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Engineering Intelligence

KI-Kompetenz wird für Entwickler immer wichtiger

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat sich als globaler Trend etabliert. Ob Internetsuche, Online-Shopping, Sprachassistent oder die Erkennung von Verkehrsschildern im Auto: Längst sind KI-Anwendungen in vielen Bereichen unseres Privatlebens selbstverständlich. Schon in wenigen Jahren könnten KI-Technologien auch die Produkte und Services deutscher Unternehmen prägen. Neben der Produktentwicklung wird KI auch eine wichtige Rolle bei der Optimierung interner Prozesse einnehmen. Engineering Intelligence bringt die Produktentwicklung auf eine neue Stufe der Leistungsfähigkeit.

Bild: Fraunhofer IEMBild: Fraunhofer IEM
Bild 1 | Engineering Intelligence als Schnittmenge von MBSE und Künstlicher Intelligenz.

Die Analysten des amerikanischen Beratungsunternehmens International Data Corporation (IDC) gehen davon aus, dass sich die Menge der weltweiten Daten alle zwei bis drei Jahre verdoppelt. Während 2015 noch 70 Prozent aller Daten von Privatpersonen generiert wurden, werden 2025 über 60 Prozent der Daten von Unternehmen erzeugt. Die manuelle Analyse dieser Daten ist aufwendig, fehleranfällig und wird in Zukunft noch kritischer werden. Aus diesem Grund wird die Automatisierung dieser Arbeiten notwendig. Digitale Assistenzsysteme verarbeiten diese Datenmengen und die Abhängigkeiten zwischen diesen Daten automatisiert. Auch für Entwicklungsprojekte bieten sich hier neue Möglichkeiten, indem Assistenzsysteme allen Projektbeteiligten gezielt die wichtigsten Erkenntnisse für ihre Arbeit liefern. Besonders Künstliche Intelligenz verspricht hier hohen Nutzen. Künstliche Intelligenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Techniken, die es Computersystemen ermöglichen sollen, selbständig Probleme zu lösen. Dazu können KI-Systeme z.B. den Inhalt von Daten verstehen und selbständig daraus lernen. Gerade Mitarbeiter in der Entwicklung ließen sich so unterstützen, um mehr Zeit für ihre Kern- und Kreativaufgaben zu haben. Im Unternehmen selbst stiege so die Produktivität. Um dorthin zu gelangen, müssen Planung und Bereitstellung von KI-Applikationen zur Kernkompetenz in der Engineering-IT werden.

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Bild 2 | Engineering Intelligence im Wechselspiel mit Industrial Data Science.

Engineering Intelligence

Daten z.B. zum Nutzungsverhalten, zu den Servicefällen, Diagnosedaten oder auch zur Betriebsumgebung werden entlang des Produktlebenszyklus gesammelt, analysiert und aus diesen Informationen und Wissen extrahiert. Dieses Wissen wird in der Produktentstehung genutzt, um die nächste Generation, eine neue Marktleistung nutzungsoptimiert und kundenspezifisch anzubieten oder Geschäftsmodelle zu verändern. Charakteristisch ist die ganzheitliche, kontinuierliche Entwicklung dieser Marktleistung, für die sich der disziplinübergreifende Ansatz des Systems Engineering mithilfe formaler Modelle anbietet. Doch wie lassen sich diese Daten sinnvoll im Systems Engineering einsetzen und das extrahierte Wissen zweckorientiert nutzen? Ein vielversprechender Ansatz liegt in der Schnittstelle von Model-Based Systems Engineering (MBSE) und Künstlicher Intelligenz. Dieses Feld wird beim Fraunhofer IEM als Engineering Intelligence bezeichnet (vgl. Bild 1). Damit ergänzt Engineering Intelligence das Feld Industrial Data Science (vgl. Bild 2, dessen Fokus auf der Anwendung statistischer und maschineller Lernverfahren zur Modellbildung und Wissensextraktion im industriellen Kontext liegt und damit insbesondere die Phasen Produktion, Betrieb und Service adressiert. Engineering Intelligence nutzt dieses Wissen und kombiniert es mit den Produktdaten. Es unterstützt bei der Identifikation und der Modellierung von Systemanforderungen, Architekturen, Design sowie bei der Verifikation und Validierung. Beginnend in der Konzeptphase über die gesamten Entwicklungsphasen bis hin zu den späteren Lebenszyklusphasen.

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Bild 3 | Mock-up der Analyse eines Systemmodells mit einem Engineering Intelligence System und einem möglichen Chat-Verlauf.

Besondere Systemanforderungen

IT-Systeme für das Engineering Intelligence besitzen spezifische Fähigkeiten. Zum einen müssen die Systeme unstrukturierte Daten wie etwa Bilder oder Sprache verstehen. Dabei interpretieren sie die Daten, erfassen die zugrundeliegenden Konzepte und Muster, bilden Hypothesen und leiten Lösungsalternativen ab. Mit jedem Datenpunkt, jeder Interaktion und jedem Ergebnis lernen diese Systeme. Anhand von Regeln, Erfahrungswissen oder Zielen können die Systeme situationsspezifisch Handlungspläne generieren, entscheiden und ausführen. Mithilfe der Fähigkeit zu sehen, zu sprechen und zu hören, interagieren sie mit Menschen und kommunizieren mit technischen Systemen. IT-Systeme mit diesen intelligenten Fähigkeiten besitzen vielfältige Anwendungspotentiale, die am Institut vier Anwendungsfelder geglidert werden. Ziel dieser Systemauslegung ist doe durchgehende Assistenz für den Entwickler, das Entwicklungsteam und den gesamten Entwicklungsprozess:

Persönliche Assistenz: Systeme die am Arbeitsplatz und im operativen Tagesgeschäft unterstützen. Dies sind etwa administrative und wiederholende Tätigkeiten wie Übersetzung, Digitalisierung von Workshops oder Terminkoordination.

Engineering Assistenz: Lösungen zur Unterstützung bei der Modellierung von Anforderungen, Design und Analyse. Dazu gehören etwa integrierte Funktionen zur Anforderungs- und Architekturbewertung, Wissensextraktion aus Produkt- und Nutzungsdaten mit denen weitere Anforderungen abgeleitet werden können, Priorisierung und Erstellung von Testfällen auf Basis von Service- und Fehlerfällen oder auch die Exploration des Entwurfsraums durch evolutionäre Algorithmen.

Management Assistenz: Systeme zur Unterstützung von Management- und Entwicklungsprozessen, wie die Visualisierung von Prozessdaten, das Monitoring und die Prognose der Entwicklungsproduktivität, Fallanalysen und Reasoning bis zum intelligenten Routing von Workflows.

Intelligentes Datenmanagement: Systeme die Produktdaten miteinander vernetzen und verwalten. Hierzu zählt das Verknüpfen von Anforderungen, Funktionen und logischer Architektur mit Testfällen und weiteren CAX-Daten.

Fehlersuche im MBSE

In der komplexer werdenden Produktentwicklung wird es schwieriger, auf vorhandenes Wissen zurückzugreifen. Oft werden Entwicklungsfehler zwar dokumentiert, dann aber für zukünftige Projekte nicht weiter berücksichtigt. Die Folge sind hohe Kosten, um die Fehler nachträglich zu beheben. Im Anwendungsbeispiel aus dem Bereich Engineering Intelligence macht ein Live-Conversation-System, hier die intelligente Assistentin Lisa, den Entwickler früh auf Fehler aufmerksam, die in der Vergangenheit bereits aufgetreten sind. Bild 3 stellt einen im MBSE typischen Entwicklungsschritt im Tool iQuavis dar. Das zu entwickelnde System wird mit seinen logischen Elementen, Schnittstellen und Flüssen modelliert. Diese Abstraktion des realen Systems wird Systemmodell genannt. Hat der Entwickler einen Abschnitt abgeschlossen, so kann er nun diesen mittels Engineering-Intelligence-Systemen analysieren. Das Engineering Intelligence System Lisa, zieht sein Wissen aus historischen Daten. Hierfür wurde Lisa mit Verknüpfungen von in früheren Projekten dokumentierten Fehlern zu den verursachenden Bereichen in den Systemmodellen trainiert, sodass ein Graph entstanden ist. In der Analyse des aktuellen Systemmodells sucht Lisa den Graphen nach ähnlichen Mustern ab und macht somit in der Vergangenheit dokumentiertes Wissen für heutige und zukünftige Projekte nutzbar.

Bild 3 zeigt die Ergebnisse der Analyse an. Die Bereiche, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem bereits in früheren Projekten entdeckten Fehlern führen, werden von Lisa mit einem Warnhinweis markiert. Zusätzlich erläutert die Engineering Intelligence den möglichen Fehler in einem Chat Fenster. Der Entwickler kann so nach möglichen Lösungen oder Verweisen auf vergangene Projekte zu fragen. Hierüber kann er auch auf das frühere Projekt zugreifen, um den möglichen Fehler besser zu verstehen und zu analysieren.

Intelligenz bedarfsgerecht

Um KI-basierte Assistenzsysteme erfolgreich in Entwicklungsabteilungen zu etablieren, sollten Unternehmen zunächst eine Basis schaffen. Die disziplinübergreifenden Ansätze des Systems Engineering und das modellbasierte MBSE schaffen geeignete Strukturen für ein ganzheitliches aber formalisiertes Engineering. Auch ein Blick für das wirklich Notwendige hilft weiter, denn nicht jedes Assistenzsystem schafft Unternehmen einen Mehrwert. Im Sinne der Bedarfsorientierung sollten Unternehmen zunächst eine umfassende und detaillierte Einführungsstrategie erarbeiten. Diese definiert zum einen die spezifischen Anwendungsbereiche von KI, bewertet sie hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und identifiziert notwendige Technologien zur Realisierung der Assistenzsysteme. Zum anderen wird ein schrittweises Vorgehen zur Umsetzung, Erprobung und Einführung der ausgewählten Assistenzsysteme festgelegt. Dabei müssen insbesondere domänen- und unternehmensspezifische Anforderungen und Charakteristika, wie die Datenabhängigkeiten und Anforderungen an die Transparenz der durch die KI getroffenen Entscheidungen, berücksichtigt werden. Die Entwicklung einer solchen Strategie erfordert neben einem Verständnis für die Produktentwicklung auch Expertise in den Bereichen Künstliche Intelligenz und insbesondere Engineering Intelligence. n @WK Kontakt:www.iem.fraunhofer.de

@WK Kastengrund:Das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik IEM bietet am Standort Paderborn Expertise für intelligente Mechatronik im Kontext Industrie 4.0. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Maschinenbau, Softwaretechnik und Elektrotechnik arbeiten fachübergreifend zusammen und erforschen innovative Methoden und Werkzeuge für die Entwicklung von intelligenten Produkten, Produktionssystemen und Dienstleistungen. Als einer der wesentlichen Treiber für Engineering Intelligence in Industrie und Forschung unterstützen wir unseren Kunden bei der Planung und Umsetzung von KI Einführungsstrategien im Engineering. Konkret bieten wir Unterstützung bei Potentialanalysen, Machbarkeitsanalysen, Konzipierung und Umsetzung von Assistenzsystemen sowie der Entwicklung von Schulungskonzepten für Mitarbeiter.

Fraunhofer-Instiut

Dieser Artikel erschien in Produktentwicklung Wissen Kompakt 2018 - 09.10.18.
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