Vorhandene Sicherheitshardware, -kommunikationsstandards und -konzepte nutzen
Zwei Welten wachsen zusammen
Welche Auswirkungen bringt die Fertigung nach den Grundsätzen von Industrie 4.0 für die funktionale Sicherheit mit sich? Mensch und Roboter werden häufiger ohne trennenden Schutzzaun zusammenarbeiten und die sicherheitsgerichteten Signale werden auch auf höheren Steuerungsebenen verarbeitet. Die Voraussetzungen dafür sind bereits geschaffen.
Wenn die Experten recht haben, werden künftig cyber-physikalische Systeme (CPS) selbsttätig ihren Weg durch die Produktion finden und individuelle Produkte werden in 'Stückzahl 1' hoch automatisiert und so effizient gefertigt wie Massenware. Das ist, in aller Kürze, ein Kernelement von Industrie 4.0. Viele Unternehmen haben entsprechende Projekte aufgesetzt und / oder bereits realisiert. Neue Geschäftsmodelle (Stichwort Plattformökonomie) sind entstanden und die Mehrheit der Akteure in Industrie und Wissenschaft hält Industrie 4.0 für den geeigneten Weg, um die Zukunftsfähigkeit des deutschen Maschinenbaus und der produzierenden Industrie zu gewährleisten. Welche Auswirkungen wird die Fertigung nach den Grundsätzen von Industrie 4.0 auf die funktionale Sicherheit - das heißt: auf die Maschinensicherheit und die sicherheitsgerichtete Steuerungstechnik - haben? Die Antwort ist komplex, hier sollen nur zwei wesentliche Aspekte dargestellt werden.
Kollaborative Robotik
Viele Roboterhersteller haben Lösungen vorgestellt, bei denen (kleinere) Roboter dem menschlichen Personal quasi zur Hand gehen und eine Zusammenarbeit ohne trennenden Schutzzaun ermöglichen. Damit wird zum einen der demographische Wandel adressiert: Ältere Mitarbeiter sollen von körperlich anstrengenden Wiederholtätigkeiten entlastet werden. Zum anderen wird dem Wunsch nach stärker individualisierten Produkten Rechnung getragen, den eine Vollautomation (die auch unflexibler ist) nicht erfüllen kann.
Sicherheit auch ohne Schutzzaun
So oder so: Eine zentrale sicherheitstechnische Voraussetzungen für die Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) hat die Schmersal Gruppe schon vor mehr als zehn Jahren geschaffen - mit dem Safety Controller. Diese Sicherheitssteuerung gibt dem Roboter eine definierbare dreidimensionale Arbeitszone vor und registriert sofort, wenn dieser Bereich verlassen wird. In diesem Fall wird ein Stillsetzen des Roboters veranlasst. Zugleich überwacht der Safety Controller zu jedem Zeitpunkt die Geschwindigkeit in Richtung der Begrenzung. Das heißt: Die Geschwindigkeit darf immer nur so groß sein, dass der Roboter jederzeit abbremsen kann, ohne den erlaubten Bewegungsraum zu verlassen. So werden Funktionen wie 'Sicherer Achsbereich', und 'Sichere Geschwindigkeit' realisiert. Diese Sicherheitslösung kommt bereits in über 30.000 Robotern - insbesondere in der Automobilindustrie - zum Einsatz. Sie gibt dem Roboter einen virtuellen Arbeitsbereich vor und ermöglicht damit eine Kollaboration von Mensch und Robotern ohne trennenden Schutzzaun.
Forschungsprojekt: Sensorik erkennt menschliche Haut
Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme bei der direkten Zusammenarbeit von Mensch und Robotern wird künftig neben taktilen Systemen eine mehrstufige Sensorik zum Einsatz kommen, die - u.a. mithilfe optischer Sensoren und spezieller Bildverarbeitungsalgorithmen - Silhouetten von Mensch und menschliche Haut erkennt. An einem solchen Sensorsystem arbeitet die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in ihrem Forschungsvorhaben 'beyondSPAI'. Die Schmersal Gruppe unterstützt dieses Projekt als Industriepartner.
Abschied von Stand-alone-Lösungen
Eine weitere Auswirkung von Industrie 4.0-Konzepten auf die Maschinensicherheit ist die zunehmende Vernetzung und die Abkehr von Stand-alone-Lösungen auf der Ebene der (sicherheitsgerichteten) Steuerungstechnik. Auch dieser Trend ist keinesfalls neu, er wird durch Industrie 4.0 aber nochmals verstärkt. Ein Grund dafür ist der Wunsch, alle maschinenrelevanten Informationen an einem Ort zugänglich zu machen bzw. sie auf höheren Ebenen der Unternehmens-IT zu nutzen, ein anderer ist die Möglichkeit, die zunehmend in die Software verlagerten Sicherheitsfunktionen an veränderte Anforderungen anzupassen. Eine solche Flexibilität gehört zu den Grundmerkmalen von Industrie 4.0.
Bus-Systeme vereinfachen die Installation
Dem Konstrukteur einer sicheren Maschine und Anlage stehen heute Wege offen, um Sicherheits-Schaltgeräte zu vernetzen und Alternativen zur konventionellen Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung zwischen Sicherheitsschaltgerät und Sicherheitsrelaisbaustein oder Sicherheitssteuerung zu schaffen. Eine Möglichkeit der vereinfachten Anschaltung wird durch sicherheitsgerichtete Bussysteme abgebildet. Zentrale Baureihen der Sicherheitsschaltgeräte sind mit integrierten ASi-SaW-Schnittstellen verfügbar - ein internationaler Standard, der für derartige Anwendungen entwickelt wurde und eine besonders einfache Installation auch deshalb erlaubt, weil über die ASi-Leitung sowohl die Energiezufuhr als auch die betriebsmäßige, d.h. die nicht sicherheitsgerichtete Kommunikation erfolgt. Ein weiterer Vorteil dieser Systeme sind die zusätzlichen Diagnose- und Monitoring-Informationen, die generiert und dem Anwender an der betriebsmäßigen Steuerung vorbei, in der IT oder Cloud Umgebung bereitgestellt werden. Das erhöht die Transparenz. Zudem können die Sicherheitsfunktionen besser und flexibler an den Anwendungsfall angepasst werden - z.B. durch die individuelle Konfiguration und Parametrierung der Sicherheitsschaltgeräte mit Sicherheitsverknüpfungen, Stopp-Kategorien und Filterzeiten.
Safety integrated oder Safety separated?
Unabhängig von der Art der Signalübertragung - d.h. mit und ohne sicheres Feldbussystem - lassen sich durchgängige Konzepte verwirklichen, die nach den Prinzipien 'Safety separated'und 'Safety integrated' aufgebaut sind. Beim 'Safety integrated'-Konzept sind die sicherheitsgerichteten Steuerungsfunktionen in einem Safety Bereich der betriebsmäßigen fehlersicheren (F-CPU) Steuerung integriert. Bei 'Safety separated' wird die betriebsmäßige Steuerung unabhängig von den sicherheitsgerichteten Funktionen realisiert, und die Sicherheitssteuerung übermittelt Status- und Diagnoseinformationen an die 'normale' Steuerung. Das vereinfacht die Fehlersuche bei Unregelmäßigkeiten und beugt Stillstandszeiten vor. Dadurch kann die betriebsmäßige Steuerung viel einfacher an Kundenbedürfnisse angepasst werden, ohne dass die Safety-Funktionen sowie deren Dokumentation abgeändert werden müsste.
Einfache und schnelle Verdrahtung mit Installationssystemen
Das Thema 'Einfache Diagnose' wird auch von den Safety Installationssystemen adressiert, die Schmersal entwickelt hat. Sie erlauben den schnellen und einfachen Anschluss unterschiedlicher elektronischer Sicherheitsschaltgeräte wie Sensoren und Zuhaltungen gemischt in der jeweiligen Anwendung. Zudem ermöglichen sie - auf der nicht sicheren Ebene - die Einzeldiagnose der angeschlossenen Sicherheitsschaltgeräte. Das bedeutet: Für den Bediener ist genau erkennbar, welcher Schalter in der Reihe ein Signal ausgelöst hat. Auch das trägt zu einer schnelleren Störungsbeseitigung und somit zu einer Erhöhung der Maschinenverfügbarkeit bei. Es stehen Varianten mit einem passiven Verteilermodul (PDM) oder einer passiven Feldbox (PFB) zu Verfügung. Sie ermöglichen die gemischte Reihenschaltung mit bis zu vier unterschiedlichen elektronischen Sicherheitsschaltgeräten je Modul. Mehrere Module können zu größeren Systemen verschaltet werden. Eine dritte und aktive Variante gibt es für elektromechanische Sicherheitsschalter mit Kontaktausgängen und für Sicherheitssensoren mit elektronischen OSSD-Ausgängen. Hier übernimmt ein Sicherheitseingangserweiterung der SRB-E-Baureihe die aktive elektronische Signalauswertung.
Vorausschauende Wartung - Kernelement von Industrie 4.0
Ein Beispiel für die Vorteile der passiven Installationssysteme, die nicht sichere Daten über das 'Serielle Diagnose'(SD)-Interface übertragen. Sicherheitssensoren und -zuhaltungen in der Reihenschaltung, die mit diesem SD-Interface ausgestattet sind, können umfangreiche Diagnosedaten über das SD-Gateway und einen Feldbus an eine Steuerung übertragen und visualisieren. Bei der berührungslos wirkenden magnetischen Sicherheitszuhaltung MZM100-SD können das beispielsweise Diagnosedaten oder Fehlermeldungen sein, wie etwa 'Fehler oder Querschluss an einem Sicherheitsausgang', 'zu niedrige Betriebsspannung" oder "defekter Betätiger'. Dies ermöglicht eine rasche Fehlerbeseitigung. Erweiterte Diagnosefunktionen ermöglichen künftig auch die vorausschauende Wartung - das ist ein weiteres wichtiges Element von Industrie 4.0.
Gut vorbereitet auf die Anforderungen der (nahen) Zukunft
Der Überblick zeigt: Maschinen- und Elektrokonstrukteure, die funktionale Sicherheit nach den Konzepten von Industrie 4.0 gestalten möchten, müssen nicht bei null anfangen. Ihnen stehen Sicherheitsschaltgeräte, Sicherheitskonzepte und auch Kommunikationsstandards zur Verfügung, mit denen sich Kernelemente von Industrie 4.0 erfüllen lassen: Transparenz in der Informationskette, Vernetzung sowohl mit anderen Sicherheitsschaltgeräten als auch mit höheren, nicht sicherheitsgerichteten Ebenen und sichere Zusammenarbeit von Mensch und Roboter. Außerdem werden die Möglichkeiten für Diagnose und Störungsbeseitigung deutlich verbessert. Auf der SPS IPC Drives 2017 wird die Schmersal Gruppe beispielhafte Sicherheitssysteme und -lösungen vorstellen, die diese Anforderungen erfüllen. Auch das Tec.nicum, also der Geschäftsbereich Dienstleistungen von Schmersal, wird auf der Messe präsent sein. Die Experten des Tec.nicums beraten objektiv und hersteller-neutral, welche Sicherheitskonzeption sich am besten für die individuelle Anwendung eignet.
Welche Auswirkungen bringt die Fertigung nach den Grundsätzen von Industrie 4.0 für die funktionale Sicherheit mit sich? Mensch und Roboter werden häufiger ohne trennenden Schutzzaun zusammenarbeiten und die sicherheitsgerichteten Signale werden auch auf höheren Steuerungsebenen verarbeitet. Die Voraussetzungen dafür sind bereits geschaffen.
Wenn die Experten recht haben, werden künftig cyber-physikalische Systeme (CPS) selbsttätig ihren Weg durch die Produktion finden und individuelle Produkte werden in 'Stückzahl 1' hoch automatisiert und so effizient gefertigt wie Massenware. Das ist, in aller Kürze, ein Kernelement von Industrie 4.0. Viele Unternehmen haben entsprechende Projekte aufgesetzt und / oder bereits realisiert. Neue Geschäftsmodelle (Stichwort Plattformökonomie) sind entstanden und die Mehrheit der Akteure in Industrie und Wissenschaft hält Industrie 4.0 für den geeigneten Weg, um die Zukunftsfähigkeit des deutschen Maschinenbaus und der produzierenden Industrie zu gewährleisten. Welche Auswirkungen wird die Fertigung nach den Grundsätzen von Industrie 4.0 auf die funktionale Sicherheit - das heißt: auf die Maschinensicherheit und die sicherheitsgerichtete Steuerungstechnik - haben? Die Antwort ist komplex, hier sollen nur zwei wesentliche Aspekte dargestellt werden.
Kollaborative Robotik
Viele Roboterhersteller haben Lösungen vorgestellt, bei denen (kleinere) Roboter dem menschlichen Personal quasi zur Hand gehen und eine Zusammenarbeit ohne trennenden Schutzzaun ermöglichen. Damit wird zum einen der demographische Wandel adressiert: Ältere Mitarbeiter sollen von körperlich anstrengenden Wiederholtätigkeiten entlastet werden. Zum anderen wird dem Wunsch nach stärker individualisierten Produkten Rechnung getragen, den eine Vollautomation (die auch unflexibler ist) nicht erfüllen kann.
K.A. Schmersal Holding
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 10 2017 - 06.10.17.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de