IT-Systeme versorgen Passagiere
Technik darf nicht seekrank werden
Auf dem Meer südlich von China entspannen sich die Passagiere an Bord eines Kreuzfahrtriesen in der Sonne. Viele halten das obligatorische Smartphone in der Hand. Andere wiederum vergnügen sich in den zahlreichen Kasinos, sind beim Shopping oder nutzen das Onboard-Entertainment. Leistungsfähige IT-Systeme sorgen für den größtmöglichen Komfort der mehr als 4.000 Passagiere und zirka 2.000 Crew-Mitglieder auf hoher See. Wie aber ist es der Meyer Werft überhaupt gelungen, eine schwimmende Kleinstadt unterbrechungsfrei mit IT, Telekommunikation und High-Tech-Unterhaltung zu versorgen?
Die Kreuzfahrtindustrie liegt gut im Wind: Fast ein Dutzend neue Megaschiffe sollen im Jahr 2017 aus den Werften laufen. So zählt die Kreuzfahrtbranche dann auch zu den Tourismussparten, die sich mit am schnellsten entwickeln. Laut dem internationalen Branchenverband CLIA (Cruise Lines International Association) haben 2016 weltweit 24,7 Millionen Passagiere eine Kreuzfahrt unternommen - ein Plus von gut zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die deutsche Kreuzfahrtbranche geht von einem Rekordjahr aus: Ein Plus von 11,3 Prozent im Jahr 2016 soll den Reedereien erstmals über zwei Millionen Gäste bescheren.
Der schwimmende Freizeitpark
Was aber treibt die Touristen aufs weite Meer hinaus? Moderne Kreuzfahrtschiffe bieten Platz für mehrere Tausend Passagiere und bilden einen eigenen Mikrokosmos. Für viele ist das Schiff selbst das eigentliche Ziel des Urlaubs, weniger die Häfen und Städte, die im Rahmen der Kreuzfahrt angelaufen werden. Ein solches schwimmendes Ökosystem muss daher über vielfältige Freizeitangebote verfügen und höchsten Komfort bieten. So erwarten die Passagiere moderne Entertainment-Angebote von Spielkasinos über Video-on-Demand in der Kabine bis zum Internet-Zugang sowie bargeldloses Zahlen. Leistungsfähige Rechenzentren an Bord liefern für diese und viele weitere Services die notwendige Unterstützung.
Leistungsstarke IT an Bord
Von der Brücke über das Bordrestaurant bis in den Maschinenraum: Ohne innovative IT-Systeme in allen Bereichen an Bord legt heute kein Kreuzfahrtschiff mehr ab. Für die Werft ist der Einbau eines Rechenzentrums zwar nur eine der zahlreichen Herausforderungen beim Schiffbau, aber auch hier ist jede Menge Fachwissen notwendig. So ist der Platz an Bord eines Passagierschiffes für Technikräume oder Rechenzentren prinzipiell sehr begrenzt, denn oberstes Ziel der Reederei ist es, so viele Kabinen wie möglich an Urlauber zu vermieten. Dazu kommt die eingeschränkte Möglichkeit für Wartung und Reparatur der IT-Infrastruktur während einer Reise. Fallen unterwegs IT-Komponenten aus, müssen Teile einfach austauschbar sein. Außerdem sollte der IT-Systemlieferant in den Zielländern des Schiffes technischen Service anbieten. Schließlich müssen weitere Besonderheiten berücksichtigt werden: Die großen Dieselmotoren sorgen für permanente Vibrationen, sodass spezielle Gummilager die IT-Racks schützen müssen. Auch die Schiffsbewegungen auf dem offenen Meer müssen entsprechend ausgeglichen werden. Zudem können Temperatur und Luftfeuchte je nach Fahrgebiet stark schwanken. Bei einer bis zu 2.000 Personen starken Besatzung sind detaillierte Zugangskontrollsysteme für die IT-Umgebung notwendig. Die begleitende Infrastruktur wie Stromversorgung und Kühlung muss mit ausreichender Redundanz ausgelegt sein, um bei Störungen unterbrechungsfreien Service zu bieten.
Made in Germany
Geht es um den Bau anspruchsvoller Schiffe, ist die deutsche Meyer Werft aus Papenburg weltweit eine führende Adresse. Hier werden seit über 25 Jahren modernste Kreuzfahrtschiffe gebaut, auch leistungsfähige Tanker und Frachter laufen hier vom Stapel. Gegründet im Jahr 1795, arbeiten heute rund 3.300 Mitarbeiter in Papenburg. Kürzlich fertiggestellt: die "Norwegian Joy". Sie gilt als das viertgrößte Passagierschiff der Welt und ist zugleich das größte Schiff, das jemals auf der Meyer Werft gebaut wurde. Ausgestattet mit allem nur erdenklichen Komfort, findet sich hier erstmals auf einem Kreuzfahrtschiff sogar eine Go-Kart-Rennstrecke.
Auf den Weltmeeren zu Hause
Die Planung für ein solches Projekt beginnt schon viele Jahre im Voraus. Für die Experten von Rittal, die für das Schiff die Rechenzentren konzipierten, startete die Vorbereitung bereits im Jahr 2013 mit einem ersten Angebot. "Seit Jahren arbeiten wir erfolgreich mit Rittal zusammen. In dieser Zeit haben wir gemeinsam immer wieder clevere Lösungen entwickelt, um empfindliche IT-Komponenten ausfallsicher und platzsparend auf Schiffen zu installieren", sagt Frank Langen, Technical Design Department, bei der Meyer Werft. Der platzoptimierte Einbau ist demnach eine der zentralen Anforderungen. Ebenso wie ein autarker Betrieb der Rechenzentren sowie die Beherrschbarkeit der Anlagen durch an Bord reisende Techniker. Die Langlebigkeit des Schiffes, das bis zu 25 Jahre auf See bleiben soll, verlangt nach qualitativ hochwertigen IT-Komponenten. Weitere Punkte sind eine hohe Flexibilität, Skalierbarkeit und Austauschbarkeit von IT-Modulen, denn oftmals werden Schiffstypen je nach Zielgebiet umgerüstet. Die Norwegian Joy ist beispielsweise für den asiatischen Markt entwickelt und hat in der Werft dafür einen sogenannten "Asia Change" erhalten. So erwarten die Kunden in dieser Region größere Kabinen, da viele Passagiere mit der gesamten Familie an Bord gehen. Auch müssen Kasinos größer geplant werden, entsprechend den Wünschen der Zielgruppe. Dies bedeutet auch höhere Anforderungen an die IT-Systeme, die dort unter anderem für Sicherheit, Monitoring, Abrechnung und Spielbetrieb benötigt werden.
Parallelen zur Enterprise-IT
Ähnlich wie in Unternehmen, spielen die Standardisierung und Ausfallsicherheit eine große Rolle. Gibt die Reederei ein Kreuzfahrtschiff in Auftrag, so umfasst dies meist die Option für mehrere ähnliche aufgebaute Schiffstypen. Von der Breakaway-Plus-Klasse, zu der die Norwegian Joy zählt, sind auf der Meyer Werft bis zu sechs Schiffe vorgesehen - drei davon sind bereits in Dienst gestellt. Die Außenhüllen sind zu rund 95 Prozent identisch, und das gesamte Schiff ist in Modulbauweise gebaut. Bei der Auslegung der IT-Infrastruktur ist daher ebenfalls ein hoher Grad an Standardisierung notwendig, um die Serverracks, Kühlung und Stromversorgung schnell und einfach einbauen zu können.
IT ist über das Schiff verteilt
Ausfallsicherheit und Redundanz werden wie in der Firmen-IT umgesetzt: Die Norwegian Joy verfügt über zwei räumlich getrennte Rechenzentren in zwei unterschiedlichen Feuerzonen. Im Schiff sind mehr als 25 Technikräume vorhanden, in denen jeweils drei IT-Racks und zwei Luft-Wasser-Wärmetauscher (LWWT) für die IT-Kühlung stehen. Diese Kühlgeräte sind eigentlich für Industrieumgebungen konzipiert, haben sich aber aufgrund des geringen Platzbedarfs und der Luftführung als ideale Lösung zur Kühlung der Verteilerräume herausgestellt.
Bordeigene Kühlsysteme angezapft
In den Rechenzentren wird mit herkömmlichen Kühlkonzepten gearbeitet; in den IT-Räumen stehen bis zu zehn TS-IT-Racks von Rittal. Die Racks sind geschlossen und werden über Kühlsysteme der LCP-Serie (Liquid Cooling Package) mit bis zu 30 kW Leistung klimatisiert. Die Kühlgeräte sind direkt an den Seitenwänden der Racks angebracht. So kann die warme Luft der Server direkt gekühlt werden, und die gesamte Anlage arbeitet extrem effizient. Die Kühlung der warmen Abluft erfolgt über kaltes Wasser, das über die redundant ausgelegten Wasserkreisläufe des Schiffes zur Verfügung steht. Die schiffseigenen Chiller stellen hierfür ausreichend kühles Wasser bereit. Gleiches gilt für die Stromversorgung: Fünf große Dieselmaschinen mit fünf Generatoren sorgen für unterbrechungsfreien Strom auf dem gesamten Schiff.
Welche Software braucht ein Schiff eigentlich?
Die auf dem Schiff benötigte IT-Leistung umfasst ganz unterschiedliche Dienste, von administrativer Software bis zu Telefonnetzen. Klassisch wird im Rechenzentrum die Kommunikation abgewickelt, wie die DECT-Telefon-Systeme für die Crew sowie das Telefonie- und WLAN-Netz. Zugleich laufen dort auch das Entertainment- und Kasinosystem, Software für Warenwirtschaft, Hotelbetrieb und Bewirtung sowie Kassensysteme. Komplett getrennt von dieser IT sind alle nautischen Schiffsanlagen auf der Brücke und sicherheitsrelevante Schiffssysteme. Bei der Planung wurde darauf geachtet, ausreichend Reserven im Rechenzentrum für künftige Anwendungen zu haben, falls das Schiff in einem anderen Zielgebiet mit unterschiedlichen Kundengruppen zum Einsatz kommt. "Kontinuierlich kommen neue IT-Technologien auf den Markt, die auch auf den Schiffen installiert werden müssen. So verändern sich fast jährlich die Multimedia-Anwendungen an Bord, die WLAN-Nutzung steigt und bargeldloses Zahlen ist erwünscht. Daher benötigen wir eine hohe Flexibilität im Rechenzentrum, um auch künftige Trends zu unterstützen. Rittal hat uns dafür eine zukunftssichere Infrastruktur für das Rechenzentrum geliefert", sagt Frank Langen, Technical Design Department bei der Meyer Werft. Wer sich als Zulieferer im Schiffbau behaupten möchte, muss zudem besondere Leistungen bei Wartung und Reparatur anbieten. So gibt Rittal auf die Komponenten für das Schiffsrechenzentrum eine weltweite Garantie von einem Jahr. Hinzu kommt eine globale Unterstützung im Servicefall, um beispielsweise Ersatzteile weltweit liefern zu können. Komfort ist nicht nur für die Passagiere gefordert. Auch die Techniker, die sich um die IT kümmern, brauchen Konzepte, die den schnellen Einbau und die effiziente Wartung der Rechenzentren ermöglichen. Dies gilt auf hoher See genauso wie im Rechenzentrum an Land.
Auf dem Meer südlich von China entspannen sich die Passagiere an Bord eines Kreuzfahrtriesen in der Sonne. Viele halten das obligatorische Smartphone in der Hand. Andere wiederum vergnügen sich in den zahlreichen Kasinos, sind beim Shopping oder nutzen das Onboard-Entertainment. Leistungsfähige IT-Systeme sorgen für den größtmöglichen Komfort der mehr als 4.000 Passagiere und zirka 2.000 Crew-Mitglieder auf hoher See. Wie aber ist es der Meyer Werft überhaupt gelungen, eine schwimmende Kleinstadt unterbrechungsfrei mit IT, Telekommunikation und High-Tech-Unterhaltung zu versorgen?
Die Kreuzfahrtindustrie liegt gut im Wind: Fast ein Dutzend neue Megaschiffe sollen im Jahr 2017 aus den Werften laufen. So zählt die Kreuzfahrtbranche dann auch zu den Tourismussparten, die sich mit am schnellsten entwickeln. Laut dem internationalen Branchenverband CLIA (Cruise Lines International Association) haben 2016 weltweit 24,7 Millionen Passagiere eine Kreuzfahrt unternommen - ein Plus von gut zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die deutsche Kreuzfahrtbranche geht von einem Rekordjahr aus: Ein Plus von 11,3 Prozent im Jahr 2016 soll den Reedereien erstmals über zwei Millionen Gäste bescheren.
Rittal GmbH & Co. KG
Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU 4 2017 - 12.06.17.Für weitere Artikel besuchen Sie www.schaltschrankbau-magazin.de