Branchenorientierte Companion Specifications für OPC UA
Der Trend und seine Herausforderungen
Der Trend zu branchenübergreifenden OPC UA Companion Specifications bringt einige Herausforderungen mit sich, z.B. die branchenweite Abstimmung von Inhalten eines Informationsmodells. Um dieser Situation mit einem vereinheitlichten Vorgehen zu begegnen, wird zusammen mit vielen Hinweisen für Organisatoren, Moderatoren und Teilnehmer durch den VDMA-Arbeitskreis ein Leitfaden als Einheitsblatt veröffentlicht. Um den Anspruch des Leitfadens nach Wiederverwendung zu unterstützen, wird als weiteres Hilfsmittel eine Darstellung der Zusammenhänge zwischen Companion Specifications untereinander und den zugrunde liegenden Standards vorgestellt.
In den letzten fünf Jahren beschäftigen sich immer mehr Unternehmen vertieft mit OPC UA beschäftigen und definieren zunehmend über Fachverbände Companion Specifications. Betrachtet man die Architektur von OPC UA, konzentrierten sich bisherige Aktivitäten und Produkte auf herstellerspezifische Informationsmodelle. Somit konnte der herstellerübergreifende Standard lediglich auf der Ebene der Grundmechanismen (Transport, grundlegende Modellierungsregeln, Basisdienste) genutzt werden. Durch die wachsende Bedeutung von Interoperabilität aufgrund der zunehmenden Umsetzung von Industrie-4.0-Ansätzen etablieren sich - oft unter dem Dach eines Fachverbandes - Arbeitskreise zur Spezifikation branchenweit standardisierter Informationsmodelle. Eine branchendefinierte Companion Specification erleichtert den Ein- oder Umstieg einzelner Unternehmen in OPC UA als Kommunikationsstandard durch ein vorbereitetes Informationsmodell. Dieser Parametersatz kann als Standardschnittstelle für eine Vielzahl an Anwendungen aus der Branche dienen.
Wägetechnik und Werkzeugmaschinen
So ist aktuell auch im VDMA eine Vielzahl von Fachverbänden im Bereich OPC UA aktiv. Aus diesen Aktivitäten sind bisher mehrere Release Candidates sowie auch finale Companion Specifications für die Fachverbände der jeweiligen Branche entstanden. So erarbeitete z.B. der VDW in seiner ersten Spezifikation (Veröffentlichung Juli 2017) eine Schnittstelle zur Anbindung von HMIs an CNC-Steuerungen. Der Fokus lag auf der Standardisierung von maschineninterner Kommunikation. In seiner aktuellen Aktivität strebt der VDW hingegen, analog zur Fachabteilung Wägetechnik im VDMA, eine standardisierte Außenschnittstelle der jeweiligen Produktklassen zu übergeordneten Systemen (z.B. ERP, MES oder Cloudapplikationen) an. So reduzieren sich die Aufwände für kundenspezifische Anpassungen bei der Anbindungen an diese Systeme. Der Fokus kann dann auf die Kernkompetenz der Werkzeugmaschinen- oder Waagenhersteller gelegt werden, die in der Weiterentwicklung und Verbesserung ihrer Produkte und dem dafür notwendigen Domänenwissen besteht. Die Arbeitsgruppen bestehen aus acht bzw. zwölf Unternehmen der jeweiligen Branchen, die ein breites Spektrum der Branchenverbände abdecken. Die Heterogenität in den Unternehmen soll die spätere Akzeptanz durch die restliche Branche sichern, da unterschiedlichste Maschinentypen, aber auch Anwendungsszenarien betrachtet werden. Gleichzeitig erhöht sich jedoch der Aufwand für die Abstimmung und Einigung auf einen gemeinsamen Parametersatz. Ein zielgerichtetes Vorgehen ist daher Grundvoraussetzung für ein zügiges Vorankommen und um sicherzustellen, dass die Themen in voller Breite betrachtet werden bevor das Informationsmodell im Detail definiert wird. Die Fokussierung auf die domänenspezifische Kernkompetenz bedeutet häufig, dass das technische Vorwissen zu den umfangreichen und generischen Modellierungsmöglichkeiten von OPC UA nur in geringem Umfang vorhanden ist. Daher erlaubt ein möglichst hohes Abstraktionslevel den Domänenexperten, ihr Wissen in Struktur zu bringen, ohne sich mit Details der OPC-UA-Umsetzung zu befassen.
Leitfaden für Companion Specifications
Die OPC Foundation definiert als Vorgabe für Companion Specifications in erster Linie eine Dokumentenvorlage sowie die Abgabe eines Nodeset-XML. Ein standardisiertes Vorgehen zur Erarbeitung der Inhalte oder speziell zur OPC-UA-Informationsmodellierung existiert nicht. Erfahrungen zu wiederkehrenden Problemstellungen aus Arbeitskreisen wie den genannten Beispielen zeigen jedoch, dass eine einheitliche Methode hilfreich für die Erstellung neuer Spezifikationen wäre. Der VDMA gründete deshalb einen Arbeitskreis, um seinen Fachverbänden Hilfestellung zu geben und eine größere Einheitlichkeit im Verband zu erreichen. Der Leitfaden soll ein Werkzeug sein, Erfahrungswerte und daraus abgeleitete Empfehlungen aus bisherigen Aktivitäten zu Companion Specifications zu vermitteln. Hierzu wurden Erfahrungen aus abgeschlossenen und laufenden Arbeiten analysiert und verglichen. Dabei zeigte sich wie erwartet zunächst ein klarer Bedarf nach organisatorischen Vorgaben und Hilfsmitteln (z.B. Vorlagen oder Working Group Charters). Zudem fiel auf, dass viele bisherige Arbeitsgruppen zu Beginn ihrer Arbeit viel Zeit durch die Auseinandersetzung mit den Merkmalen der Technologie OPC UA und der Ableitung eines geeigneten Vorgehens für den Weg vom Domänenwissen zur Companion Specification verloren. Im Ergebnis waren die Vorgehensmodelle jedoch alle sehr ähnlich. Daher lag es nahe, zukünftigen Arbeitsgruppen den Einstieg in die Arbeit durch ein standardisiertes, aber ausreichend flexibles Vorgehensmodell zu erleichtern, welches durch entsprechende Dokumentvorlagen unterstützt wird.
Einheitlich und wiederverwendbar
Zu all diesen Aspekten wurde in mehreren Arbeitstreffen von einer Gruppe aus Industrie-, Verbands- und akademischen Vertretern die Grundlage eines Prozesses zur Erarbeitung von OPC UA Companion Specifications entwickelt. Sie erläutert zunächst die Motivation für das einheitliche Vorgehen und die Trennung von Domänen- und Modellierungswissen. Danach sind in einer durchgängigen Strukturierung die jeweiligen Informationen wie Voraussetzungen und Ergebnis, Hilfsmittel, mögliche Methoden und organisatorische Punkte zu jeder Phase aufgeführt. Dabei werden auch das organisatorische Vorgehen bei der OPC Foundation sowie die Vorgaben des VDMA berücksichtigt. Neben der Vereinfachung für die Arbeitskreise und der Einheitlichkeit des Vorgehens ist ein weiteres wichtiges Ziel des Dokuments, die Wiederverwendung bereits modellierter Aspekte in den im VDMA erstellten Companion Specifications zu fördern. Entsprechende Vorgaben und Prozesse werden derzeit im VDMA erarbeitet. Da der hierfür erforderliche Abgleich zwischen bestehenden und entstehenden Companion Specifications anspruchsvoll ist, wurden am ISW und in Kooperation mit dem Maschinenbauer Trumpf Darstellungen entwickelt, die die Zusammenhänge zwischen Companion Specifications untereinander und den zugrunde liegenden Standards darstellen. Die Realisierung soll in absehbarer Zeit als Open-Source-Projekt veröffentlicht und so durch alle Interessierten weitergepflegt und aktuell gehalten werden.
Vorgehensmodell im Detail
Die Mitglieder typischer Arbeitskreise zur Erstellung von Companion Specifications kommen aus Unternehmen mit unterschiedlichen Perspektiven und Ökosystemen. Meist existieren dort bereits hausinterne Standards, die untereinander unterschiedlich große Überdeckungen an abgebildeten Informationen besitzen. Ein abstrahiertes Vorgehen soll die gemeinsamen Schnittmengen sichtbar machen, Missverständnisse bei Begriffen vermeiden und einen realistischen Zeitplan vorgeben. Außerdem unterstützt es die Mitglieder der Arbeitskreise durch die vorgegebene Methode dabei, eine gemeinsame Sprache zu finden, sodass jeder Teilnehmer die eigenen Erfahrungswerte vermitteln und mit denen der anderen Teilnehmer abgleichen kann, um schlussendlich zu einer gemeinsamen Sicht zu kommen. Die Abstraktion wird durch die Unified Modeling Language (UML) als Werkzeug unterstützt, da sie als neutrale Übersetzungsebene zwischen Domäneninformationen und OPC-UA-Darstellung dient. Dies bot sich an, da sich bei der Betrachtung verschiedener aktuell verwendeter Vorgehen in den begleiteten Arbeitskreisen ein an UML angelehntes Verfahren herauskristallisierte, das sich am Beispiel der Wägetechnik in vier Schritten zusammenfassen lässt:
a) Im ersten Schritt werden Rollen identifiziert. Hierbei handelt es sich um sämtliche Kommunikationspartner, die mit dem Produkt interagieren (z.B. HMI oder MES) und im Rahmen der Companion Specification betrachtet werden sollen. Die Zusammenhänge werden in einem Rollendiagramm dargestellt.
b) Use-Cases beschreiben im nächsten Schritt konkrete Aktivitäten, welche von den ermittelten Rollen am Produkt durchgeführt werden können. Die Zuordnung der Aktivitäten zu den Rollen wird innerhalb des Use-Case-Diagramms dargestellt.
c) Die Aktivitäten aus den Use-Cases werden im Anschluss in so genannten Aktivitätsdiagrammen detailliert dargestellt. Hierbei gilt es ebenfalls, auf externe Informationen, unterlagerte Sub routinen oder alternative Möglichkeiten zum Ablauf zu achten. Dazu erfasst zunächst jedes Arbeitskreis-Mitglied die notwen digen durchzuführenden Schritte einer Aktivität aus seiner Per spektive. Im Anschluss werden diese Ergebnisse übergreifend zusammengeführt.
d) Der letzte Schritt dient der Erfassung aller Parameter und der dazugehörigen Meta-Informationen (z.B. Datentyp, Dimension oder Schreib/Leserechte), die zur Durchführung der Aktivitäten benötigt werden. Diese sogenannten Parameterlisten sind nun über Aktivitäten und Use-Cases einer Rolle zugeordnet und stellen die inhaltliche Grundlage für die OPC-UA-Informations modellierung dar.
Die Informationen für jeden Schritt werden durch die Arbeitskreismitglieder zunächst innerhalb der eigenen Unternehmen gesammelt. Jeder Schritt untergliedert sich folglich in eine Sammlung und eine gemeinsame Konsolidierung im Rahmen des Arbeitskreises, um die einzelnen Rückmeldungen einheitlich zusammenzufassen. Die Durchführung der oben genannten Schritte dient als verallgemeinerte Methode, technologie- und domänenunabhängig alle notwendigen Parameter und deren Relationen zueinander zu erfassen. Mit den nun vorliegenden Informationen wird das OPC-UA-Informationsmodell erstellt. Aufgrund der Meta-Informationen rund um den Use-Case jedes Parameters können OPC-UA-Elemente (Variable, Methode, Event) passend bestimmt und definiert werden. Bringen die Arbeitskreismitglieder wie eingangs beschrieben kein ausreichendes OPC-UA-Wissen mit, können hierbei externe Modellierungsexperten unterstützen.
Veröffentlichung als Einheitsblatt
Der VDMA plant den Prozess zur Erstellung von OPC UA Companion Specifications als VDMA-Einheitsblatt 40.000 zu veröffentlichen. Ein Ausblick wurde auf dem OPC Europe Day 2018 vorgestellt. Nicht nur Fachverbände des VDMA können damit eine Hilfestellung bei der Erstellung von Companion Specifications erhalten, bewährte Vorgehensmodelle verwenden und so Hindernisse und Schwierigkeiten vermeiden. Das Ergebnis ist ein umfangreiches branchenabgestimmtes Informationsmodell, das den Umstieg auf OPC UA durch die definierte Standardschnittstelle für alle Unternehmen der Branche stark vereinfacht.
Der Trend zu branchenübergreifenden OPC UA Companion Specifications bringt einige Herausforderungen mit sich, z.B. die branchenweite Abstimmung von Inhalten eines Informationsmodells. Um dieser Situation mit einem vereinheitlichten Vorgehen zu begegnen, wird zusammen mit vielen Hinweisen für Organisatoren, Moderatoren und Teilnehmer durch den VDMA-Arbeitskreis ein Leitfaden als Einheitsblatt veröffentlicht. Um den Anspruch des Leitfadens nach Wiederverwendung zu unterstützen, wird als weiteres Hilfsmittel eine Darstellung der Zusammenhänge zwischen Companion Specifications untereinander und den zugrunde liegenden Standards vorgestellt.
In den letzten fünf Jahren beschäftigen sich immer mehr Unternehmen vertieft mit OPC UA beschäftigen und definieren zunehmend über Fachverbände Companion Specifications. Betrachtet man die Architektur von OPC UA, konzentrierten sich bisherige Aktivitäten und Produkte auf herstellerspezifische Informationsmodelle. Somit konnte der herstellerübergreifende Standard lediglich auf der Ebene der Grundmechanismen (Transport, grundlegende Modellierungsregeln, Basisdienste) genutzt werden. Durch die wachsende Bedeutung von Interoperabilität aufgrund der zunehmenden Umsetzung von Industrie-4.0-Ansätzen etablieren sich - oft unter dem Dach eines Fachverbandes - Arbeitskreise zur Spezifikation branchenweit standardisierter Informationsmodelle. Eine branchendefinierte Companion Specification erleichtert den Ein- oder Umstieg einzelner Unternehmen in OPC UA als Kommunikationsstandard durch ein vorbereitetes Informationsmodell. Dieser Parametersatz kann als Standardschnittstelle für eine Vielzahl an Anwendungen aus der Branche dienen.
Inst. f. Steuerungstechn. der Werkzeugm.
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 9 2018 - 17.09.18.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de