Gebäude- und Industrieautomation bis in die Cloud
Eine zentrale Herausforderung in einer zunehmend vernetzten Welt ist der sichere, standardisierte Daten- und Informationsaustausch zwischen Geräten, Maschinen und Diensten auch aus verschiedenen Branchen. Ist innerhalb der Gebäudeautomation BACnet (Building Automation and Control networks) der Defacto-Standard für den Datenaustausch so ist in der Industrieautomatisierung OPC UA (Unified Architecture) als Standard gesetzt für Industrie4.0: Bereits im April 2015 hat das RAMI 4.0 (Reference Architecture Model for Industrie 4.0) den IEC62541-Standard OPC UA als einzige Empfehlung für die Umsetzung des Kommunikationslayers gelistet.
Im November 2016 hat die Plattform Industrie 4.0 eine Checkliste veröffentlicht, welche die Produkthersteller befähigt, ihre Produkte in den Kategorien Industrie 4.0 ?Basic?, ?Ready? oder ?Full? einstufen und bewerben zu können: Bereits die niedrigste Stufe listet bei dem Kriterium ?Industrie-4.0-Kommunikation? die Anforderung, dass das Produkt im Netzwerk online per TCP/UDP oder IP mit mindestens dem Informationsmodell von OPC UA ansprechbar sein muss. Wer also mit dem Produktstempel ?Industrie-4.0-enabled? werben will, muss OPC UA-fähig sein - integriert oder per Gateway. Explizit wird auch die Eigenschaft der Informationsmodellierung von OPC UA hervorgehoben.
BACnet, MQTT oder OPC UA?
Informationsmodellierung? Viele kleinere und mittlere Unternehmen schalten hier bereits ab. Und überhaupt: Wird hier OPC UA mit BACnet verglichen und sollte nicht sowieso MQTT genutzt werden da ?BACnet oder auch OPC UA direkt bis in die Cloud geht nicht ? oder??
Zunächst: der Schlüssel für IIoT und Industrie4.0 liegt nicht in den Protokollen und auch nicht wirklich in den Rohdaten sondern in den Informationen ? also dem Verständnis und der Bedeutung der Daten und deren sicherem Austausch. Und genau hier treten BACnet und OPC UA nicht gegeneinander an sondern die Kombination beider liefert eine herausragende Bedeutung:
OPC UA ist primär kein Protokoll, sondern viel mehr ein Framework für industrielle Interoperabilität: Die Beschreibung der objektorientierten Informationen kommen dazu aus dem BACnet Standard. OPC UA liefert die Interoperabilität in andere Branchen mit Zugriffsrechte und der integrierten IT-Security und dem bi-direktionalen Informationstransport bis in die Cloud. Das deutsche BSI hat die Ergebnisse der OPC UA-Sicherheitsanalyse bereits im April 2016 veröffentlicht und sich dabei sehr positiv über OPC UA geäußert. Beim Gebäudeautomatisierer verbleibt damit die volle Kontrolle über die Daten, das heißt er kann sie gezielt und kontrolliert verteilen und somit auch an Big Data und der Analyse seiner Daten monetär teilhaben.
Um Daten auszutauschen, vereinigt OPC UA zwei Mechanismen für die Umsetzung unterschiedlicher Szenarien:
? Ein Client-Server-Modell, in dem OPC UA-Clients die dedizierten Dienste des OPC UA-Servers nutzen. Dieser Peer-to-peer-Kontext wird genutzt für den sicheren, bestätigten Informationsaustausch ? aber mit Einschränkungen in der Anzahl der Verbindungen.
? Ein Publisher-Subscriber-Modell, bei dem ein OPC UA-Server konfigurierbare Untermengen von Informationen für eine beliebige Anzahl Zuhörer verfügbar macht. Diese Broadcast-Verteilung an viele agiert unter dem Aspekt ?Fire and forget? als unbestätigter Informationsaustausch.
OPC UA bietet beide Mechanismen ? wichtig ist aber: Sie sind losgelöst vom eigentlichen Protokoll umgesetzt! So stehen TCP und HTTPS für die Client-Server sowie UDP, AMQP und MQTT für das Subscriber-Modell zur Verfügung.
Die Frage ?per BACnet oder OPC UA oder MQTT in die Cloud? stellt sich also nicht: BACnet Objekte gemappt in OPC UA stehen über viele Mechanismen ? auch MQTT ? direkt zur Verfügung. Standardisiert und sicher.
Gemeinsame BACnet und OPC UA Aktivitäten gestartet in 2012
Die Organisationen BACnet Interest Group Europe (?BIG-EU?) und die OPC Foundation (?OPCF?) haben daher bereits 2012 eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet mit dem Ziel, den Austausch von Daten aus der Gebäudeautomation zu Industriesystemen mit einem standardisierten Informationsmodell zu vereinheitlichen.
Besetzt mit hochkarätigen Experten aus beiden Branchen nahm die Gruppe schnell ihre Arbeit auf und hat nach vielen Sitzungen und Telefonkonferenzen ein Dokument veröffentlicht, das auf insgesamt 180 Seiten die Abbildungsmöglichkeiten von Daten aus der Gebäudeautomation in die Industrie- oder Enterprise-Systeme beschreibt. Aktiv unterstützt wurde die Arbeitsgruppe neben der BIG-EU und OPCF vor allem durch die ASHRAE (American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers), welche in der Arbeitsgruppe SSPC-135 den BACnet-Standard entwickelt hat und weiter entwickelt.
Für Anwender, die eine einheitliche Schnittstelle zwischen beiden Welten schaffen möchten, steht das Arbeitsergebnis als kostenloser und frei anwendbarer Download (siehe Kasten) zur Verfügung.
Eine erste Implementierung eines Kommunikationsgateways von BACnet/IP zu OPC UA wurde von der Firma Connex-Soft GmbH aus München auf der diesjährigen Messe light+building in Frankfurt vorgestellt. Dabei werden die Daten aus BACnet Geräten von insgesamt 8 Herstellern über ein zentrales Gateway aufgeschaltet und mit Hilfe des Informationsmodells einheitlich der übergeordneten Visualisierung und bis in die Microsoft Azure Cloud zur Verfügung gestellt. Dort werden die Daten der BACnet-Geräte dann visualisiert und dem Anwender grafisch präsentiert.
Das Informationsmodell beschreibt nicht nur die Übertragung einfacher Daten wie Soll- und Istwerte, sondern spezifiziert darüber hinaus die Möglichkeiten, wie komplexe Datentypen übertragen werden. Mit der Abbildung von Alarm- und Ereignismeldungen, der Verarbeitung von Kalender- und Zeitschaltfunktionen, der Übertragung aufgezeichneter Trendlogdaten sowie dem Management-Zugriff auf die Automationsstationen (Neustart, Kommunikationssteuerung, Uhrzeitsynchronisation, u.v.m.) ergibt sich eine Integrationstiefe, die ansonsten nur mit proprietären, also Hersteller-spezifischen Systemen, möglich wird. Das ?BACnet OPC UA Information Model? beschreibt also, wie diese beiden offenen und Hersteller-neutralen Kommunikationsstandards perfekt miteinander harmonieren.
Bild 2 zeigt die datentechnische Abbildung eines Analogwertes aus BACnet in OPC UA basierte Datenstrukturen. Die sogenannten Properties, also Eigenschaften eines BACnet Objektes, werden über eine einheitliche Struktur an OPC UA übertragen. Dabei werden auch die objektorientierten Möglichkeiten von OPC UA wie z.B. Vererbung genutzt. So wird also von einem allgemeinen ?BACnetObectType? auf einen ?BACnetAnalogType? und letztendlich dann auf einen ?BACnetAnalogInputType? abgeleitet. Mit diesem schlanken Modell lassen sich Ist-und Sollwerte wie auch Parameter einheitlich abbilden.
Alarme und Ereignisse werden auf ähnliche Weise mit den unterschiedlichen Algorithmen abgebildet, wie Bild 3 exemplarisch zeigt.
Für den Zugriff auf das Gerät selbst wurden neben der Datenabbildung auch Methodenaufrufe festgelegt, mit denen u.a. die aktuelle Uhrzeit an die Automationsstationen weiter gegeben werden kann, um diese zu synchronisieren.
Zeitschaltpläne und Kalender lassen sich ebenso wie aufgezeichnete Trendlogdaten aus den BACnet-Objekten auf OPC UA Strukturen übertragen. Aufgrund dieser komplexen Datenstrukturen wurde in OPC UA hierfür die Unterstützung von UNION-Datentypen (Zusammenfassung mehrerer Datentypen in einer einheitlichen Datenstruktur) implementiert.
Insgesamt spezifiziert das Informationsmodell folgende Datenabbildungen:
BACnet Objects/Properties ? OPC UA Object Types
BACnet Events ? OPC UA Alarms & Conditions
BACnet Logging ? OPC UA Historical Access
BACnet Data Structures ? OPC UA Structure Data Types
BACnet Units ? OPC UA Engineering Units
Im Wesentlichen konzentriert sich das Informationsmodell also auf die Abbildung und Übertragung der Daten selber, nicht jedoch auf die Kommunikation, wie diese ermittelt werden. Typischerweise wird BACnet über das Internetprotokoll (BACnet/IP) verwendet, was jedoch nicht zwingend vorgeschrieben ist. Auch Feldgeräte über MS/TP oder andere BACnet-Netzwerkmedien lassen sich aufschalten. Ebenfalls ist die Art und Weise der Informationsermittlung nicht vorgeschrieben. So könnte wahlweise ein zyklisches Polling (ReadProperty oder ReadPropertyMultiple) verwendet werden, aber auch die Übertragung geänderter Werte über COV (ChangeofValue, also selbstständige Meldung von Wertänderungen) kann genutzt werden.
Die Anwendungsfälle für diese Schnittstelle sind dabei höchst vielfältig. So lassen sich komfortabel und vor allem interoperabel die aktuellen Betriebs- und Verbrauchsdaten der Gebäude an Industrieprozesse weitergeben. Ebenfalls ist der Einsatz von Enterprise-Systemen zur Überwachung oder sogar zum Engineering der betriebstechnischen Anlagen denkbar. Zusätzlich lassen sich Geräte aus dem Bereich Building Automation in Cloudsysteme einbinden und mit Analysefunktionen überwachen. So könnte z.B. ein Rohrbruch rechtzeitig anhand von Anomalien erkannt werden, wenn beispielsweise in einem Bürogebäude am Wochenende ein extrem hoher Wasserverbrauch festgestellt wird.
Zusätzlich lassen sich bei der Kopplung von Gebäude- und Industriesystemen hohe Potenziale zur Energieeffizienz nutzen. Denkbar ist u.a. die Nutzung von Abwärme aus Industrieprozessen für Heizungssysteme oder die Überwachung der Industrieprozesse durch die Gebäudeautomation. Produktionsbedingungen wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, usw. können aufgezeichnet und zusammen mit den Daten der Industrieprozesse in Verbindung gebracht werden, z.B. für die Rückverfolgbarkeit von Chargen.
Voraussetzung für solche Kopplungen sind in jedem Fall einheitlich festgelegte Schnittstellen. Das hier vorgestellte BACnet OPC UA Information Model ist hierfür hervorragend geeignet.
Autoren:
Stefan Hoppe ist Globaler Vize Präsident der OPC Foundation
Frank Schubert ist bei Beckhoff Automation in Verl für die Bereiche Marketing und Training Building Automation zuständig. Er unterstützt die Gremienarbeit für BACnet in zahlreichen Organisationen und hält u.a. Seminare für den Verein Deutscher Ingenieure.
((Kasten))
Weblinks:
Download des Informationsmodells:
http://www.big-eu.org/fileadmin/downloads/BACnet_OPC_UA_Information_Model.pdf
Webseite der OPC Foundation, u.a. mit zwei Videos zum Thema:
https://opcfoundation.org/markets-collaboration/bacnet/
Kontakt zur Arbeitsgruppe:
Matthias Damm: Matthias.damm@ascolab.de
Frank Schubert: F.Schubert@beckhoff.com
((Kastenende))
((Kasten)) Statement Michael Hädrich, Geschäftsführer R/D ConneXSoft, München
Die Qualität der Integration spielt bei den heutigen großen verteilten Systemen eine immer wichtigere Rolle. OPC UA wurde konzipiert, um neben dem sicheren Zugriff auf die reinen Datenpunkte das dazugehörige Modell im Kontext zur Verfügung zu stellen. Gerade im Zusammenhang mit BACnet und dem offiziellen ASHRAE NodeSet Standard haben wir hier die perfekte Kombination, um die wichtigen gebäudespezifischen Strukturinformationen übertragen zu können. Damit wird die Vision Realität aus reinen Felddaten eine komplette Applikation automatisiert zu generieren. Nicht nur für lokale Systeme, sondern gerade im Zusammenhang mit IIoT und BigData ist diese Funktion entscheidend.
Eine zentrale Herausforderung in einer zunehmend vernetzten Welt ist der sichere, standardisierte Daten- und Informationsaustausch zwischen Geräten, Maschinen und Diensten auch aus verschiedenen Branchen. Ist innerhalb der Gebäudeautomation BACnet (Building Automation and Control networks) der Defacto-Standard für den Datenaustausch so ist in der Industrieautomatisierung OPC UA (Unified Architecture) als Standard gesetzt für Industrie4.0: Bereits im April 2015 hat das RAMI 4.0 (Reference Architecture Model for Industrie 4.0) den IEC62541-Standard OPC UA als einzige Empfehlung für die Umsetzung des Kommunikationslayers gelistet.
Im November 2016 hat die Plattform Industrie 4.0 eine Checkliste veröffentlicht, welche die Produkthersteller befähigt, ihre Produkte in den Kategorien Industrie 4.0 ?Basic?, ?Ready? oder ?Full? einstufen und bewerben zu können: Bereits die niedrigste Stufe listet bei dem Kriterium ?Industrie-4.0-Kommunikation? die Anforderung, dass das Produkt im Netzwerk online per TCP/UDP oder IP mit mindestens dem Informationsmodell von OPC UA ansprechbar sein muss. Wer also mit dem Produktstempel ?Industrie-4.0-enabled? werben will, muss OPC UA-fähig sein - integriert oder per Gateway. Explizit wird auch die Eigenschaft der Informationsmodellierung von OPC UA hervorgehoben.
OPC Foundation Europe
Dieser Artikel erschien in 09 2018 - 16.05.18.Für weitere Artikel besuchen Sie www.gebaeudedigital.de