Profinet und OPC UA:
Industrielle Kommunikation schaltet mit TSN den Turbo zu
Auch auf der Hannover Messe 2018 war die industrielle Kommunikation als Schlüssel zum digitalen Unternehmen ein Besuchermagnet - verbunden mit der Frage: Wohin geht die Reise? Die Anforderungen an Transparenz, nahtlose Vernetzung und Durchgängigkeit sind die Grundlage moderner Kommunikationskonzepte. Gleichzeitig verlangt die Digitalisierung aber auch weiter steigende Reaktionsschnelligkeit und Flexibilität: Möchten Unternehmen flexibel auf die Anfragen aus dem Markt eingehen und somit die individuelle Massenproduktion umsetzen, so muss die Produktion hochgradig agil sein. Was ist der Preis dafür? Ein radikaler Umbau der Kommunikationslandschaft?
Ganz im Gegenteil, so die Überzeugung von Stephan Schott, Marketing Manager bei der Siemens AG "Industrial Ethernet ist und bleibt das zukunftssichere Netzwerk, auf das unsere Kunden auch weiterhin bauen können. Erstens bietet es langfristige Planungs- und Investitionssicherheit. Zweitens kombiniert es mit Profinet und OPC UA zwei führende Standards in einem Netzwerk, die jeweils ihre spezifischen Stärken ausspielen können - und nahtlos miteinander harmonieren. Und drittens profitieren Anwender von der Offenheit für neue Entwicklungen, die den notwendigen Technologieschub für die weitere Digitalisierung bringen. Aktuell betrifft dies vor allem Time-Sensitive Networking (TSN), das durch die Vereinigung mehrerer existierender Standards das Ethernet weiterentwickelt. Sowohl Profinet als auch OPC UA werden diese wichtige Basistechnologie in den kommenden Jahren als 'Turbo' zuschalten können". Was charakterisiert also Industrial Ethernet-Netzwerke mit Profinet (sogenannte Profinet-Netzwerke) heute, und welche zusätzlichen Eigenschaften werden sie mit TSN gewinnen?
Zwei, die miteinander können - Profinet und OPC UA
Profinet ist mit einer installierten Basis von mehr als 20 Millionen Knoten (Stand 2017) das am weitesten verbreitete Netzwerk im Shopfloor. Stephan Schott fasst die wesentlichen Fähigkeiten zusammen: "Dank harter Echtzeit und Deterministik bietet Profinet die benötigte Performanz für alle Applikationen in der Feldebene. Darüber hinaus stellt es ausreichend Bandbreite sogar für Videos oder HD-Bilder, die beispielsweise für die Produkthaftung und Qualitätssicherung wichtige Medien sind sicher. Anwender können praktisch jede Art von Netzwerktopologie realisieren, ob kabelgebunden oder kabellos. Und nicht zuletzt setzen viele Industrieunternehmen auf standardisierte Profile wie Profisafe, Profienergy und Profidrive: Sicherheitsgerichtete Anwendungen, Energietransparenz und -effizienz sowie standardisierte Kommunikation in der Antriebstechnik - all das läuft über ein Kabel". Ab der Steuerungsebene übernimmt dann in vielen Industrial Ethernet-Netzwerken ein weiterer Standard die Kommunikation: OPC UA - nach dem Motto "Jeder dort, wo er am stärksten ist". OPC UA hat sich in der vertikalen Kommunikation etabliert und ist mittlerweile häufig auch in der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation anzutreffen. Dazu trägt maßgeblich bei, dass es auf allen Ebenen eine sichere, einfache und herstellerübergreifende Geräteanbindung erlaubt - bei höchsten Security-Standards. Das zugrundeliegende Informationsmodell sowie international standardisierte Schnittstellen (Companion Specifications) bilden die Grundlage für den einfachen Datenaustausch und Vorteile bei der Integration in Automatisierungsnetzwerke. Für Siemens ergibt die Aufgabenteilung zwischen den beiden Standards Sinn: "Profinet und OPC UA laufen nicht nur über eine und dieselbe Standard Ethernet-Leitung. Beide sind auch vollständig in unserem Totally Integrated Automation (TIA)-Portfolio integriert. Das TIA Portal hält dabei eine wichtige Neuerung parat: Zusammen mit dem Siemens OPC UA Modeling Editor - kurz SiOME - machen wir es unseren Anwendern leicht, die Daten aus dem TIA Portal Variablenhaushalt auf Companion Specifications abzubilden", erläutert Stephan Schott. Solche Spezifikationen haben hohe Bedeutung für die weitere Standardisierung. Beispiel Verpackungsmaschinen: Hier sichert eine Companion Specification allen Maschinen, die den 'PackML'-Standard erfüllen, eine identische Schnittstelle für die Kommunikation nach außen - egal von welchem Hersteller sie gebaut wurden. 'Mission accomplished' also mit Profinet und OPC UA? Angesichts der rasanten Entwicklungen von Digitalisierung und der Anforderungen an das Internet der Dinge (IoT) steigt die Notwendigkeit höherer Bandbreiten, größerer Robustheit und einem garantierten Quality of Service (QoS). Komplexe Prozesse mit Echtzeitanforderungen werden auch außerhalb der Maschine neue Herausforderungen an die Kommunikation schaffen.
Profinet bleibt Maß der Dinge
Bei der Lösung dieser Zukunftsaufgaben fällt die Offenheit von Profinet-Netzwerken als entscheidender Vorteil ins Gewicht. "Wir werden unsere heutige Strategie eines leistungsstarken Profinet-Netzwerkes mit TSN weiterführen", bezieht Stephan Schott in dieser Frage auch klar Stellung. TSN - Time-Sensitive Networking - ist durch Weiterentwicklung des Ethernet-Standards in der IEEE802.1 entstanden. Es wertet die bestehenden Ethernet-Mechanismen um die Qualitäten auf, die künftig gefragt sein werden: erweiterte Quality of Service (QoS) Mechanismen, Zeitsynchronisation, geringe Übertragungslatenz und stoßfreie Redundanz. Nicht zuletzt basiert TSN auf geschützten Streams, die es ermöglichen, mehrere echtzeitfähige Protokolle wie Profinet und OPC UA PubSub parallel in einem Netzwerk zu betreiben - die Verwirklichung der geforderten Netzwerk-Konvergenz im Standard, die von Profinet heute schon im Feld bekannt ist. Welchen Technologie-Push dies ermöglichen wird, hat Siemens auf der Hannover Messe 2018 schon angedeutet - mit einem erstmals vorgestellten Modell zur M2M-Kommunikation, basierend auf OPC UA PubSub mit TSN. Wie im wirklichen Leben, war dabei eine Simatic S7-1500 Station über einen Kommunikationsprozessor an ein TSN-Netzwerk angebunden, das vollständig mit Netzwerkkomponenten aus der Scalance-Familie aufgebaut war. Wie es sich für zwei exzellent harmonierende Spieler gehört, wird aber nicht nur OPC UA von TSN profitieren: Die Profibus & Profinet International (PI) arbeitet derzeit an der Spezifizierung von Profinet auf TSN. So soll es möglich werden, Profinet mittelfristig ebenfalls auf die TSN-Mechanismen abzubilden und dessen Vorteile auch in der Feldebene nutzbar zu machen. Neben einer höheren Bandbreite für den immer stärker werdenden Traffic bieten vor allem die bei TSN entstehenden Standard Bausteine den Geräteherstellern künftig vielfältige Realisierungsmöglichkeiten für die Profinet Feldbusschnittstelle. Dass mit all dem erst der Anfang einer vielversprechenden Entwicklung gemacht ist, liegt auf der Hand. Auch deshalb beteiligt sich Siemens aktiv an der weiteren Erprobung von TSN im Testbed des Labs Network Industrie 4.0. Unter LNI4.0 werden Testumgebungen und -installationen in Deutschland für Industrie 4.0 miteinander vernetzt. Siemens gehört zu den Gründungsmitgliedern von LNI 4.0. Gemeinsam mit verschiedensten Industrieunternehmen setzt Siemens hier nun alles daran, um die Interoperabilität auf TSN-Basis zwischen verschiedenen Herstellern zu testen und im Testbed das Potenzial von TSN für die M2M-Kommunikation und die Vernetzung von Maschinen bis hin zur Cloud zu erforschen.
Investitionssicherheit und Dynamik auf einem Kabel
Als Fazit lässt sich festhalten, dass Siemens in der industriellen Kommunikation vor allem auf eins setzt - Kontinuität. "Während OPC UA seine Vorteile auf der M2M-, Daten- und Managementebene ausspielen kann, bietet Profinet mit seiner Deterministik, 'harten' Echtzeitfähigkeit und seinen standardisierten Profilen vor allem Stärken auf der Feldebene. Die Kombination aus beidem und die durchgängige Vernetzung werden auch in Zukunft mit TSN der Maßstab in der Automatisierung sein", betont Stephan Schott. Für Anwender ist dies zweifellos eine gute Nachricht. Dahinter steht die Tatsache, dass Siemens auf beide Standards setzt, beide komplementär miteinander im uneingeschränkten Parallelbetrieb anbietet und sich als Gründungsmitglied in beiden Organisationen - der PI und der OPC Foundation - einsetzt. Gemeinsam mit Siemens engagieren sich mehrere Dutzend namhafter globaler Unternehmen für die Weiterentwicklung des Ethernet-Standards. Die Aussichten, mit Profinet und OPC UA auf Basis von TSN nachhaltigen Investitionsschutz und hohe Dynamik in der Welt der Digitalisierung zu verbinden, stehen also sehr gut.
Auch auf der Hannover Messe 2018 war die industrielle Kommunikation als Schlüssel zum digitalen Unternehmen ein Besuchermagnet - verbunden mit der Frage: Wohin geht die Reise? Die Anforderungen an Transparenz, nahtlose Vernetzung und Durchgängigkeit sind die Grundlage moderner Kommunikationskonzepte. Gleichzeitig verlangt die Digitalisierung aber auch weiter steigende Reaktionsschnelligkeit und Flexibilität: Möchten Unternehmen flexibel auf die Anfragen aus dem Markt eingehen und somit die individuelle Massenproduktion umsetzen, so muss die Produktion hochgradig agil sein. Was ist der Preis dafür? Ein radikaler Umbau der Kommunikationslandschaft?
Ganz im Gegenteil, so die Überzeugung von Stephan Schott, Marketing Manager bei der Siemens AG "Industrial Ethernet ist und bleibt das zukunftssichere Netzwerk, auf das unsere Kunden auch weiterhin bauen können. Erstens bietet es langfristige Planungs- und Investitionssicherheit. Zweitens kombiniert es mit Profinet und OPC UA zwei führende Standards in einem Netzwerk, die jeweils ihre spezifischen Stärken ausspielen können - und nahtlos miteinander harmonieren. Und drittens profitieren Anwender von der Offenheit für neue Entwicklungen, die den notwendigen Technologieschub für die weitere Digitalisierung bringen. Aktuell betrifft dies vor allem Time-Sensitive Networking (TSN), das durch die Vereinigung mehrerer existierender Standards das Ethernet weiterentwickelt. Sowohl Profinet als auch OPC UA werden diese wichtige Basistechnologie in den kommenden Jahren als 'Turbo' zuschalten können". Was charakterisiert also Industrial Ethernet-Netzwerke mit Profinet (sogenannte Profinet-Netzwerke) heute, und welche zusätzlichen Eigenschaften werden sie mit TSN gewinnen?
Siemens AG
Dieser Artikel erschien in Industrial Communication Journal 2 2018 - 15.05.18.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de