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Per Funk ins Industrielle Internet der Dinge

NB-IoT als Game Changer?

Mit NB-IoT greifen die Mobilfunkanbieter in Europa den Markt für Lowpower-Sensornetze an und haben dabei gute Chancen, den Markt von hinten aufzurollen und für sich zu erobern. Allerdings lauern im Detail auch Risiken, die es zu bedenken gilt.

Bild: mm1 Consulting & ManagementBild: mm1 Consulting & Management

Der Mobilfunkmarkt und seine Standardisierung blicken auf eine lange und durchaus erfolgreiche Geschichte zurück. Komplexe mobile Infrastrukturen werden seit vielen Jahren zuverlässig bereitgestellt, gewartet und weiterentwickelt. Nun kommt eine neue, vielversprechende Technologie ins Spiel: NB-IoT (Narrowband Internet of Things) hat das Potential den Markt gründlich aufzumischen. Die drahtlose Funktechnologie gehört zu den sogenannten Low Power Wide Area Networks (LPWAN) und setzt auf dem Mobilfunkstandard LTE auf. NB-IoT wurde konzipiert, um dem steigenden Bedarf an niedrigratiger Datenkommunikation gerecht zu werden.

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Hohe Verfügbarkeit - niedrige Kosten

Punkten kann NB-IoT mit perspektivisch globaler Verfügbarkeit und niedrigen Kosten durch Nutzung der bestehenden Infrastruktur der Mobilfunk-Dienstleister. Für weite Teile der Infrastruktur kann NB-IoT durch Firmware Updates bereitgestellt werden, wodurch sich der Investitionsaufwand bei den Mobilfunkbetreibern in Grenzen hält. Zudem sind sie damit in der Lage, in relativ kurzer Zeit ein flächendeckendes NB-IoT-Netz anzubieten, das durch höhere Reichweite und bessere Gebäudedurchdringung bisherige GSM-Lücken füllen kann. Das wirkt sich auch auf die Preise aus, die deutlich unter den bisherigen M2M-Preisen liegen. In Deutschland hat der Anbieter 1NCE ein Kampfangebot für NB-IoT angekündigt: 10? für zehn Jahre Laufzeit und 500MB Datentransfer - Gute Argumente für Firmen, auf die neue Technologie aufzuspringen.

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Verbesserungsbedarf bei Modulen

Die NB-IoT-Module sind allerdings Neuentwicklungen und dementsprechend zeigen die ersten Praxiseinsätze noch erheblichen Verbesserungsbedarf - sowohl, was die Stabilität der Firmware angeht, als auch bei Energieverbrauch, Kosten und Baugröße der Module. Es ist aber zu erwarten, dass in den kommenden zwei Jahren in relativ kurzen Intervallen neue Versionen der NB-IoT-Module auf den Markt gebracht werden. Solange, bis eine technische Reife erreicht ist. Zunächst können daher für Unternehmen hohe Kosten entstehen, weil häufige Redesigns der Produkte notwendig werden, aber auch, weil bestimmte Business Cases im Moment noch nicht aufgehen und zunächst zu einem Zuschussgeschäft für die Firmen werden. Trotz aller Erfahrung der Mobilfunkunternehmen in der Installation und im Betrieb komplexer Systeme muss auch hier der Praxistest im Massenbetrieb erst noch bestanden werden. Die bisherigen Tests in Städten wie Berlin, Stuttgart oder Bonn zeigen jedoch zuverlässige und stabile Kommunikation.

Netzübergreifendes Roaming

Auch eine weitere wesentliche Herausforderung wurde bis heute noch nicht gemeistert: das netzübergreifende Roaming. Das zuständige Konsortium 3GPP arbeitet zwar daran, im April 2018 war der Standard aber noch nicht verabschiedet. Somit ist nicht klar, wie Hersteller Produkte aus einer Hardware in mehreren europäischen Ländern anbieten oder betreiben können, was ein wesentliches Risiko für Business-Cases darstellt. Dies betrifft übrigens nicht nur die reine Connectivity-Dienstleistung, sondern in viel stärkerem Maße die Anbindung an Backend- und Cloudsysteme. Um möglichst datensparsam und energieeffizient zu sein, nutzt NB-IoT standardmäßig UDP-Kommunikation. Eine einfache und vor allem sichere Anbindung an gängige Schnittstellen moderner Backend-Systeme wie REST oder MQTT ist damit nicht ohne weiteres möglich. Die Überbrückung dieser Hürde wird bisher von jedem Anbieter unterschiedlich gelöst. Die Deutsche Telekom z.B. setzt auf MQTT-SN und eine Brücke zum hauseigenen MQTT-Broker, A1 in Österreich wiederum spricht CoAP und Lightweight M2M (OMA LWM2M). Bei einem Wechsel zwischen beiden Providern müsste die Software auf den Endgeräten teilweise umfassend geändert werden, was bei bereits installierten Systemen zu zusätzlichen Kosten (Datentransfer für Firmware Update over the Air) und Ausfallrisiken durch z.B. fehlgeschlagene oder unterbrochene Updates führen kann.

Stabilität der Netze

Unbestritten hat NB-IoT großes Potential. Wenn sich die technischen Leistungsdaten realisieren lassen und attraktive kommerzielle Modelle möglich sind, ist durchaus denkbar, dass der LPWAN-Markt in einigen Jahren von NB-IoT dominiert wird. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg und mit Massenprodukten auf NB-IoT-Basis sollte nicht vor 2019 gerechnet werden. Stabile, deutschlandweite Netze sind wohl frühestens Ende 2018 zu erwarten und bis dahin haben die Mobilfunkbetreiber noch eine Menge Arbeit zu erledigen. Auch die LPWAN-Alternative SigFox schläft nicht und wird mit zunehmender flächendeckender Verfügbarkeit eine ernsthafte Konkurrenz für NB-IoT darstellen. Und zumindest in einigen Ländern - z.B. Schweiz - haben Telcos begonnen LoRaWAN-basierte Netze aufzubauen und als Service anzubieten. Am Ende wird neben dem Preis für Module und Plattformnutzung vor allem die Stabilität der Netze und die Flexibilität in der Abbildung der vielfältigen Use Cases ausschlaggebend für den Erfolg der Technologie sein. Hier hat NB-IoT gegenüber seinen Mitbewerbern SigFox und LoRaWAN Vorteile durch globale Verfügbarkeit, höhere Bandbreite und breitere Varianz an verfügbarer Hardware. Letztlich muss für jeden Use Case individuell anhand der spezifischen Anforderungen bewertet werden, welche der Technologien am besten passt. Es gilt wie immer im Funkbereich: There is no one size fits all!

mm1 Consulting & Management

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 6 2018 - 12.06.18.
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