Zusammenführung von IT- und Echtzeitanforderungen
Multitalent Kommunikationsschnittstelle
Voraussetzung für die SmartFactory mit ihrer intelligenten und flexiblen Automation ist eine durchgängige Vernetzung und die Integration der Fertigungslinien in die industrielle IT. Leistungsfähige Kommunikationsfunktionen der Automatisierungsgeräte werden zur Schlüsselfunktion. Doch wie lassen sich die steigenden Anforderungen hinsichtlich IT-Funktionen und Echtzeitverhalten an die Kommunikationsschnittstelle lösen?
Artikelserie: Zukunftsfähig vernetzen
SPS-MAGAZIN 9/2018: In der Maschine (Teil 1)
SPS-MAGAZIN 10/2018: In der Anlage (Teil 2)
SPS-MAGAZIN 11/2018: Standortübergreifend (Teil 3)
Die Welt der industriellen Kommunikation wird immer komplexer. Ohne eine leistungsfähige Kommunikationsschnittstelle lassen sich Automatisierungsgeräte nicht in moderne Automatisierungskonzepte wie Industrie 4.0 und das Internet der Dinge einbinden. Automatisierungsgeräte müssen heute wahlweise Feldbusse oder Industrial-Ethernet-Standards unterstützen, denn Feldbusse haben auch rund zehn Jahre nach Einführung von Ethernet noch einen sehr hohen Marktanteil in der Fabrikautomation. Aktuell zeichnet sich erneut ein Technologieumbruch ab, denn mit TSN gemäß IEEE802.1, MQTT und OPC UA schicken sich neue aus der IT-Welt stammende Protokolle an, das nahtlose Zusammenwachsen der IT-Systeme mit den Fertigungslinien zu ermöglichen. Ziel ist es, über ein Ethernet-Kabel die Prozessdaten - einschließlich der Safety-Signale in Echtzeit - sowie die für die industrielle IT relevanten Daten - einschließlich der Informationen für die Anbindung in die industriellen Cloudsysteme - zu übertragen. Neben den funktionalen Anforderungen wird der Schutz der Automatisierungsgeräte vor unberechtigten Zugriffen über das Netzwerk immer wichtiger und es gilt bereits auf der Feldebene Security-Maßnahmen in Hardware und Software beim Design der Kommunikationsschnittstelle zu berücksichtigen. Damit werden die Anforderungen immer vielfältiger und die Kommunikationsschnittstelle muss sich mehr und mehr zum Multitalent entwickeln.
Ein Automatisierungsgerät, zwei IP-Adressen
Um alle Anforderungen zu erfüllen ist es heute gängige Praxis, ein Automatisierungsgerät mit zwei Netzschnittstellen auszustatten: Eine für die Prozessdatenübertragung über Industrial Ethernet oder Feldbusse und eine zweite Schnittstelle für Abwicklung der auf TCP/IP-basierten IT-Funktionen wie Visualisierung, Parametrierung, Diagnose und Qualitätsdatenerfassung. Dadurch ist ein Automatisierungsgerät mit Industrial-Ethernet-Schnittstelle oftmals mit zwei IP-Adressen im Netzwerk vertreten. Bei diesem Ansatz entstehen höhere Entwicklungs- und Hardwarekosten sowie zusätzliche Aufwendungen für die Verwaltung und Netzwerkplanung.
Eine Adresse für alles
Die Anforderungen an die IT-Funktionalität der Automatisierungsgeräte sind unterschiedlich. Für einfache Komponenten wie I/Os oder Ventile sind IT-Basisfunktionen ausreichend. Anders bei komplexen Geräten wie Roboter, Schweiß- oder Schraubersteuerungen. Diese Geräte stellen typischerweise weit mehr Daten als die reinen Prozessdaten bereit. Sobald diese Geräte über die Möglichkeit der Einbindung in industrielle IT-Systeme verfügen, können sie sinnvoll in datenbasierte Geschäftsprozesse wie vorausschauende Wartung eingebunden werden und so ihr volles Potential entfalten. Für die Realisierung einer zeitgemäßen Kommunikationsschnittstelle, die über einen Netzwerkanschluss mit einer IP-Adresse für schnelle Echtzeitkommunikation, Safety und IT-Funktionen abwickeln kann, bieten sich zwei grundsätzliche Lösungsvarianten an:
- • All-In-One: Multinetzwerkschnittstelle mit Realtime-Protokollen und IT-Basisfunktionen mit einem speziellen Netzwerkprozessor
- • Splitted-Operation: Multi-Netzwerkschnittstelle bei der Realtime-Protokolle und IT-Funktionen auf getrennten Prozessoren abgewickelt werden
Nachfolgend werden die Grundzüge der beiden Lösungsmöglichkeiten sowie die jeweiligen Vor- und Nachteile dargestellt.
Multi-Netzwerkschnittstelle mit IT-Basisfunktionen
Die Kommunikationsschnittstelle mit IT-Basisfunktionen ist für Automatisierungsgeräte interessant, die nur wenige IT-relevante Informationen bereitstellen (z.B. eine Ventilinsel), oder Geräte bei denen der Mikroprozessor der Hauptapplikation aus Performance-Gründen nicht mit IT-Funktionen belasten werden darf, z.B. bei einem Antrieb. In diesen Fällen wickelt der Prozessor der Kommunikationsschnittstelle zusätzlich zu den Echtzeitfunktionen des Industrial-Ethernet-Protokolls auch die TCP/IP-basierten IT-Protokolle wie HTTP, FTP, OPC UA oder MQTT ab. Diese Lösung birgt viele Vorteile, denn alle Kommunikationsfunktionen sind an einer Stelle konzentriert, laufen auf einem Prozessor und können über eine geeignete Software-Schnittstelle weitgehend von der Applikationssoftware des Automatisierungsgerätes entkoppelt werden. Die Realisierung einer solchen Kommunikationsschnittstelle erfolgt meist in Form eines Optionsmoduls, beispielsweise den Anybus-Kommunikationsmodulen von HMS. Bei diesem modularen Design findet eine Aufgabenteilung statt: das Kommunikationsmodul übernimmt alle Kommunikationsfunktionen und der Hauptprozessor des Automatisierungsgerätes kümmert sich ausschließlich um die Gerätefunktionen und wird von weiteren zeitkritischen, komplexen Funktionen komplett entlastet. Die Entkopplung von Kommunikation und Applikation bietet weitere Vorteile, denn bei Änderungen der Protokollspezifikationen oder der Notwendigkeit zur Kopplung an andere industrielle Protokolle, muss lediglich die Kommunikationsschnittstelle geändert werden. Die Applikationssoftware des Automatisierungsgerätes kann meist unverändert bleiben. Auch Hersteller, die keine oder nur wenig Erfahrung mit IT-Funktionen haben, profitieren hiervon. Sie können bei dieser Form der Implementierung ohne zusätzlichen Aufwand die IT-Basisfunktionen des Kommunikationsmoduls wie FTP- und Webserver, TCP/IP Socket Interface und E-Mail-Client nutzen. Eine weitere Anwendergruppe sind Hersteller, für die IT-Funktionen eher zweitrangig sind. In all diesen Fällen ist aus Sicht von HMS eine modular aufgebaute Kommunikationsschnittstelle mit IT-Basisfunktionen die richtige Wahl.
Größtmögliche Flexibilität bei IT-Funktionen
Für Gerätehersteller, die sehr hohe Anforderungen an die IT-Funktionen haben, ist es aus Sicht von HMS sinnvoll, die Umsetzung der IT-Funktionen und die Abarbeitung der IT-Protokolle auf den Applikationsprozessor zu verlagern und nur die Echtzeitprotokolle durch das Kommunikationsmodul abarbeiten zu lassen. Zur Lösung dieses Problems kommt ein Ethernet-Controller mit RMII-Schnittstelle (Reduced Media Independent Interface) in Betracht. Über diese Schnittstelle wird der Ethernet-Controller der Kommunikationsschnittstelle direkt von der Gerätesoftware bei der Abarbeitung der IT-Protokolle angesprochen. Das RMII fungiert als Datenweiche, die die Echtzeitprotokolle wie Profinet, Ethernet/IP, Ethercat von den IT-Protokollen trennt. Damit entsprechend schnelle und performante Reaktionszeiten möglich sind, ist die Datenweiche direkt in die Hardware der Kommunikationsschnittstelle zu integrieren. Auch bei dieser Implementierungsmethode gibt es eine klare Aufgabenteilung: das Kommunikationsmodul bearbeitet die Echtzeitprotokolle, der Geräteprozessor übernimmt die Gerätefunktionen sowie die Bearbeitung der nicht so zeitkritischen TCP/IP basierten IT-Protokolle, wie z.B. der Darstellung der geräteinternen Webseiten (HTTP), der File-Zugriffe (FTP) oder der Kommunikation mit dem HMI über OPC UA. Auch für diese Methode der Schnittstellenimplementierung stellt HMS ein entsprechendes Anybus-Kommunikationsmodul zur Verfügung. Die Implementierungsvariante mit transparentem Ethernet-Kanal ist für Hersteller gedacht, die bereits viel Erfahrung im IT-Umfeld besitzen und in ihrem Automatisierungsgerät ein eigenes Betriebssystem wie zum Beispiel Linux nutzen.
Hightech in drei Varianten
Anybusmodule gibt es heute in den drei Formfaktoren Modul, Brick und Chip. Gerätehersteller kommen am schnellsten mit dem einbaufertigen, in sich gekapselten Kommunikationsmodul zum Ziel. Hier ist die komplette Hard- und Software der Kommunikationsschnittstelle einschließlich Netzwerkstecker in ein Kunststoffgehäuse integriert. Das Modul wird in Einschubtechnik in den entsprechenden Steckplatz im Automatisierungsgerät eingesteckt. Die Bricks lassen dem Entwickler mehr Freiheitsgrade bei der Auswahl der Steckverbinder und der Positionierung der Kommunikationsschnittstelle. Hersteller, die ihre Geräte in sehr hohen Stückzahlen fertigen und daher oft auf Modularität verzichten, können die Anybus-Technik als Chip nebst Softwarestacks lizenzieren und so nahtlos in ihre Geräteelektronik integrieren. HMS realisiert auch individuelle Ausführungen nach Kundenanforderung und unterstützt die Hersteller auf Anfrage bei der Implementierung von Anybus.
Bereit für die Fabrik von morgen
Durch den Einsatz modularer Kommunikationsschnittstellen setzen Gerätehersteller auf eine flexible und zukunftsfähige Lösung. Mit mehr als fünf Millionen verkaufter Module hat die Anybus-Technik von HMS einen hohen Reifegrad erreicht. Der Hersteller entwickelt die Produktfamilie kontinuierlich weiter, Module mit OPC UA und MQTT Support sind bereits verfügbar. Module mit TSN-Integration werden - nachdem die Spezifikationsarbeiten in IEEE sowie in PNO, ODVA und ETG abgeschlossen sind - die Modulfamilie ebenfalls ergänzen.
Voraussetzung für die SmartFactory mit ihrer intelligenten und flexiblen Automation ist eine durchgängige Vernetzung und die Integration der Fertigungslinien in die industrielle IT. Leistungsfähige Kommunikationsfunktionen der Automatisierungsgeräte werden zur Schlüsselfunktion. Doch wie lassen sich die steigenden Anforderungen hinsichtlich IT-Funktionen und Echtzeitverhalten an die Kommunikationsschnittstelle lösen?
Artikelserie: Zukunftsfähig vernetzen
SPS-MAGAZIN 9/2018: In der Maschine (Teil 1)
SPS-MAGAZIN 10/2018: In der Anlage (Teil 2)
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Die Welt der industriellen Kommunikation wird immer komplexer. Ohne eine leistungsfähige Kommunikationsschnittstelle lassen sich Automatisierungsgeräte nicht in moderne Automatisierungskonzepte wie Industrie 4.0 und das Internet der Dinge einbinden. Automatisierungsgeräte müssen heute wahlweise Feldbusse oder Industrial-Ethernet-Standards unterstützen, denn Feldbusse haben auch rund zehn Jahre nach Einführung von Ethernet noch einen sehr hohen Marktanteil in der Fabrikautomation. Aktuell zeichnet sich erneut ein Technologieumbruch ab, denn mit TSN gemäß IEEE802.1, MQTT und OPC UA schicken sich neue aus der IT-Welt stammende Protokolle an, das nahtlose Zusammenwachsen der IT-Systeme mit den Fertigungslinien zu ermöglichen. Ziel ist es, über ein Ethernet-Kabel die Prozessdaten - einschließlich der Safety-Signale in Echtzeit - sowie die für die industrielle IT relevanten Daten - einschließlich der Informationen für die Anbindung in die industriellen Cloudsysteme - zu übertragen. Neben den funktionalen Anforderungen wird der Schutz der Automatisierungsgeräte vor unberechtigten Zugriffen über das Netzwerk immer wichtiger und es gilt bereits auf der Feldebene Security-Maßnahmen in Hardware und Software beim Design der Kommunikationsschnittstelle zu berücksichtigen. Damit werden die Anforderungen immer vielfältiger und die Kommunikationsschnittstelle muss sich mehr und mehr zum Multitalent entwickeln.
Ein Automatisierungsgerät, zwei IP-Adressen
Um alle Anforderungen zu erfüllen ist es heute gängige Praxis, ein Automatisierungsgerät mit zwei Netzschnittstellen auszustatten: Eine für die Prozessdatenübertragung über Industrial Ethernet oder Feldbusse und eine zweite Schnittstelle für Abwicklung der auf TCP/IP-basierten IT-Funktionen wie Visualisierung, Parametrierung, Diagnose und Qualitätsdatenerfassung. Dadurch ist ein Automatisierungsgerät mit Industrial-Ethernet-Schnittstelle oftmals mit zwei IP-Adressen im Netzwerk vertreten. Bei diesem Ansatz entstehen höhere Entwicklungs- und Hardwarekosten sowie zusätzliche Aufwendungen für die Verwaltung und Netzwerkplanung.
HMS Industrial Networks GmbH
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 10 2018 - 05.10.18.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de