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Kolumne von Michael Lind

Cobot? Ja nee, is' klar

Das Grinsen der Beteiligten kann kaum breiter sein: Für die Veranstalter der Automatica 2018 und 96 Prozent ihrer fast 900 Aussteller war diese Fachmesse ein voller Erfolg. Auch die überwiegende Mehrheit der 46.000 internationalen Besucher verliehen ihr Prädikat von 'Gut' bis 'Ausgezeichnet'. Doch es gibt Fragen.

Bild: Michael LindBild: Michael Lind

Mit Blick auf die Automatica stellt sich zunächst die Frage nach den Gründen für eine derart hochgradige Gemeinschaftseuphorie - und danach, in welchem Maße sie sich im geschäftlichen Alltag auswirken werden? Interessant ist auch zu erfahren, welche der in München vorgestellten Automatisierungslösungen die produzierende Industrie tatsächlich braucht und welche nur 'nice to have' sind? Und nicht zuletzt dürfte interessieren, welche der Roboterbauer aus China und Südkorea - die sich ziemlich selbstbewusst auf der Automatica präsentiert haben - in Deutschland und Europa erfolgreich Fuß fassen könnten. Um es vorweg zu nehmen: Das Format dieser Kolumne reicht nicht, um alle Aspekte angemessen zu analysieren. Ich beschränke mich daher auf die kollaborative Robotik.

Das Stimmungshoch ist der seit Jahren positiven Geschäftsentwicklung in der einheimischen Roboter- und Automatisierungsbranche geschuldet. Ihr Umsatz stieg zwischen 2013 und 2017 um 4,1 Milliarden Euro auf zuletzt 14,5 Milliarden Euro. Im laufenden Geschäftsjahr erwartet der VDMA-Fachverband Robotik und Automation ein neuerliches Plus von neun Prozent. Im In- und Ausland ist die Nachfrage nach Montage- und Handhabungstechnik, Robotern und IBV-Lösungen 'Made in Germany' ungebrochen groß. Die Kehrseite der Medaille: Zwei Drittel der hiesigen Maschinen- und Anlagenbauer und Systemintegratoren arbeiten am Kapazitätslimit, noch mehr beklagen den Mangel an Fachkräften. Viele Kunden müssen mittlerweile mehr als ein Jahr lang auf die Installation der georderten Anlagen warten. Diese Situation dürfte sich eher noch verschärfen, denn viele auf der Automatica gezeigte Automatisierungslösungen haben bei Fachbesuchern und Investoren augenscheinlich Begehrlichkeiten geweckt.

Ob dazu auch der Dualarmroboter W-01 von Epson gehört, wird sich zeigen. Haben doch ABB, Kawada, Kawasaki, Nachi, Toshiba und Yaskawa bereits seit einigen Jahren solche zweiarmigen Geräte für Montage- und Handhabungsoperationen im Portfolio. Wie die sich allerdings verkaufen, darüber schweigen leider alle Anbieter. Übrigens: Für das junge und hierzulande weitgehend unbekannte japanische Unternehmen Kawada Robotics war die Teilnahme an der Automatica der erste Schritt in Richtung Europa und Deutschland. Als Messeaussteller hat Doosan Robotics aus Südkorea ebenfalls klares Interesse am hiesigen Markt bekundet und das gleich mit seiner kompletten Palette an kollaborierenden Robotern. Unklar ist allerdings, mit welchen Strategien die Tochter des Baumaschinenkonzerns Doosan hier Kunden gewinnen will. Gleiches gilt für Siasun - nach eigener Ansicht der führende chinesische Roboterbauer -, der neben Industrie- und Servicerobotern einen siebenachsigen Cobot mit 5kg Traglast im Programm hat.

Die hierzulande arrivierten Hersteller präsentierten auf der Automatica neben bereits bekannten auch neue kollaborierende Roboter. ABB hat den zweiarmigen Cobot YuMi einer Schönheits-OP unterzogen und einen Arm amputiert, um ihn angeblich agiler zu machen. Fanuc schließt mit dem Cobot CR-15iA (15kg Traglast) die Lücke zwischen dem bereits bestens eingeführten 35kg-Gerät und seinen kleineren Modellen mit 4 bzw. 7kg Traglast. Isybot, ein ganz junges Unternehmen aus Frankreich, war auf der Automatica mit einem Cobot für Schleif- und Polierapplikationen vertreten. Eine Anwendungsnische. Gesetzt den Fall, Isybot hat auf der Automatica Aufträge generieren können, bleibt die Frage, wie man sie abarbeiten will. Die Produktionskapazitäten scheinen eher denen einer Manufaktur zu gleichen.

Dass Pilz sich tatsächlich auch als Roboterbauer einen Namen machen will, ist eher unwahrscheinlich. Der zweiarmige Cobot des Sicherheitsspezialisten aus Ostfildern war allerdings schon ein richtiger Hingucker. Cobot-Pionier Universal Robots aus Dänemark hat auf der Automatica den ersten Vertreter seiner E-Serie mit neuen Sicherheitsfunktionen und integriertem Kraft-Momenten-Sensor vorgestellt. Seltsamerweise sehen die siebenachsigen Leichtbau-Cobots von Kassow Robots - ebenfalls aus Dänemark - den UR-Robotern nicht unähnlich. Ein Zufall? Fragen über Fragen.

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Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 4 2018 - 17.09.18.
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