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Einkabellösungen, Schnittstellen und funktionale Sicherheit

Drehgeber- Trendbericht

Im Rahmen der ersten TeDo-Drehgeber-Expertenrunde trafen sich Vertreter von sieben Drehgeberherstellern, um aktuelle Themen aus dem Drehgeberbereich zu diskutieren. Im ersten Teil ging es dabei um derzeitige Trends, zukünftige Schnittstellen, Einkabellösungen und funktionale Sicherheit.

Bild: TeDo Verlag GmbHBild: TeDo Verlag GmbH

Teilnehmer

? Baumer Group: Dr. Johann Pohany,

Leiter Produktsegment Motion Control

? Posital: Christian Leeser,

CEO

? Fritz Kübler: Arnold Hettich,

Produktmanager Positions- & Bewegungssensorik

? Hengstler: Peter Elbel,

Manager Product Implementation

? Johannes Hübner Gießen: Thomas Brandenburger,

Leitung Produktmanagement

? TR Electronic: Andreas Bäuerle,

Technischer Vetrieb

? Wachendorff Automation: Dieter Schömel,

Produkt- & Key-Account Manager

Was sind derzeit die Trends im Drehgeberbereich?

J. Pohany (Baumer): Über die Standardisierung der Schnittstellen werden die 36mm- und 58mm-Drehgeber immer mehr ein 'me too'-Produkt, d.h. sie unterscheiden sich aufgrund ihrer Funktionalität immer weniger von Wettbewerbsprodukten. Daneben sind hochpräzise magnetische Drehgeber ein weiterer Trend. Dort erreichen wir mittlerweile eine Präzision, die in Richtung optische Geber geht. Das dritte Thema ist funktionale Sicherheit. Als letztes sehe ich Einkabellösungen im Motor-Feedback-Bereich. Natürlich geht auch Industrie 4.0 an uns nicht vorbei, d.h. neue digitale Schnittstellen, die zusätzliche Daten an die Steuerung weiter geben.

C. Leeser (Posital): Magnetik ersetzt die Optik, man braucht die Optik im Anbaudrehgeberbereich nicht mehr.

A. Hettich (Kübler): Aufgrund von Bauraumoptimierungen gibt es in vielen Applikationen einen Trend zu lagerlosen Drehgebern, die auch magnetisch sein können. Allerdings gibt es weiterhin auch die optischen Anbaudrehgeber, die nach wie vor viele Vorteile haben, wenn der Bauraum ausreicht.

P. Elbel (Hengstler): Mehr Digitalisierung, d.h., dass analoge Schnittstellen zunehmend durch digitale Schnittstellen ersetzt werden. Die reine Positionsinformation wird ergänzt durch weitere Informationen. Zudem sehen wir immer mehr internationale Reglementierungen, z.B. bei EMV-Richtlinien und ganz speziell bei Safety.

A. Bäuerle (TR Electronic): Beim Thema Industrie 4.0 spielt in Zukunft auch Predictive Maintenance, Diagnose, eine Auswertung über Schnittstellen usw. eine Rolle.

D. Schömel (Wachendorff): Aktuelle Marktzahlen zeigen, dass auch der inkrementale Drehgeber weiterhin ein wichtiges Instrument ist, da er für schnelle Prozesse hervorragend geeignet ist und schnell angeschlossen werden kann.

Wie beurteilen Sie das Verhältnis magnetisch zu optisch?

Pohany: Gerade im Anbaubereich gibt es Applikationen, bei denen ich mittelfristig einen Magnetgeber noch nicht sehe. Für den Bereich der mobilen Automation ist der Magnetgeber aber mehr als gut, fast schon zu präzise.

Leeser: Im Anbaudrehgeberbereich gibt es praktisch keine Anwendung mehr, bei der die Genauigkeit und Dynamik von magnetischen Gebern nicht ausreicht. Zudem wird die magnetische Technologie immer schneller und kleiner. So findet heute z.B. eine AD-Wandlung bereits in einem Mikroprozessor statt. Die Produkte, die wir heute auf den Markt bringen, waren vor zwei Jahren noch nicht denkbar, und diejenigen, die in zwei Jahren erscheinen, sind heute noch nicht vorstellbar.

T. Brandenburger (Hübner): Die magnetische Technologie entwickelt sich wesentlich schneller, als die optische, die allerdings auch bereits deutlich ausgereifter ist. Derzeit bewegen wir uns aber mehr im Bereich lagerlose Systeme, d.h. wir können nun Drehgeber dort anbauen, wo vorher noch keine Lösung denkbar war, weil der Bauraum zu eng oder kein freies Wellenende vorhanden war.

Bäuerle: Letztendlich bestimmt der Kunde die Richtung, ob eine magnetische oder optische Lösung eingesetzt wird.

Hettich: Magnetische Geber sind üblicherweise günstiger. Wenn wir aber höhere Genauigkeiten wollen, braucht man einen Prozessor im Gerät, und dann stellt sich die Frage, ob es dann so günstig bleibt. Wir bieten ein Baukastensystem für alle Technologien an und können so kostengünstige Lösungen für alle Applikationen und Technologien anbieten.

Schömel: Als wir in den Absolutdrehgeberbereich eingestiegen sind, haben wir gleich mit der Magnettechnologie angefangen, haben aber dort immer wieder festgestellt, dass die Kunden zum Teil noch sehr unsicher waren und ein hoher Beratungsaufwand nötig war. Mittlerweile hat unsere EnDra-Technologie den Markt überzeugt.

Brandenburger: Ein weiterer Trend ist Downsizing bei Standardanwendungen oder im OEM-Geschäft. Auf der anderen Seite haben wir aber auch einen gegenläufigen Trend zu kundenspezifischen Lösungen, d.h. Anwendungen, bei denen wir individuell etwas konstruieren.

Pohany: Zudem bewegt sich die Branche vom klassischen geschlossenen Gehäusegeber hin zu einem Kit-Geber bzw. Einbaugeber. Je näher wir an Motor-Feedback-Systeme kommen, um so mehr ist eine Integrationsleistung in ein bestehendes Antriebssystem hinein notwendig.

Leeser: Je näher die Sensorik an die Lager bzw. Welle der Motoren wandert, desto weniger macht ein zweites Lager Sinn, da es einfach nur Zusatzkosten sind. In dem Moment, in dem der Geber nicht mehr ein in sich hermetisch abgeschlossenes System ist, macht die Magnetik viel mehr Sinn, da man sie in dem Produktionsumfeld einer Motorenfertigung ohne besondere Schutzmaßnahmen einsetzen kann. Beim Thema 'inkremental gegen absolut' sind wir einen anderen Weg gegangen. Unsere Inkrementalgeber haben einen Mikroprozessor, d.h. man kann die Strichzahl, HTL, TTL, Grenzwerte usw. einstellen, da der Geber intelligent ist.

Welche Schnittstellen gewinnen derzeit an Bedeutung?

Schömel: Der Trend geht klar in Richtung Industrial Ethernet, wobei es davon abhängt, von welchem Land wir reden. Im europäischen Umfeld ist Profinet vorne. Im asiatischen oder amerikanischen Bereich eher Ethernet/IP, Ethercat, Powerlink oder Modbus. Getrieben ist dies durch Industrie 4.0 und die Datenvolumina, die dafür notwendig sind.

Bäuerle: Auch IO-Link wird für die Prozessdatenerfassung in Richtung Industrie 4.0 zukünftig ein Thema für die Drehgeberwelt sein.

Leeser: Bei den Motor-Feedback-Gebern gab es lange Zeit die Situation, dass einige Geberhersteller mit proprietären Systemen gearbeitet haben. Ich gehe aber davon aus, dass die Motorhersteller sich das nicht mehr lange bieten lassen, d.h., dass offene Systeme immer größere Anteile erzielen und so auch die proprietären Anbieter unter Druck gesetzt werden, ihre Systeme - zumindest partiell - zu öffnen. Das Ein-Kabel-Thema ist ganz klar ein Thema für die Zukunft.

Hettich: Im Bereich Feldbus und Industrial Ethernet gibt es einen klaren Trend in Richtung funktionale Sicherheit. Aber auch Profibus und CanOpen sind immer noch weit verbreitet und keineswegs auf dem absteigenden Ast. Neben der Schnittstelle zur Steuerung geht es auch zunehmend um Schnittstellen in Richtung Industrie 4.0. So haben wir zuletzt einen Drehgeber mit OPC UA-Schnittstelle vorgestellt.

Pohany: Wenn ich keine Dynamik bzw. hohe Positioniergenauigkeit benötige und keine großen Datenraten habe, kann auch IO-Link für einfachste Applikationen verwendet werden. Ob sich das allerdings in der Drehgeberwelt mit den heutigen IO-Link Datenraten durchsetzen wird, wage ich zu bezweifeln.

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Die Teilnehmer der ersten TeDo-Drehgeber-Expertenrunde (v.l.n.r.); Vorne: Thomas Brandenburger (Hübner), Dieter Schömel (Wachendorff), Peter Elbel (Hengstler); Mitte: Arnold Hettich (Kübler), Christian Leeser (Posital), Andreas Bäuerle (TR electronic); hi

Wie geht es mit den BiSS-Einkabel-Thema weiter?

Pohany: Im Einbaubereich spielt BiSS derzeit noch eine große Rolle. Ob das in Zukunft so bleibt, wird sich bei der One Cable Technology entscheiden und was sich dort durchsetzt. Die anderen beiden Protokolle, die es heute bereits gibt, werden es meines Erachtens nach nicht sein.

Elbel: Hengstler hat die Acuro-Link-Schnittstelle entwickelt, damit sie als marktoffener Standard eingesetzt wird. Das Interesse an der neuen Technologie ist sehr stark, da sie neben der Offenheit auch technische Vorteile hat, die sie leistungsfähiger macht, als bisherige Lösungen.

Hettich: Mit der BiSS-Schnittselle kann man die Antriebstechnik und -anwendungen bedienen. Sie ist einfach zu implementieren und man kann bestehende Hardware verwenden, was viele Anwender überzeugt.

Elbel: BiSS wird teilweise SSI als Standardschnittstelle ersetzen, da es zusätzliche Sicherheit und Geschwindigkeit ermöglicht.

Schömel: Da sich eine neue Schnittstelle erst einmal finanziell amortisieren muss, hat sie es erst einmal schwer sich in neuen Märkten zu etablieren, z.B. im Aufzugbereich, wo bereits ein bestimmtes Preisgefüge herrscht. Die Diskussion über eine offene Schnittstelle war dort nicht so wichtig, weil die Kunden bereits eine bewährte Schnittstelle hatten, die sie seit Jahren kennen. Ein Umstieg kommt nur dann in Frage, wenn es einen erheblichen Preisvorteil gibt. Auf der Antriebsseite im Aufzugbereich haben die großen Frequenzumrichterhersteller aber mittlerweile nachgezogen.

Welche Erfahrungen haben Sie im

Bereich funktionale Sicherheit?

Leeser: Wir sind das Thema Functional Safety technologisch angegangen und haben eine Lösung gefunden: Wir nutzen Standardkomponenten, die divers redundant angeordnet sind. Wir haben ein Produkt auf den Markt gebracht, bei dem ein magnetischer und ein optischer Drehgeber in einem Gehäuse ist, das komplett aus Standardkomponenten besteht. Damit haben wir die gesamte Flexibilität offen gehalten, um sämtliche Weiterentwicklungen in das Produkt mit einfließen zu lassen.

Pohany: Wir müssen unterscheiden, in welchem Bereich ich unterwegs bin. Im Bereich Bahntechnik haben wir z.B. hohe SIL-Zertifizierungen, die vom Kunden gefordert sind. Den Geber liefern sie dann aber auch so, wie er ist die nächsten 20 Jahre an die Kunden. Die Kunst ist, dass wir ein Entwicklungsmodell fahren, in dem wir PLD-Compliant sind, d.h. nicht zertifiziert, aber nach einer gewissen Entwicklungsmethodik entwickelt. Für einen OEM, der selbst integriert, ist das meistens mehr wert, als ein Zertifikat. Im mobilen Automationsbereich nehmen viele Anwender die Maschine selber ab, in anderen Bereichen ist dagegen eine deutlich höhere Zertifizierung gefordert.

Hettich: Wenn der Geber von sich aus sicher sein soll und die ganze Intelligenz im Geber liegt, dann muss es diversitär aufgebaut sein. Ich bin überzeugt, dass der Safety-Bereich sich weiterentwickeln wird und in verschiedenen Applikationen zum Standard wird, d.h. 100 Prozent der Geber funktionale Sicherheit haben werden.

Bäuerle: Für uns ist funktionale Sicherheit eine Erfolgsgeschichte und wir sehen auch den Trend, dass immer mehr funktionale Sicherheit gefordert wird. Mit unterschiedlichen Schnittstellen, also nicht nur Profinet oder Profibus.

Brandenburger: Der Kunde entscheidet, was er braucht, denn er hat die Maschinenrichtlinien zu erfüllen. Es gibt aber verschiedene Wege dahin. Manchmal reicht es aus, ohne Zertifizierungen Lösungen anzubieten. Wir haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass der Kunde sich oft leichter tut, wenn er ein zertifiziertes Produkt hat. Gerade im Projektgeschäft, weil dann der Aufwand für ihn deutlich niedriger ist, seine gesamte Sicherheitsbetrachtung darzustellen.

Elbel: Auch in den Bereichen Schiffsantriebe, Aufzüge oder Bühnenbau wird schon lange Redundanz gefordert, d.h. diese Standards sind dort bereits etabliert. Wir sehen aber auch dort einen Trend in Richtung zertifizierte Produkte.

Leeser: Ich bin davon überzeugt, dass in Zukunft Signale immer sicherer werden, aber nicht mit dem Konzept, dass jeder Drehgeber ein Zertifikat braucht, sondern das ganze System muss sicher sein.

Wo sehen Sie im Safety-Bereich Probleme?

Pohany: Spannend wird das Ganze, wenn ich einen Mikroprozessor und Software habe. Dort, wo Mikroprozessoren eingesetzt werden, habe ich eine Nachweispflicht. Für uns wird es die Kunst sein, wie ich meinen Entwicklungsprozess aufstelle, aber trotzdem die Geschwindigkeit habe, halbwegs vernünftig durchzukommen und die Produkte zertifizierbar und weiter entwickelbar habe. Wir werden nicht einen Drehgeber zertifizieren, sondern ein Subsystem. Die Frage ist nur, an welcher Stelle der Lieferkette kommen wir rein? Wenn wir z.B. in Hafenkräne oder Stahlwerke liefern, haben sie ganz hinten den Antriebstechnikhersteller. Dieser liefert an einen Automatisierungstechnikhersteller, der an einen OEM und der an einen Endkunden, der einen Consultant hat, der ihnen dann sagt, der Geber muss SIL3 sein. Dann können sie noch so viel beweisen: Wenn die Person am Ende sagt, es muss SIL3 sein, dann ist es SIL3. Wir haben Kunden in gewissen Marktsegmenten, bei denen immer weniger Know-how vorhanden ist, und die sagen, ich will SIL2 oder SIL3. Aber wir haben auch Kunden, die quasi selber eine eigene Zertifizierungsabteilung haben und sagen, ich will von dir diese Funktion haben und zertifizieren dann ihr Gesamtsystem selbst.

Leeser: Ich kann nicht mit einem Projekt für eine Sicherheitstechnik die ganze Entwicklung finanzieren. Daher muss man einen Baukasten haben, mit dem man zertifizierungsgerechte Module herstellt. Das führt dazu, dass wir 500.000 Varianten von Drehgebern anbieten können. Nur so kann man den Ansprüchen bezüglich Zertifizierung gerecht werden.

Pohany: Wir müssen auf Plattformentechnologien gehen, damit wir einzelne Komponenten nehmen können und daraus individuelle Kundenlösungen zusammenbauen. Anders werden wir in Zukunft auch die Geschwindigkeit, die am Markt gefordert wird, nicht einhalten können.

Brandenburger: Wo ich noch keine Lösung sehe, ist das Thema Zertifizierung. Wir haben den Eindruck, dass die länderspezifischen Zertifizierungen permanent zunehmen. Das treibt die Kosten in die Höhe. Erfreulich ist daher die Initiative, dass funktional sichere Drehgeber genormt werden sollen, was in der Konsequenz bedeutet, dass wir zumindest nicht mehr auf eine externe Zertifizierungsstelle angewiesen sind.

Hettich: Natürlich muss sich Entwicklung und Aufwand rechnen. Der Kunde wird aber langfristig nicht bereit sein, für einen sicheren Drehgeber mehr zu bezahlen, als er heute für einen nicht-sicheren Drehgeber bezahlt. Dies ist der Grund warum wir bisher kein IO-Link in einen Drehgeber implementiert haben, weil aus unserer Sicht IO-Link bezüglich der Datenaktualität nicht performant genug ist.

Teil 2 der Drehgeber-Expertenrunde erscheint im SPS-MAGAZIN 8 und beschäftigt sich mit den Themen Industrie 4.0 und Miniaturisierung. (peb)

TeDo Verlag GmbH

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 7 2017 - 10.07.17.
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