Kommunikation für Produktionszellen aufbauen
Drei sind keiner zuviel
Die Integration aller Komponenten in einer Netzwerkstruktur ist notwendig, denn diese bilden das Fundament für die Digitalisierung von Produktionsprozessen. Die Segmentierung der Produktionsnetze in die drei wesentlichen Bereiche, Kern (Core) über die Verteilungsschicht (Distribution) bis hin zur Zugriffsebene (Access), wird auch zukünftig Bestand haben. Doch zukünftig kann man verstärkt von einem Netzwerkdesign zugunsten einer komplett gerouteten Topologie ausgehen.
Die zentralen Anforderungen und Hauptmerkmale für ein zukunftsfähiges Netzwerk im Kontext der Aktionsfelder von Industrie 4.0 über die drei Ebenen können wie folgt erläutert werden.
Backbone-Kommunikation für Anbindung nach oben Um diese zunehmende Komplexität zu bewältigen, werden modernste Netzwerke in logische Segmente unterteilt, die jeweils auf spezifische Produktionsprozesse mit einer überschaubaren Teilnehmerzahl ausgerichtet sind.
- • Bandbreitenreserven des übergeordneten Produktionsnetzwerks: Bereits heute wird eine Vielzahl von Daten über das Kommunikationsnetzwerk verteilt, beispielsweise Arbeitsaufträge an Maschinen, Software-Updates sowie Video-Daten von Vision Systemen und vieles mehr. Der Datendurchsatz ist auf dieser Ebene sehr hoch und wird weiter rasant zunehmen. Die Verbindung zwischen den Switches auf der Core Ebene ist zunehmend auf 10Gbit/s und mehr ausgelegt. Die Anbindung an die nächst untere Distribution-Ebene kann mit dem neuen 2,5GBit/s-Standard nach IEEE802.3bz realisiert werden und ermöglicht höhere Datenübertragungsraten über Cat5e- und Cat6-Kabel auf 100m ohne Neuinvestitionen in die bestehende Verkabelungsinfrastruktur zu tätigen. Einer der Treiber für diese Zwischenstufe beim drahtgebundenen Ethernet ist die zunehmende Anbindung von Wireless, die inzwischen über 1GBit/s und zukünftig mehr übertragen, woraus sich ein Bandbreitenengpass in dem Netzwerksegment ergibt.
- • Hochverfügbarkeit und Redundanz: Die Erhöhung der Netzverfügbarkeit ist maßgeblich, so dass Störungen einzelner Netzwerkkomponenten keine Ausfallzeiten verursachen. Dies kann durch Redundanzmechanismen wie MRP (Media Redundancy Protocol) und DLR (Device Level Ring), die gewisse Umschaltzeiten einhalten, bis hin zu garantierten Zeiten von null Millisekunde via PRP (Parallel Redundancy Protocol) oder HSR (High availability Seamless Redundancy) erreicht werden. Weitere Protokolle wie das Virtual Router Redundancy Protocol (VRRP) erlauben eine redundante Anbindung von dem Produktionsrouter an das übergeordnete Unternehmensnetzwerk. In den Automobilwerken ist die Größe der Netzwerke ein bestimmender Faktor, der weiter stark wachsen wird. Hier ist der Einsatz von IT Standards wie das dynamische Routing-Protokoll OSPF (Open-Shortest-Path-First) von Vorteil, insbesondere in der schnelleren Konvergenz und der besseren Skalierbarkeit. Weitere IT Standards wie MPLS (Multiprotocol Label Switching) bieten eine Bandbreitenreservierung für die unterschiedlichen Dienste an. Der TSN Standard mit seiner Hochverfügbarkeit wird ebenfalls in der Produktion zukünftig zunehmend eingesetzt werden.
- • Echtzeit-Kommunikation: Die Echtzeit-Kommunikation vom Feld bis in das Backbone ist eine Anforderung, um SPS-Geräte in der lokalen Cloud zukünftig anzubinden. Time-Sensitive Networking (TSN) ist vollständig kompatibel mit den heutigen Ethernet-Netzwerken. Es ermöglicht eine Übertragung von Daten mit harten Echtzeitanforderungen und Hintergrunddaten, ohne dass es zu wechselseitigen Störungen kommt. Die Unterstützung des Standards zeigt sich unter anderem an dem Beitritt von Rockwell Automation in die Time-Sensitive Networking Task Group (IEEE802.1) und vielen weiteren bedeutenden Automatisierungsunternehmen.
Netzwerkanbindung von Produktionszellen
Der Netzwerkzugang bietet einen Übergabepunkt, der jede Produktionszelle mit der Kommunikation mehrerer Maschinen in der Feldebene verbindet. Die Distributionsebene steht vor erheblichen technologischen Veränderungen, die sich aus den künftigen Anforderungen aus den Aktionsfeldern von Industrie 4.0 und der Virtualisierung von Anwendungssteuerungen ergeben.
- • Steigende Bandbreitenanforderungen: Die Bandbreitenanforderungen nehmen auch in der Distributionsebene erheblich zu, getrieben von den zuvor ausgeführten Treibern.
- • Flexible Segmentierung und Schutz des Produktionszellennetzwerks: Die Anbindung der Produktionszellen bedingt durch die hohe Anzahl an Maschinen eine Segmentierung aus mehreren Gründen. Zum einen können durch eine Segmentierung die Auswirkungen von Netzwerkfehlern und Ausfällen sowie von Cyber-Angriffen lokal begrenzt werden. Zum anderen ermöglicht eine prozessorientierte Segmentierung mit einer überschaubaren Anzahl an Automatisierungsteilnehmern die Flexibilität der Anlagen durch einfaches Einbinden weiterer Komponenten zu erhöhen. Die Segmentierung erfolgt im Layer 2 durch VLANs in Kombination Layer 3 (Routing) Verfahren für die IP Kommunikationen. Durch die wachsende Zahl von IP-Geräten hat zum einen die Größe der einzelnen VLANs und zum andern auch die Anzahl der VLANs zugenommen. Dies kann zu Broadcast-Stürmen oder anderen Flooding-Problemen führen. Im Gegensatz dazu reduziert das Routing zur Zugriffsschicht die Größe der Fehlerauswirkungen drastisch, nutzt alle Verbindungen und bietet eine anpassbare, dynamische Netzwerkumgebung. Der Einsatz von Stateful Firewalls erhöht die Netzwerksicherheit in einer durchgängigen Routing-Netzarchitektur, kombiniert mit Zugangsbeschränkungen über Access-Control-Listen (ACLs) in den Switches bereits auf der Ebene der Produktionszelle. Insbesondere das Zonenkonzept der IEC62443 findet eine starke Akzeptanz im Automobilumfeld. Neben dem Ansatz zentraler Firewalls wird der genannte dezentrale Ansatz nahe der Produktionszelle zunehmend an Bedeutung erlangen. Eine zusätzliche Kombination mit proaktiven industriellen Security-Überwachungslösungen, die Anomalien im Datenverkehr aufdecken, sorgt für eine weitere Erhöhung der Sicherheit im Feld.
Access: Kommunikation in der Feldebene
Das Netzwerk in der Feldebene zwischen und innerhalb von Maschinen ermöglicht es, Endgeräte innerhalb einer Produktionszelle miteinander zu verbinden. Die Kommunikation auf dieser Ebene wird sich voraussichtlich deutlich verändern, wenn die Standards des Industrial Internet of Things (IIoT) umgesetzt werden.
- • Deterministische Echtzeit-Kommunikation: Bedingt durch den zunehmenden Einsatz von Profinet und Ethernet/IP-Netzwerken zur Steuerung und Vernetzung von Maschinen ergibt sich der Bedarf an Echtzeitkommunikation. Darüber hinaus ist mit einem Paradigmenwechsel der Anbindung von Feldgeräten in der Maschine hin zu virtuellen Steuerungen zu rechnen. Voraussetzung hierfür ist der Einsatz von Echtzeit-Switches, die auf neue offene Standardisierungsverfahren wie TSN beruhen und auf dem vorhandenen Ethernet-Kommunikationsprotokoll aufbauen.
- • Integration der Anlagen mit der gleichen IP Adresse: Durch die zunehmende Verbreitung von Ethernet in den Maschinen besitzen Endgeräte wie I/O-Devices in jede Maschine eine eigene IP-Adresse. Zur Integration dieser Anlagen über den Netzwerkzugang in das übergeordnete Distributionsnetz können daraus IP-Adressen Engpässe entstehen. Durch den Einsatz der NAT-Funktionalität in den Layer-3 Switches oder routingfähige Firewalls kann eine individuelle Anpassung der IP-Adresse vermieden werden, da NAT diese automatisch übersetzt. Daraus ergibt sich der Vorteil, dass die Netze identisch aufgebaut werden können und somit für Automatisierungstechniker einfacher zu bedienen sind.
- • Beständig gegen Vibration, Schock, Schweißfunken, Chemikalien oder Temperatur: In den Produktionszellen der Gewerke Powertrain und Body Shop sind die Anforderungen an die Komponenten im Feld besonders hoch. Im Body Shop erfolgt die Reinigung der Roboter zum Teil mit Trockeneis. Zusätzlich beanspruchen Schweißfunken und somit kurzfristig auftretende hohe Temperaturen bis 700 Grad die Leitungen und elektronischen Bauteile nahe dem Roboter. Im Powertrain Bereich spielt die Öl- und Chemikalienbeständigkeit sowie Vibrations- und Schockfestigkeit eine erhebliche Rolle. Getrieben durch den Trend zur Reduzierung der Automatisierungskosten rücken Bauteile wie Switches und IO Module näher an die Maschine und es erfolgt eine Eliminierung des Schaltschrankes. Zunehmend kommen daher Komponenten in IP56 und höher sowie mit M12-Anschlusstechnik zum Einsatz.
- • Unterbrechungsfreie Kommunikation von Wireless LAN: Der Anteil an selbstfahrenden Flurförderfahrzeugen und Warehouse Shuttles ist zunehmend ein zentraler Bestandteil zur Materialversorgung in den Automobil-Produktionsstätten und wird ein wesentlicher Baustein in der Industrie 4.0 Initiativen werden. Die mobilen Einheiten erlauben einen losgelösten Materialfluss weg von dem Fließbandprinzip hin zu flexiblen Produktionsinseln. Eine hochverfügbare Wireless LAN Verbindung, die eine große räumliche Abdeckung sowie garantiertes unterbrechungsfreies Roaming ermöglicht, sind essentiell, um die Anforderungen zu erfüllen. Wireless LAN wird in weiteren Applikationen in den Produktionszellen Einzug finden bis hin zur drahtlosemAnbindung von Robotern, die Safety-Anforderungen erfüllen müssen. Interessante zukunftsweisende Lösungsansätze bieten sich mit WLAN in Verbindung mit PRP an. Weitere Einsatzbereiche wie Condition Monitoring zur Übertragung von Videosignalen und zur Zustandsüberwachung von Pressen sind zu nennen. Die Wireless-Anbindung von Akkuschraubern im Bereich Montage ist ein weiteres Feld von neuen Anwendungen. In Summe wird mit einem Anstieg auf deutlich über 10.000 Wireless-Schnittstellen in einem einzigen Produktionswerk in den nächsten Jahren gerechnet. Hierdurch ergeben sich weitere Anforderungen hinsichtlich Skalierbarkeit und Bandbreite für die eingesetzte Wireless-Technik.
Die Integration aller Komponenten in einer Netzwerkstruktur ist notwendig, denn diese bilden das Fundament für die Digitalisierung von Produktionsprozessen. Die Segmentierung der Produktionsnetze in die drei wesentlichen Bereiche, Kern (Core) über die Verteilungsschicht (Distribution) bis hin zur Zugriffsebene (Access), wird auch zukünftig Bestand haben. Doch zukünftig kann man verstärkt von einem Netzwerkdesign zugunsten einer komplett gerouteten Topologie ausgehen.
Die zentralen Anforderungen und Hauptmerkmale für ein zukunftsfähiges Netzwerk im Kontext der Aktionsfelder von Industrie 4.0 über die drei Ebenen können wie folgt erläutert werden.
Backbone-Kommunikation für Anbindung nach oben Um diese zunehmende Komplexität zu bewältigen, werden modernste Netzwerke in logische Segmente unterteilt, die jeweils auf spezifische Produktionsprozesse mit einer überschaubaren Teilnehmerzahl ausgerichtet sind.
- • Bandbreitenreserven des übergeordneten Produktionsnetzwerks: Bereits heute wird eine Vielzahl von Daten über das Kommunikationsnetzwerk verteilt, beispielsweise Arbeitsaufträge an Maschinen, Software-Updates sowie Video-Daten von Vision Systemen und vieles mehr. Der Datendurchsatz ist auf dieser Ebene sehr hoch und wird weiter rasant zunehmen. Die Verbindung zwischen den Switches auf der Core Ebene ist zunehmend auf 10Gbit/s und mehr ausgelegt. Die Anbindung an die nächst untere Distribution-Ebene kann mit dem neuen 2,5GBit/s-Standard nach IEEE802.3bz realisiert werden und ermöglicht höhere Datenübertragungsraten über Cat5e- und Cat6-Kabel auf 100m ohne Neuinvestitionen in die bestehende Verkabelungsinfrastruktur zu tätigen. Einer der Treiber für diese Zwischenstufe beim drahtgebundenen Ethernet ist die zunehmende Anbindung von Wireless, die inzwischen über 1GBit/s und zukünftig mehr übertragen, woraus sich ein Bandbreitenengpass in dem Netzwerksegment ergibt.
- • Hochverfügbarkeit und Redundanz: Die Erhöhung der Netzverfügbarkeit ist maßgeblich, so dass Störungen einzelner Netzwerkkomponenten keine Ausfallzeiten verursachen. Dies kann durch Redundanzmechanismen wie MRP (Media Redundancy Protocol) und DLR (Device Level Ring), die gewisse Umschaltzeiten einhalten, bis hin zu garantierten Zeiten von null Millisekunde via PRP (Parallel Redundancy Protocol) oder HSR (High availability Seamless Redundancy) erreicht werden. Weitere Protokolle wie das Virtual Router Redundancy Protocol (VRRP) erlauben eine redundante Anbindung von dem Produktionsrouter an das übergeordnete Unternehmensnetzwerk. In den Automobilwerken ist die Größe der Netzwerke ein bestimmender Faktor, der weiter stark wachsen wird. Hier ist der Einsatz von IT Standards wie das dynamische Routing-Protokoll OSPF (Open-Shortest-Path-First) von Vorteil, insbesondere in der schnelleren Konvergenz und der besseren Skalierbarkeit. Weitere IT Standards wie MPLS (Multiprotocol Label Switching) bieten eine Bandbreitenreservierung für die unterschiedlichen Dienste an. Der TSN Standard mit seiner Hochverfügbarkeit wird ebenfalls in der Produktion zukünftig zunehmend eingesetzt werden.
- • Echtzeit-Kommunikation: Die Echtzeit-Kommunikation vom Feld bis in das Backbone ist eine Anforderung, um SPS-Geräte in der lokalen Cloud zukünftig anzubinden. Time-Sensitive Networking (TSN) ist vollständig kompatibel mit den heutigen Ethernet-Netzwerken. Es ermöglicht eine Übertragung von Daten mit harten Echtzeitanforderungen und Hintergrunddaten, ohne dass es zu wechselseitigen Störungen kommt. Die Unterstützung des Standards zeigt sich unter anderem an dem Beitritt von Rockwell Automation in die Time-Sensitive Networking Task Group (IEEE802.1) und vielen weiteren bedeutenden Automatisierungsunternehmen.
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Dieser Artikel erschien in Industrial Communication Journal 4 2017 - 08.12.17.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de