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Von der speziellen zur systemintegrierten Motion-Control-Lösung

Funktionserweiterungen und Technologie-CPU

Auch die Automatisierungstechnik kann sich dem Trend vom Wandel von Hardware- zu Software-Lösungen nicht entziehen. Der Anwender erwartet, mit einer Steuerung ein möglichst großes Spektrum seiner Anforderungen abzudecken. Hardware-Lösungen schränken dabei im Gegensatz zu Software-Lösungen die Flexibilität ein, denn ein Anlagenbetreiber muss eine Vielfalt von Ersatzkomponenten vorrätig halten, um die Verfügbarkeit der Anlage sicherzustellen.

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG
Motion Control ist heute vollständig im Engineering (TIA Portal) und der Firmware der S7-1500 integriert. Neben komfortablen Inbetriebnahme- und Diagnosefunktionen stehen im Anwenderprogramm alle technologischen Informationen symbolisch zur Verfügung

Der Charme von Hardware-Lösungen in der Automatisierungstechnik zeigt sich besonders bei rechenintensiven Prozessen wie Motion Control. So haben die Technologie-CPUs der Steuerungsfamilie Simatic S7-300 neben der Standard-CPU für die SPS-Funktionen einen eigenen Prozessor für die Motion-Control-Funktionen, den sogenannten Technologieteil. Technologie und SPS laufen autark, wodurch eine erhöhte Rechenleistung in der Technologie kaum Auswirkung auf die SPS hat. Das Konzept ist für den Anwender transparent und erleichtert ihm die Wahl einer für seine Aufgaben geeigneten Steuerung. Ähnlich verhält es sich bei der Nutzung separater Funktionsmodule, wie den Simatic-Positioniermodulen FM351 oder FM353. Hier arbeiten SPS und Modul ebenfalls weitgehend unabhängig voneinander. Aufgrund der steigenden Anforderungen im Maschinenbau werden die Grenzen der Hardware-Lösungen aber immer deutlicher sichtbar. Funktionsmodule haben beispielsweise eine feste Anzahl von Anschlüssen. Die Interfaces zu Gebern oder Antrieben sind nur in engen Grenzen variierbar. Intern berechnete Informationen, wie Position und Geschwindigkeit, lassen sich nicht in Echtzeit an anderer Stelle nutzen. Motion-Control-Anwendungen erfordern außerdem immer schnellere Reaktionszeiten und stetig wachsende Anforderungen an die Flexibilität bei gleichzeitiger Verbesserung der Usability. Jeder SPS-Programmierer sollte in der Lage sein, einfache Motion-Control-Funktionen wie Positionieren auch ohne großes Know-how zu implementieren. Daraus ergeben sich wiederum hohe Anforderungen an das Engineering und die Diagnose. Nur eine vollständig integrierte und durchgängige Lösung erfüllt diese Anforderungen. Motion Control mit speziellen Baugruppen dagegen erfordert ein spezifisches Baugruppen-Know-how und führt zu unterschiedlichen Programmier- und Diagnosekonzepten.

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG
Die Integration der Motion-Control-Funktionen in die SPS ermöglicht eine flexible Nutzung der Peripheriekomponenten.

Schwächen von Hardware-Lösungen

Im Hinblick auf diese Anforderungen zeigen Hardware-Lösungen Schwächen gegenüber vollständig in die Steuerung integrierten Motion-Control-Funktionen. Die Reaktionszeiten werden bei Hardware-Lösungen durch die Kommunikation zwischen Steuerung und Motion-Control-Hardware beschränkt. Statusinformationen müssen vom Technologieteil zur SPS übertragen werden. Dort findet die Auswertung statt. Das Ergebnis muss anschließend wieder als neue Vorgaben in den Technologieteil übertragen werden. Die Kommunikation bildet das Nadelöhr und erfordert immer einen Kompromiss zwischen der Anzahl ausgetauschter Informationen und Schnelligkeit der Übertragung. Letzteres dauert aber immer mindestens einen SPS-Zyklus.

Schnelle Zykluszeiten durch performante Steuerungen

Schnellere Zykluszeiten sind nur durch die Verschmelzung von SPS und Motion Control zu erreichen. Moderne, performante Steuerungen, wie die Simatic S7-1500, sind in der Lage, beides auf dem gleichen Prozessor zu verarbeiten. Der Anwender kann zyklusgenau auf alle Prozessgrößen von SPS und Motion Control zugreifen und ist bei Bedarf dadurch in der Lage, sofort neue Bewegungsaufträge abzusetzen. Dadurch erreicht die Maschine die geforderten geringen Reaktionszeiten. Das Beispiel zeigt außerdem, dass die Architektur einer Motion-Control-Lösung unmittelbare Auswirkungen auf die Programmierung hat. Wenn Motion Control in die SPS integriert ist, hat der Anwender die Möglichkeit, komfortabel und symbolisch auf dessen Funktionen und Parameter zugreifen. Das gilt in gleichem Maße für das Anwenderprogramm als auch für Diagnosefunktionen, wie Trace-Funktionen. Gerade bei der Fehleranalyse ist es hilfreich, wenn sich Variablen des Steuerungsprogramms zusammen mit denen von Motion Control aufzeichnen und darstellen lassen. Diese Möglichkeiten bestehen bei den Hardware-Lösungen nicht. Bei den S7-300-T-CPUs waren deshalb eine Reihe von Hilfsfunktionen erforderlich, um beispielsweise den Zugriff auf Parameter des Technologieteils aus dem SPS-Programm zu ermöglichen. Viele dieser Hilfsfunktionen werden durch die Integration von Motion Control in die S7-1500 überflüssig. Der Schritt zu steuerungsintegrierten Motion-Control-Funktionen hat daher zur Konsequenz, dass Programme nur eingeschränkt von einer S7-300-T-CPU auf eine S7-1500-CPU übertragbar sind. Die direkte Übernahme eines Programms von der S7-300-T-CPU oder FM-Baugruppe steht für viele Kunden auch nicht im Fokus. Schließlich möchten sie ja gerade die neuen Funktionen der S7-1500 nutzen und beispielsweise die Motion-Control-Parameter symbolisch im Programm ansprechen.

Bild: Siemens AGBild: Siemens AG
Die S7-1500 bietet Motion Control auf allen CPUs. Für erweiterte Funktionen stehen S7-1500 Technologie-CPUs zur Verfügung, die es in drei Ausführungen gibt, jeweils auch als Failsafe-Variante

Vorteile von integrierten Motion-Control-Lösungen

Die Motion-Control-Integration in die SPS ermöglicht es erstmalig, direkt in die Schnittstellen zwischen den Achs-Objekten auf der Steuerung und den Peripheriekomponenten, wie Antrieben oder Gebererfassungen einzugreifen. Dazu sind die Steuerungen mit speziellen Ablaufebenen für Anwenderprogramme ausgestattet, die sich synchron zu den Motion-Control-Funktionen aufrufen lassen. Diese Offenheit erlaubt die Einbindung von speziellen Peripheriekomponenten neben einer Vielzahl vom System bereits unterstützter Antriebe und Geber. Im Gegensatz zu den Hardware-Lösungen bietet die integrierte Motion-Control-Lösung durch die große Anzahl verfügbarer S7-1500 CPUs ein hohes Skalierungspotenzial. Außerdem sind die meisten CPUs auch als Failsafe-Variante verfügbar. Werden nur wenige Achsen mit geringer Dynamik oder erforderlicher Reaktionszeit angesteuert, so eignet sich hier eine einfache SPS, wie die CPU 1511. Für größere Anlagen oder hohe Dynamikanforderungen stehen leistungsfähige CPUs wie die 1517 oder 1518 zur Verfügung. Die Ausführung und Anzahl der anschließbaren Antriebe und Lageerfassungen wird nicht durch Hardware-Schnittstellen begrenzt. Das modulare Konzept von CPUs und Peripheriegeräten lässt sich flexibel an die jeweilige Aufgabenstellung anpassen. Da alle Statusinformation intern in der Steuerung vorliegen, können sie auch zwischen technologischen Funktionen ausgetauscht werden. Eine Achse lässt sich im Gleichlauf mit einer anderen Achse betreiben, ein Digitalausgang mit höchster Präzision in Abhängigkeit einer Achsposition schalten. Alle S7-1500-CPUs besitzen den gleichen Umfang an grundlegenden Motion-Control-Funktionen. Anwendungsprogramme lassen sich daher flexibel zwischen Steuerungen unterschiedlicher Leistung oder Bauform übertragen. Für besonders kompakte und kostengünstige Motion-Control-Anwendungen stehen Kompakt-CPUs mit integrierter Peripherie zur Verfügung. Diese bieten u.a. Analogausgänge zum Anschluss analoger Antriebe, PTO-Ausgänge zum Anschluss von Schrittmotor-Antrieben und High Speed Counter zum Anschluss von inkrementellen Lagegebern. Außerdem gibt es CPUs für den dezentralen Aufbau sowie Software Controller in Kombination mit performanten Industrie-PCs. Mit der CPU 1518 ODK lassen sich darüber hinaus erstmals auch im Umfeld einer Standard-CPU C-Programme einbinden.

Erweiterte Motion-Control-Funktionen

Abgerundet wird das Spektrum durch die Klasse der S7-1500-Technologie-CPUs mit erweiterten Motion-Control-Funktionen. Dazu zählen derzeit insbesondere Funktionen zur Koordination mehrerer Achsen miteinander, wie Kurven- und Getriebegleichlauf. Hierbei stehen anspruchsvolle Varianten zur Verfügung, mit denen sich eine Folgeachse auf eine Leitachse oder einen Leitwertgeber positionsgenau aufsynchronisieren lässt. Diese Vorgänge werden beispielsweise zur Realisierung von fliegenden Scheren oder für Verpackungsmaschinen benötigt. Derartige Applikationen waren bislang im Simatic-Umfeld den CPUs der S7-300-Serie vorbehalten und lassen sich nun mit der S7-1500 T-CPUs und dem Engineering-System TIA Portal umsetzen. Die für den Kurvengleichlauf benötigten Kurvenscheiben können zur Laufzeit oder im TIA Portal komfortabel erstellt werden. Der integrierte Kurvenscheiben-Editor visualisiert auch die Ableitungen der Kurve. Er hilft somit bei der Erzeugung von Kurven, mit denen sich mechanische und dynamische Beanspruchungen der Maschine begrenzen lassen.

Fazit

Motion-Control-Anwendungen, die früher nur mithilfe spezieller Hardware-Baugruppen realisierbar waren, lassen sich heute komfortabel mit jeder S7-1500-Steuerung umsetzen. Dieser Strategiewandel ermöglicht völlig neue Lösungsansätze und spiegelt sich bis auf die Programmierebene wider. Das neue Konzept zeichnet sich durch eine hohe Flexibilität in puncto Performance, Bauform, Programmierung und Nutzung von Antriebs- und Geberkomponenten aus.

Siemens AG

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 7 2017 - 10.07.17.
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