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Expertengespräch 7. Achse

Partnerschaft auf Augenhöhe

Mit moderner Leichtbaurobotik lassen sich neue Wege in der Automation beschreiten. Umso mehr, wenn sie mit einem Linearsystem als sogenannte 7. Achse ausgestattet sind: Dann erschließen sich durch den großen Aktionsradius viele neue Anwendungen - so auch im Mittelstand, der immer stärker auf Automatisierung setzt. Um die Bedürfnisse des Anwenders und die sich wandelnden Rahmenbedingungen in der Fabrik exakt abzudecken, bietet es sich auf Lieferantenseite durchaus an, zusammenzuarbeiten. So machen es z.B. die Firmen Rollon, Universal Robots und Dahl. ROBOTIK UND PRODUKTION hat sie zum Expertengespräch gebeten.

Bild: Rollon GmbHBild: Rollon GmbH

Lineartechnik und Robotik - einfach integriert. Mit dieser Botschaft und der Unterstützung durch Integrationspartner wie der Firma Dahl wenden sich Rollon und Universal Robots gemeinsam an den Markt. Welche Kernkompetenz bringen Sie denn als Automatisierungsanbieter dabei ein?

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Helmut Schmid, Universal Robots: Im Vergleich zum Automobilbau und Großunternehmen sind mittelständische Fertigungsumgebungen ja heute noch relativ wenig automatisiert. Aber das ändert sich aktuell, was sehr spannend für Universal Robots ist. Denn der Mittelstand ist genau der Bereich, in dem wir unsere Produkte hervorragend positionieren können. Mit unseren Leichtbaurobotern ist der Invest deutlich geringer als bei klassischen Sechsachsern. Zudem ist der Anwender in der Lage, schnell Know-how aufzubauen und Roboteranwendungen vergleichsweise einfach zu beherrschen. Aber wenn es um komplexere Applikationen geht - z.B. mit Linearsystem als 7. Achse - dann ist in der Entwicklung heute zunehmend die Zusammenarbeit mit dem Kunden und weiteren Technologiepartnern gefragt.

Rüdiger Knevels, Rollon: Rollon hat seine Wurzeln ursprünglich im Geschäft mit Standardkomponenten. Der Erfolg für das Unternehmen kam dann aber doch vor allem durch abgestimmte Linearführungen für Applikationen mit besonderen Anforderungen. So machen wir heute nur noch 10 Prozent des Umsatzes mit Standardprodukten. Der deutlich größere Teil kommt aus einem umfangreichen Baukasten, dessen Bestandteile spezifisch für die Bedürfnisse gewisser Branchen oder Applikationen entwickelt wurden. Diese Philosophie der anwendungsnahen Entwicklung haben wir mittlerweile auf den Bereich Linearachsen übertragen. Dabei beschäftigen wir uns systematisch mit verschiedenen Märkten: z.B. mit dem Robotermarkt, in dem es einen stark wachsenden Bedarf für 7. Achsen gibt. In diesem Bereich ist eine verstärkte Zusammenarbeit mit Roboterherstellern und Integratoren von großer Bedeutung.

Was ist denn neu am Zauberwort 7. Achse?

Frank Thomas, Rollon: Die Reichweite von Robotern per Linearachse zu erhöhen ist nicht wirklich neu. Neu ist aber die Art von Kinematiken, wie sie Universal Robots anbietet: kompakt, leicht, einfach zu programmieren und sogar für MRK-Anwendungen ausgelegt. Sie kommen gerade recht in Bezug auf die sich ändernden Anforderungen. Denn statt starren und festen Automatisierungslösungen sind heute mehr und mehr flexible Anlagen gefragt. So steigt auch die Nachfrage nach Robotern, die auf Verfahrachsen eingesetzt werden sollen, in den letzten Jahren deutlich. Grund genug für uns, diese Anwendung in unseren Baukasten aufzunehmen, damit der Anlagenbauer in der Entwicklung nicht jedes mal neu anfangen muss, sondern schnell und flexibel auf Anfragen reagieren kann.

Welche Applikationen sind denn typisch für den Einsatz einer 7. Achse?

Detlev Dahl, Dahl Automation: Meistens geht es bei Robotern auf Linearachsen um Applikationen mit langen Zykluszeiten. Ein gutes Beispiel ist das Be- oder Entladen von Maschinen. Hier lassen sich mit einer ausreichend langen 7. Achse und einem Roboter oft zwei Maschinen parallel versorgen, was sich natürlich positiv auf die Kosten auswirkt.

Schmid: Ein weiterer typischer Bereich ist die Qualitätssicherung, z.B. in einer Automobilfertigungsstraße. Da kommen dem Anwender lange Achsen wie gerufen, damit der Roboter bei der Spaltmaßmessung parallel zur Karosserie fahren kann. Aber es werden in nächster Zeit noch viele weitere neue Anwendungsfälle dazukommen, speziell im Mittelstand. Deswegen ist die Kombination von Rollon-Achsen und UR-Kinematiken so interessant.

Herr Dahl, Sie sind seit 30 Jahren im Maschinen- und Anlagenbau tätig. Gibt es wirklich eine neue Herangehensweise, um Prozesse zu automatisieren?

Dahl: Ja, der Markt hat sich geändert. Viele Anwender aus dem Mittelstand, die automatisieren wollen, bringen weder ein Millionenbudget mit noch eine Schar an Spezialisten. Sie fordern stattdessen bezahlbare Automatisierungslösungen, die sie beherrschen und selbst anpassen können - anstatt bei jeder Änderung gleich den Integrator zu rufen. Das betrifft die Robotik genauso wie die Lineartechnik. Lösungen mit 7. Achse werden aber auch immer interessanter, weil die Roboter leichter geworden sind. Der schwerste UR-Roboter wiegt 28kg. Er lässt sich natürlich viel einfacher und flexibler auf einer Verfahrachse einsetzen als ein klassischer Sechsachser mit 200kg oder mehr.

Schmid: Der Ansatz unserer kompakten Roboter zahlt sich besonders in bereits bestehenden Produktionsumgebungen aus. Denn bei einem Greenfield-Projekt spielen Gewicht und Bauraum deutlich geringere Rollen als bei der Modernisierung von gewachsenen Fertigungsstrukturen. Dort ist für eine klassische Roboterzelle oft schlichtweg nicht genug Platz. Die Leichtbaurobotik bietet also nicht nur Flexibilität, sondern ist auch ein Schlüssel für kompakte Anlagen, wie sie im KMU-Bereich vielfach benötigt werden.

Bild: Rollon GmbHBild: Rollon GmbH

Standardlösungen in bestehende Strukturen einzubinden ist meist nicht ohne Weiteres möglich. Womit wir wieder beim Punkt der spezifisch aufgebauten Systeme wären.

Schmid: Deswegen arbeiten wir zusammen und kombinieren die jeweiligen Stärken. Wie das dann konkret ablaufen kann, lässt sich gut an einem kürzlich realisierten Projekt darstellen: Auf einer Fachmesse kamen Universal Robots und Rollon erstmals zusammen. Es ging um die Umsetzung eines bei Dahl Automation vorliegenden Auftrags. Beide Unternehmen haben umgehend zu den Anforderungsparametern passende Produkte vorgeschlagen und die entsprechenden Leistungsparameter und Grenzwerte spezifiziert. Weil die Zusammenarbeit so gut geklappt hat, konnte Dahl Automation das Projekt außergewöhnlich schnell umsetzen. Letztendlich waren es nur drei Wochen von der Anfrage auf der Messe bis zur Lieferung der Achse.

Dahl: Eine solche Lieferzeit ist nur möglich, wenn alle beteiligten Partner die gleiche Sprache sprechen und ihre Erfahrungen in den Kernbereichen einbringen.

In erster Linie bildet dann der Integrator die Schnittstelle zum Endanwender.

Schmid: Richtig. Dadurch, dass wir nur drei Modelle anbieten, beherrschen unsere Partner die Roboter in der Regel sehr gut. Wir stehen also eher in zweiter Reihe - aber stets bereit, um bei Bedarf als unterstützende Kraft einzuspringen, wenn beispielsweise spezielle Anwendungskonzepte oder die Herstellerexpertise benötigt werden. Auch im Bereich von Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz unterstützen wir die Partner und Anwender, z.B. bei der Zertifizierung.

Thomas: Bei Rollon ist das unterschiedlich. Oft bringt der Integrator den Kunden mit, in vielen Fällen werden aber auch wir vom Endanwender direkt angesprochen. Wenn sich dann im Gespräch herausstellt, dass wir die Integration alleine nicht umsetzen können, dann holen wir den Integrator mit ins Boot und treten im Zweifel gemeinsam beim Kunden auf.

Knevels: Das Rollon-Modell baute eigentlich darauf auf, direkt vor Ort beim Kunden das Geschäft zu machen - nicht über Vertriebspartner. Mit dem partnerschaftlichen Ansatz ändert sich das aber ein Stück weit. Und dass es jetzt immer öfter jemanden zwischen uns und dem Endkunden gibt, hat sich in manchem Produktbereich als sehr sinnvoll erwiesen, so auch im Rollon-Lösungsteam von Frank Thomas. Schließlich profitiert man im Rahmen der Zusammenarbeit von Kapazitäten und Fähigkeiten, die man alleine gar nicht abbilden kann.

Herr Dahl, lässt sich auch als Integrator im Sinne eines Baukastens modular denken? Oder ist die Lösung doch jedes mal ganz unterschiedlich?

Dahl: Auch ich nutze, wenn es um die Automation geht, unseren unternehmenseigenen Baukasten. Dazu gehören z.B. die Rollon-Linearachsen und UR-Roboter bzw. deren Kombination. Natürlich versucht man auch als Integrator Einmallösungen zu vermeiden, die viel Zeit in der Auslegung und Integration kosten. Deswegen werden auch Plattformen wie UR+ aus unserer Sicht immer interessanter - zu der übrigens auch unser gemeinschaftlicher Ansatz für die 7. Achse ausgezeichnet passt.

Schmid: Wenn es um die einzelnen Bestandteile einer Lösung geht, haben längst nicht alle Entwickler ein so übergreifendes Know-how wie Herr Dahl und sein Team. Mit UR+ haben wir deshalb ein Partnernetzwerk ins Leben gerufen, über das sich Entwickler untereinander austauschen können. Ich glaube, dass solche kostenfreien Ökosysteme großen Mehrwert bieten. Für uns soll sich dieses Engagement am Ende dann durch einen leichteren Zugang zum Markt rechnen.

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Im Umfeld des Schlagworts Industrie 4.0 wird viel davon geredet, stärker in Partnerschaften denken zu müssen. Ist das die gleiche Richtung, in die Ihre Zusammenarbeit geht?

Knevels: Ein partnerschaftlicher Ansatz ist für uns erst mal nichts Neues. Aber Industrie 4.0 ist sicherlich eine spannende Herausforderung, die ohne Partnerschaften nicht lösbar ist. Also arbeiten wir nicht mit Partnern an neuen Bestandteilen für unseren Baukasten. Um uns gut für die Zukunft aufzustellen, wollen wir auch verstärkt Kooperationen, wie die mit Universal Robots und Dahl Automation, eingehen. Umso tiefer können wir in attraktive Industriesegmente und Applikationen einsteigen und am Automatisierungstrend im Mittelstand teilhaben.

Inwieweit macht es Sinn, weitere Anbieter in Ihre Partnerschaft einzubinden - z.B. für die Antriebs- oder Steuerungstechnik?

Thomas: Die Integratoren, mit denen wir zusammenarbeiten, haben in vielen Fällen Haus- und Hoflieferanten. Zudem hängt die Wahl des Antriebs- oder Steuerungsherstellers oft von den Vorgaben des Endanwenders ab. Diesbezüglich tauschen wir uns natürlich aus und passen unsere Systeme auf die geforderte Technik an. Man muss sehr flexibel sein und für alle auf dem Markt verfügbaren Antriebsmöglichkeiten entsprechende Adaptionen vorhalten. Zudem bietet Rollon von Haus aus die passende Auslegung des eingesetzten Getriebes oder Motors an. Wir berechnen die Anwendungsdaten und Leistungsparameter und geben sie unseren Kunden per Datenblatt an die Hand.

Wie stark spielt denn das Thema Mensch/Roboter-Kollaboration in Ihrer Partnerschaft eine Rolle?

Schmid: Insgesamt gibt es in vielen Anwendungsfällen eine Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter - dafür sind unsere Geräte ja auch gemacht. Aber selbst ohne klassischen Schutzzaun und mit flexiblen Sicherheitslösungen wie 3D-Scannern ist es dann doch meist eher ein Nebeneinander als ein direktes Miteinander.

Dahl: Das sehe ich auch so. Ich habe schon viele Leichtbauroboter integriert. Dabei war es bisher noch nie erforderlich, dass Mensch und Roboter im Prozess tatsächlich zeitgleich an einem Werkstück zusammenarbeiten. Gleichwohl wird die Umsetzung einer solchen Applikation durch die MRK-Fähigkeit der Technologie durchaus möglich.

Knevels: Die Möglichkeit, eine 7. Achse auch in Hinblick auf MRK-Einsätze kompatibel zu einer entsprechenden Kinematik auszurüsten, die gibt es durchaus. Aber die Safety-Anforderungen erhöhen sich dann deutlich. Zudem sehe ich im Moment auch noch keine tatsächliche Notwendigkeit in den Anwendungen.

Schmid: Ich bin aber sicher: Es werden spannende Szenarien kommen, z.B. im Bereich Logistik und Warehouse-Management, wo auch immer mehr automatisiert wird. Deswegen sollten sich die Anbieter schon Gedanken machen, wie sich echte MRK-Applikationen mit 7. Achse einfach und effizient realisieren lassen.

: Wie geht die Reise in Richtung smarte Fabrik weiter?

Schmid: Wie gesagt: Die partnerschaftliche Zusammenarbeit gewinnt an Gewicht. Und zwar in jeglicher Hinsicht, egal ob direkt - wie mit Rollon und Dahl Automation - oder über Plattformen wie UR+.

Thomas: Für Rollon sind solche Plattformen sicherlich auch spannend. Parallel bauen wir aber unser eigenes Partnernetz kontinuierlich um weitere Lösungsanbieter aus. Zudem pflegen wir selbstverständlich auch unsere direkten Kundenbeziehungen weiterhin. In Summe sorgen wir also dafür, dass sich in jeder denkbaren Konstellation die richtigen Leute an einem Tisch austauschen.

Schmid: Um in Zukunft erfolgreich zu sein, muss man aber durchaus die richtigen Partnern finden. Solche, denen man auf Augenhöhe begegnen kann und die eine ähnliche Philosophie haben. Letztendlich muss durch die Zusammenarbeit Mehrwert auf allen Seiten entstehen, sonst funktioniert der Ansatz auf Dauer nicht.

Knevels: Ich bin der Überzeugung, dass das in der Partnerschaft von Rollon, Universal Robots und Dahl Automation wirklich gegeben ist. Alle lernen voneinander und es ergeben sich viele synergetische Effekte. Letztendlich sind aber nur dann echte Multiplikatoren erreichbar, wenn man nicht nur kooperativ ausgerichtet, sondern auch mit eigenen Produkten erfolgreich ist. Dass das bei allen drei Firmen hier am Tisch seit Jahren der Fall ist, lässt sich nicht in Abrede stellen.

Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.

Teilnehmer des Expertengesprächs

Rüdiger Knevels, CEO der Rollon-Gruppe

Frank Thomas, Leiter der Business Unit Linearachssysteme bei Rollon

Helmut Schmid, Geschäftsführer von Universal Robots in Deutschland

Detlev Dahl, Chef des Anlagenbauers Dahl Automation

Mathis Bayerdörfer, Chefredakteur ROBOTIK UND PRODUKTION/SPS-MAGAZIN

Rollon GmbH

Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 2 2018 - 17.04.18.
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