Überspannungsschutz
Die Normenreihe DIN VDE0100 'Errichten von Niederspannungsanlagen' beschreibt Forderungen an Planung, Errichtung und Prüfung von elektrischen Anlagen, um die Sicherheit von Personen, Nutztieren und Sachwerten sowie einen zuverlässigen Betrieb sicher zu stellen. Auf Basis der internationalen Normen IEC60364-4-44 und IEC60364-5-53 wurden die deutschen VDE-Regelwerke DIN VDE0100-443 und DIN VDE0100-534 zum Schutz bei Überspannungen aktualisiert.
Seit Oktober 2016 regeln die neuen Normen die Notwendigkeit und den Einsatz von Überspannungsschutz in Niederspannungsanlagen. Demnach ist Überspannungsschutz ab sofort in jedem Neubau oder bei Erneuerungen verpflichtend vorgeschrieben, wenn Überspannungen Auswirkungen auf Personen in Wohngebäuden, Büros oder Schulen haben können.
DIN VDE0100-443
Die DIN VDE0100-443 beschreibt die Forderungen zum Einsatz von Überspannungsschutz. Eine wesentliche Änderung zur bisherigen Norm betrifft die Entscheidungskriterien, wann Überspannungsschutz installiert werden muss. Die Risikoanalyse ist entfallen und Überspannungsschutz ist ab sofort in jedem Neubau verpflichtend vorgeschrieben, wenn die Überspannungen Einfluss haben auf:
- • Menschenleben, z. B. Anlagen für Sicherheitszwecke, medizinische Bereiche
- • Öffentliche Einrichtungen und Kulturbesitz, z. B. Ausfall von öffentlichen Diensten, Telekommunikationszentren, Museen
- • Gewerbe- oder Industrieaktivitäten, z. B. Hotels, Banken, Industriebetriebe, Gewerbemärkte, landwirtschaftliche Betriebe
- • Ansammlungen von Personen, z. B. große Wohngebäude, Büros, Schulen, Kirchen
- • Einzelpersonen, z. B. in Wohngebäuden und kleinen Büros, wenn in diesen Gebäuden Betriebsmittel der Überspannungskategorie I oder II errichtet sind
In Wohngebäuden ist immer davon auszugehen, dass Betriebsmittel der Überspannungskategorie I (1,5kV) und II (2,5kV) installiert sind. Damit ist Überspannungsschutz notwendig. Elektroplaner und Installateure haben jetzt die Pflicht, Bauherren über den notwendigen Überspannungsschutz zu informieren. Für Gebäude mit industrieller Nutzung, wie Gewerbe, Hotels oder Büros gab es die Schutzanforderungen bereits in der vorhergehenden Normenausgabe. Zum Schutz bei direkten Blitzeinschlägen in oder neben die Anlage ist weiter zusätzlich die Blitzschutznorm DIN VDE0185-305 Teil 1 bis 4 zu beachten.
DIN VDE0100-534
Die Auswahl und Errichtung des erforderlichen Überspannungsschutzes wird in der DIN VDE0100-534 beschrieben. Für einen sicheren Schutz bei Schaltüberspannungen sollen die SPDs (Surge Protective Devices = Überspannungsschutzgeräte) so nah wie möglich an den Störquellen bzw. direkt am Gebäudeeintritt zum Beispiel am HAK oder im Zählerschrank errichtet werden.
Schutzbereich der Überspannungsschutzgeräte
Die SPDs bieten nach Norm einen Schutzbereich von maximal 10m Leitungslänge bis zum zu schützenden Gerät. Ist die Leitung länger oder ist mit weiteren Überspannungseinkopplungen zu rechnen, sind zusätzliche Schutzmaßnahmen notwendig. Bei größeren Abständen ist ein weiteres Überspannungsschutzgerät so nah wie möglich vor dem Endgerät einzubauen. Induktive Einkopplungen können durch Schirmung der Leitungen minimiert werden.
Freileitungseinspeisung
Bei Gebäuden ohne äußeres Blitzschutzsystem, jedoch mit einer Versorgung durch eine Niederspannungsfreileitung, kommt es beim Blitzeinschlag zu auftretenden Blitzteilströmen. Auch wenn das Gebäude vom letzten Mast über ein Erdkabel mit der Freileitung verbunden ist, wird seit Oktober 2016 der Einsatz eines blitzstromtragfähigen Typ 1-SPDs am Speisepunkt der Energieversorgung gefordert.
Anschlussleitungen
Die gesamte Anschlusslänge, als Stichleitung zum SPD, darf nach neuer Norm eine Länge von 0,5m nicht überschreiten. Ist diese Forderung nicht umzusetzen, muss der Installateur weitere Maßnahmen treffen. Er kann ein weiteres SPD zum Beispiel Typ 3-Geräteschutz direkt an den zu schützenden Betriebsmitteln einbauen oder mit der sogenannten V-Verdrahtung die Länge der Anschlussleitung im Stich zum SPD minimieren. Im Schaltschrank kann ein zusätzlicher und vermaschter Potentialausgleich mit der metallenen Montageplatte und dem Gehäuse erfolgen. Durch die mehreren parallelen Verbindungen werden die Induktivität der Verbindung und der resultierende Spannungsfall reduziert. Der Querschnitt der Anschlussleitungen muss gemäß dem auftretenden Kurzschlussstrom nach DIN VDE0100-430 ausgewählt werden. Die neuen Normen weisen nun zusätzlich einen Mindestquerschnitt für die Tragfähigkeit der Impulsströme zwischen dem aktiven Leiter und SPD und zwischen SPD und Haupterdungsschiene auf.
Informationstechnische Systeme
Die VDE 0100 gilt für Niederspannungsanlagen und nicht für informationstechnische Systeme, jedoch wird in den neuen Normen folgende Empfehlung abgegeben: Die im Gebäude vorhandenen Systeme wie z. B. Telefon- oder TV-Anlagen, Datennetzwerke oder Gebäudesteuerungen werden oft durch die Energieversorgung und die Datenleitung gespeist. Da an diesen Anlagen Überspannungen auf beiden Systemen eingekoppelt werden können, ist ein kompletter Schutz notwendig. Wird ein lokaler Überspannungsschutz und Potentialausgleich aufgebaut, kann es nicht zu gefährlichen Spannungsdifferenzen kommen.
Fazit
Die beiden neuen Normenteile DIN VDE0100-443 und -534 schaffen Klarheit über die Notwendigkeit von Überspannungsschutz. Überspannungsschutz ist nach den aktuellen Kriterien für alle elektrischen Anlagen der Energieversorgung und auch für informationstechnische Systeme verpflichtend vorgeschrieben. In Zukunft kann fehlender Überspannungsschutz im Schadensfall zu rechtlichen Konsequenzen führen. Daher empfiehlt sich eine Dokumentation von der Beratung des Betreibers über die Prüfung der Notwendigkeit bis zu den umgesetzten Überspannungsschutzmaßnahmen.
Die Normenreihe DIN VDE0100 'Errichten von Niederspannungsanlagen' beschreibt Forderungen an Planung, Errichtung und Prüfung von elektrischen Anlagen, um die Sicherheit von Personen, Nutztieren und Sachwerten sowie einen zuverlässigen Betrieb sicher zu stellen. Auf Basis der internationalen Normen IEC60364-4-44 und IEC60364-5-53 wurden die deutschen VDE-Regelwerke DIN VDE0100-443 und DIN VDE0100-534 zum Schutz bei Überspannungen aktualisiert.
Seit Oktober 2016 regeln die neuen Normen die Notwendigkeit und den Einsatz von Überspannungsschutz in Niederspannungsanlagen. Demnach ist Überspannungsschutz ab sofort in jedem Neubau oder bei Erneuerungen verpflichtend vorgeschrieben, wenn Überspannungen Auswirkungen auf Personen in Wohngebäuden, Büros oder Schulen haben können.
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Dieser Artikel erschien in GEBÄUDEDIGITAL 4 2017 - 21.06.17.Für weitere Artikel besuchen Sie www.gebaeudedigital.de