ERP/MES-Einführung beim Drehteilezulieferer
Industrie-4.0-Prozess in der Anwendung
Mit seinen diamantierten Teilen ist der Dreh- und Frästeilehersteller August Weckermann bei der Fertigungstechnik stets auf dem neuesten Stand. Was beim steilen Unternehmenswachstum liegen blieb, war die Modernisierung der IT. Nach dem Rollout einer ERP/MES-Lösung von Gewatec ist das anders. Jetzt sind die Abläufe teils auf Industrie-4.0-Niveau, die Umlaufbestände halbiert und die Produktivität um mindestens zehn Prozent höher.
Industrie 4.0 heißt Digitalisierung und Vernetzung der Unternehmensabläufe. Dabei gibt es verschiedene Stufen der Digitalisierung, die von einer in weiten Teilen noch händisch organisierten Fertigung mit einzelnen IT-Inseln bis zum Ideal einer sich selbst steuernden und vernetzten Produktion reicht. Um dorthin zu gelangen, braucht es eine dauerhafte Digitalstrategie. So wie fast jedes Unternehmen seine technologische Grundlage und sein Knowhow zu verbessern strebt, so muss auch die digitale Transformation Teil der Firmen-DNA werden. So sieht es auch der Präzisionsdreh- und Frästeilehersteller August Weckermann aus Eisenbach im Hochschwarzwald. Der Firmengründer begann 1885 Teile für die Uhrenindustrie in seiner Bauernstube zu fertigen. Nach dem Überwinden auch politisch turbulenter Zeiten ist das Unternehmen heute mit über 170 Mitarbeitern ein Spezialist für diamantierte Glanzoberflächen und beliefert mit diamantierten Teilen alle Großen der Sanitärbranche.
Diamantierte Teile haben Erfolg
Beim Diamantieren, der Dreh- und Fräsbearbeitung eines Nichteisenmetall-Werkstücks mit einem Diamanten, trägt der Diamant etwas Material ab, drückt aber auch gleichzeitig auf das Werkstück. Durch die Druckphase entsteht eine hervorragende, hochglanzpolierte Oberfläche, die ohne weiteres Polieren galvanisiert werden kann. Diamantierte Produkte von August Weckermann setzten sich schnell durch. Mittlerweile erzielt das Unternehmen 70 Prozent des Umsatzes durch Premiumprodukte für die Sanitärbranche. Der damit verbundene Aufschwung führte 2006 zum Bau eines neuen Logistikzentrums und zusätzlicher Produktionsfläche von 2500 Quadratmeter. Was bei dem Wachstum weitgehend außen vor blieb, war eine parallele Modernisierung der Organisationsabläufe. Es gab vereinzelte IT-Insellösungen, wie ein rudimentäres 'Waren-Wirtschaftssystem' auf MS-DOS-Basis oder die CAQ-Lösung Grips von Gewatec als Einzelmodul. "Aber wachsende Kundenanforderungen, wie eine Chargenrückverfolgung, Dokumentation der Qualität der Produkte oder sinnvolle Steuerung und Erfassung der Wartung und Instandhaltung des Maschinenparks und der Werkzeuge konnten vermehrt nur mit großem personellem Aufwand erfüllt werden. Deshalb war ein Handeln dringend geboten", sagte der Juniorchef David Duttlinger. Es gehe darum, automatisierte Abläufe zu schaffen, mit denen es die Anwender einfacher haben und die die Produktivität erhöhen.
Sohn und CDO im Boot
Mit der Modernisierung hatte der Geschäftsführer extra auf das Knowhow gewartet, dass sein Sohn aus dem Studium ins Projekt einbringen werde. Im Jahr 2012 ging es los. David Duttlinger: "Die finanziellen Mittel standen dann entsprechend bereit und ich wurde weitgehend vom Alltagsgeschäft freigestellt, was sich im Nachhinein als absolut notwendige Voraussetzung erwies. Es braucht zwingend jemand, ob man ihn jetzt als CDO (Chief Digital Officer) bezeichnet oder wie auch immer, der die Digitalisierung und Optimierung der individuellen Unternehmensprozesse verantwortlich vorantreibt und deren Umsetzung mit kompetenten Partnern koordiniert." Der erste größere Schritt in Richtung digitalisierte Fabrik war die Einführung der ERP/MES-Lösung von Gewatec. Diese sah eine weitgehende Integration aller IT-Module vor, von der Datenerfassung in Echtzeit der Prozess- und Qualitätsdaten an der Maschine bis zur Online-Anbindung etwa über Smartphone oder Tablet. Die Digitalisierung der Prozesse in einem integrierten System ist eine gute Basis, normaerweise auch für einige I4.0-Ansätze. Wichtig ist, so David Duttlinger, dass sämtliche Prozessstrukturen im digitalen System abgebildet werden. Die Wahl des Systems fiel nach gründlicher Marktsondierung. "Das Branchen-ERP für Präzisionsteilehersteller von Gewatec konnte im Standard schon viele unserer Anforderungen erfüllen." Bei den Testläufen überzeugte auch das Verständnis des Softwarepartners für die Anforderungen der Branche.
Mit guten Daten digitalisiert
Die Einführung des Systems am verlängerten Pfingstwochenende 2015 wurde akribisch vorbereitet. Ein Schwerpunkt war dabei neben dem Abbild der Prozesse im System die Anlage von Stammdaten, Arbeitsplänen und Fertigungsaufträgen. Nur die 4000 Prüfmittel aus der alten CAQ-Prüfmittelverwaltung wurden übernommen. "Wir haben die Umstellung genutzt, um unsere Datenbasis in Qualität und Umfang auf den neuesten Stand zu bringen, eine unerlässliche Voraussetzung auch für künftige Digitalisierungsprojekte", sagt David Duttlinger. Installiert wurde nahezu die gesamte Gewatec-Lösung mit den Modulen GPPS (PPS), Kapplan (Kapzitätsplanung/Leitstandsystem), Grips (CAQ), Dokumentenverwaltung, Produktionsmittel-Management (PMS), die CNC-Programmübertragung (DNC) und das BDE/MDE-Modul Provis, inklusive der von Gewatec hergestellten MDE/BDE-Funkterminals. Die 130 Datenerfassungsterminals sind mit der sogenannten Prozessampel ausgestattet. Sie zeigt dem Werker an der Maschine mittels vier Leuchten in den Ampelfarben zum einen die Leistungsfähigkeit seiner Anlage über den OEE (Gesamtanlagen-Effektivität), dann die Qualität der Produkte über den cpk-Wert sowie die Aufforderung zur SPC-Messung und zum Werkzeugwechsel. Mit diesen Informationen in Echtzeit schließt der Werker den Regelkreis zwischen Planungs- und Ausführungsebene und kann früh Maßnahmen ergreifen, am besten bevor die ersten Ausschussteile produziert werden. Über das mit der Maschine verbundene MDE/BDE-Terminal werden automatisch Stückzahlen erfasst, kann der Werker Aufträge an-/abmelden, die Gründe eingeben, wenn eine Maschine steht oder wird das zu der Charge gültige CNC-Programm per Knopfdruck geladen beziehungsweise wieder in der Gewatec-Datenbank im Arbeitsplan abgespeichert. Die Auswertungen laufen im MDE/BDE-Modul Provis im Hintergrund. Auf dem Leitstandrechner zeigen die grafisch angeordneten Maschinen unter anderem den Betriebsstatus und den aktuellen Fertigungsstand mit Daten wie die Stückzeiten und Fertigungszeit, Reststückzahlen oder Störgründe. Mit einer Auswertung der Stillstandzeiten und Störgründe lässt sich heute die Leistungsfähigkeit speziell auch der konventionellen, kurvengesteuerten Maschinen genau beurteilen, was vorher eher nach Gefühl geschah. Im Einsatz sind 80 Drehmaschinen, davon die Hälfte CNC, 80-Spezialmaschinen zum Diamantieren und elf Bearbeitungszentren.
Die Umlaufbestände halbiert
Mit der Online-Erfassung von MDE/BDE- und CAQ-Daten wurde eine hohe Transparenz und Feinheit in der Fertigungssteuerung erreicht. "Durch die genauere Planung und Steuerung der Fertigung haben wir es im ersten Jahr geschafft, in den bearbeitenden Abteilungen nach der Dreherei die Umlaufbestände und damit den Platz und das gebundene Kapital zu halbieren", sagt der Juniorchef, "wir können heute am Leitstand die Aufträge entsprechend dem Liefertermin genau einlasten, eine Pull-Fertigung. Früher wurden die Aufträge eher in die Fertigung gepusht." Man könne heute bei Umorganisationen eines Kunden am Telefon verbindliche Termine zusagen. Viele der kleinen Automatisierungen sind heute für die Nutzer selbstverständlich: zum Beispiel auf Knopfdruck bei der Auftragsfreigabe alle Unterlagen eines Auftrags bereit zu haben. Viele Ordnerablagen oder Karteischränke verstauben nun und es kommt auch nicht mehr vor, das ein einzelner Auftag einfach verschwunden ist. Für die fruchtbare Zusammenarbeit der beiden Unternehmen spricht, dass einige spezielle Anforderungen bei August Weckermann mittlerweile zum Standard des ERP-Systems zählen, etwa eine Schnittstelle zum Hochregallager mit 40000 Lagerplätzen. Bestellt wird jetzt an einem Tag bis elf Uhr und die Teile sind am nächsten bis zwölf Uhr beim Kunden. Die Entnahme oder Einlagerung wird im ERP-System ausgelöst und die Lagerlösung generiert automatisch den Kommissionierauftrag. Durch diese Verbindung zur Lagersteuerung von Kardex habe sich die Entnahmezeit halbiert und das Fehlerniveau im Logistikbereich um 95 Prozent reduziert.
Materialumbuchung als I4.0-Prozess
Ein weiteres Resultat der Zusammenarbeit war der automatisierte Buchungsvorgang einer kompletten Palette per Foto mit dem Tablet-PC. Die Idee war, eine Palette mit mehreren Auftragskörben an einem Arbeitsplatz komplett an- oder abzubuchen oder den Bearbeitungszustand umzubuchen von 'halbfertig' auf 'fertig' und nicht alle einzelnen Aufträge per Hand ummelden zu müssen An jedem Auftragskorb ist eine Laufkarte angebracht mit einem QR-Code, der Charge und Anzahl der Teile beinhaltet. Mit einem Android-Tablet, auf dem eine von Gewatec eigens entwickelte App läuft, wird ein Foto von der Palette erstellt und die ausgewählte Umbuchung etwa von Abteilung A auf Abteilung B aller Laufkarten erfolgt automatisch. Das Besondere an der App ist, dass sie beliebig viele QR-Codes auf einem Foto identifizieren kann. "Mit dieser Tablet-Lösung, die für mich eine echte I4.0-Anwendung darstellt, sparen wir bei den Materialumbuchungen im Jahr rund 800 Stunden Arbeitszeit", sagt der Juniorchef. Der Foto-Ansatz mit dem Tablet wird auch in anderen Bereichen eingesetzt werden. Der Lieferschein für die Außerhausfertigung bei Subunternehmen, wie Galvanikfirmen, wird bereits über Foto per Knopfdruck erstellt. Angedachte weitere Lösungen sind eine Anzeige der Wertschöpfung oder bei einem Qualitätsproblem wird per Tablet gleich eine Sperrreklamation im System angelegt. "Die Prozesse, die wir aufgestellt haben, finden auch bei unseren Kunden Anerkennung, sodass einer der größten eine Einordnung als C-Lieferant hochgestuft hat auf A-Lieferant", schildert David Duttlinger und er ist sich sicher: "Die Einführung des ERP-Systems und die damit verbundene Digitalisierung hat uns Stand heute mindestens eine Steigerung der Produktivität von zehn Prozent eingebracht." n @Kontakt Fachartikel: @Kontakt Fachartikel: @Kontakt Fachartikel: @Kontakt Fachartikel:
Mit seinen diamantierten Teilen ist der Dreh- und Frästeilehersteller August Weckermann bei der Fertigungstechnik stets auf dem neuesten Stand. Was beim steilen Unternehmenswachstum liegen blieb, war die Modernisierung der IT. Nach dem Rollout einer ERP/MES-Lösung von Gewatec ist das anders. Jetzt sind die Abläufe teils auf Industrie-4.0-Niveau, die Umlaufbestände halbiert und die Produktivität um mindestens zehn Prozent höher.
Industrie 4.0 heißt Digitalisierung und Vernetzung der Unternehmensabläufe. Dabei gibt es verschiedene Stufen der Digitalisierung, die von einer in weiten Teilen noch händisch organisierten Fertigung mit einzelnen IT-Inseln bis zum Ideal einer sich selbst steuernden und vernetzten Produktion reicht. Um dorthin zu gelangen, braucht es eine dauerhafte Digitalstrategie. So wie fast jedes Unternehmen seine technologische Grundlage und sein Knowhow zu verbessern strebt, so muss auch die digitale Transformation Teil der Firmen-DNA werden. So sieht es auch der Präzisionsdreh- und Frästeilehersteller August Weckermann aus Eisenbach im Hochschwarzwald. Der Firmengründer begann 1885 Teile für die Uhrenindustrie in seiner Bauernstube zu fertigen. Nach dem Überwinden auch politisch turbulenter Zeiten ist das Unternehmen heute mit über 170 Mitarbeitern ein Spezialist für diamantierte Glanzoberflächen und beliefert mit diamantierten Teilen alle Großen der Sanitärbranche.
Gewatec GmbH & Co. KG
Dieser Artikel erschien in Industrie 4.0 Magazin (I40) 04 2018 - 22.02.18.Für weitere Artikel besuchen Sie www.i40-magazin.de