sachen Robotik. Dies möchte das EU-Parlament jetzt mit einem Regelwerk ändern, das der EU-Kommission vorliegt.

Mit den in dieser Resolution enthaltenen Empfehlungen, die Mitte Februar von einer breiten Mehrheit des Europäischen Parlamentes verabschiedet wurde, ist die EU weltweit Vorreiter. "Die Ausarbeitung von Normen und Standards ist von strategischer Relevanz, da sie eines Tages zu amerikanischen Normen, zu internationalen Normen werden können. Wenn es europäische Normen gibt, dann ist die europäische Industrie klar im Vorteil. Der Zeitpunkt ist gut, weil die Mitgliedstaaten noch keine Rechtsvorschriften haben. So können wir einen Rahmen bieten, der den Mitgliedsstaaten als Vorbild für den Erlass von Vorschriften dient, die in der gesamten EU gelten.", bemerkt Mady Delveaux, Abgeordnete der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im EU-Parlament und Mitglied des Rechtsausschusses, die maßgeblich an dem Bericht beteiligt war, der nun der EU-Kommission vorgelegt wird.

Bild: European Union 2017 - Source EPBild: European Union 2017 - Source EP
Mady Delveaux, Abgeordnete des EU-Parlaments, hält die fortschreitende Roboterisierung für eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.

Haftungsfragen

Konkret geht es um Fragen wie: Wer haftet, wenn ein kollaborativer Roboter, der einem Menschen in einem Industriebetrieb bei einer schweren Tätigkeit zur Hand geht, diesen verletzt? Wer kommt dafür auf, wenn ein Medizinroboter bei einem chirurgischen Eingriff einen folgenschweren Fehler macht? Wer bezahlt, wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall verursacht? Muss der Hersteller in die Pflicht genommen werden, der Programmierer oder gar der Nutzer? "Wir verfügen über zwei Optionen. Nach einem strikten Haftungskonzept sollte der Hersteller haftbar sein, denn er ist am besten in der Lage, mögliche Risiken zu begrenzen. Er kann dann den Lieferanten oder Subunternehmer belangen. Die andere Option ist ein Ansatz, der auf einer Risikobewertung beruht: Es müssten im Vorfeld Tests durchgeführt werden, um die möglichen Risiken zu bewerten und im Falle etwaiger Schäden müssten dann die verschiedenen Akteure zusammen die Entschädigung leisten. Wir schlagen zudem die Einführung einer Pflichtversicherung vor, zumindest für große Roboter.", so die EU-Parlamentarierin. Richtig kompliziert wird die Sachlage bei sogenannten selbstlernenden Robotern. Hierzu Delveaux: "Wenn selbstlernende Roboter aufkommen, wird es nötig sein, verschiedene Lösungsansätze parat zu haben. Wir ersuchen die Kommission, die verschiedenen Optionen zu untersuchen. Eine Option könnte sein, Robotern einen Status als elektronische Persönlichkeit zuzuweisen, zumindest dann, wenn es um den Schadenersatz geht."

Definitionen, Datenschutz und ethische Fragen

Die EU-Parlamentarier sind auch davon überzeugt, dass sich durch die Schaffung von Rechtssicherheit für die europäische Wirtschaft enorme Vorteile ergeben. Nur so könne eine breite Akzeptanz von sogenannten Cyber Physical Systems (CPS), künstlicher Intelligenz und autonomen Robotern geschaffen sowie die weitere Forschung und Entwicklung daran vorangetrieben werden. Neben den Haftungsfragen fordern sie die Europäische Kommission daher unter anderem zur Schaffung einheitlicher Definitionen und Begrifflichkeiten, einer Registrierungspflicht von Robotern, Maßnahmen zur Sicherung intellektuellen Eigentums sowie der Förderung von europäischen Forschungsprojekten auf. Zur Koordinierung schlagen sie die Schaffung einer europäischen Agentur für Robotik und künstliche Intelligenz vor. Ganz wichtig sei es auch, Standards im Hinblick auf die Datensicherheit zu schaffen. Denn bei der Nutzung von Robotern, autonomen Fahrzeugen und anderer künstlicher Intelligenz fallen eine Unmenge von Daten an. Wer aber ist der Eigentümer dieser Daten, und wie kann einem möglichen Missbrauch entgegengewirkt werden? Neben diesen sehr wichtigen, aber eher pragmatischen Aspekten der neuen technologischen Revolution sind es auch ethische Fragen, die das EU-Parlament in seiner Resolution umtreiben. Dazu nochmals Mady Delveaux: "Ein Roboter ist kein Mensch und wird nie einer sein. Ein Roboter kann vielleicht ein gewisses Einfühlungsvermögen zeigen, aber er kann sich nicht in jemanden hineinversetzen. Wir möchten keine Roboter wie in Japan, die wie Menschen aussehen. Wir haben eine Charta vorgeschlagen, die fordert, dass Menschen nicht emotional abhängig gemacht werden dürfen. Man kann physisch abhängig sein, wenn ein Roboter bestimmte Aufgaben übernimmt. Man sollte jedoch nie glauben, dass ein Roboter Gefühle haben kann." Gerade im Zuge der Überalterung der Gesellschaft und des damit verbundenen Einsatzes von Pflegerobotern - und anderer möglicher Androiden, von denen wir uns gegenwärtig noch gar keine Vorstellung machen -, könnte das Thema emotionale Abhängigkeit schon bald akut werden. Sicherlich muss es dabei nicht so weit kommen wie in dem US-amerikanischen Spielfilm Her aus dem Jahre 2013. Hier verliebt sich der frisch geschiedene Hauptdarsteller Theodore Twombly in die weibliche Stimme seines Computer-Betriebssystems namens Samantha, was ihn im richtigen Leben in allerlei Schwierigkeiten und Abstrusitäten bringt. Am Ende erfährt Twombly, dass Samantha mit mehr als 8.000 weiteren Personen eine ähnliche Beziehung pflegt. Trotz der Beteuerung ihrer Liebe zu ihm bleibt der Hauptdarsteller am Ende völlig desillusioniert zurück.

Gesellschaftliche Gesamtaufgabe

Wie bei allen Zukunftsthemen, so gibt es auch bei der Robotik und der künstlichen Intelligenz Schwarzmaler auf der einen und grenzenlose Optimisten auf der anderen Seite. So haben die einen die Befürchtung, dass die fortschreitende Roboterisierung ein Heer an Arbeitslosen nach sich ziehen wird, wohingegen die anderen behaupten, dass technologische Revolutionen bisher immer mit einem Beschäftigungsanstieg einher gegangen sind. Dass der Übergang zu einer wie auch immer gearteten Roboter-Gesellschaft durchaus zu Verwerfungen führen kann, davon zeigte sich Roberto Viola, Director General bei der Abteilung DG Connect der Europäischen Kommission, im Rahmen eines Presseseminares zu Robotik-Recht Anfang Februar in Brüssel überzeugt: "Gerade die Übergangsphasen solcher Entwicklungen sind häufig nicht sehr angenehm, und es gibt durchaus Anzeichen einer steigenden Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt". So plädiert auch EU-Parlamentarierin Delveaux dafür, wachsam zu bleiben, ist aber gleichzeitig optimistisch: "Ich glaube, dass es sich hier um eine der größten Herausforderungen für unsere Gesellschaft und unsere Bildungssysteme handelt. Wir wissen einfach nicht, wie sich die Dinge entwickeln werden. Ich bin davon überzeugt, dass Beschäftigungsmöglichkeiten für geringer Qualifizierte immer bestehen werden. Menschen werden nicht durch Roboter ersetzt werden. Menschen und Roboter werden zusammenarbeiten." Sollte es allerdings tatsächlich zu einer großen Anzahl an Arbeitslosen kommen, so schlägt der Bericht des EU-Parlamentes an die Europäische Kommission eine Änderung unserer Sozialversicherungssysteme und sozialpolitischen Finanztransferkonzepte vor. Ein würdiges Leben, so die Parlamentarier, müsse in jedem Fall gesichert werden. (jwz)

TeDo Verlag GmbH

Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 1 2017 - 18.04.17.
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