Werkshalle wird zu einem CNC-Bearbeitungsraum
Mobiles Machining
Ein Forschungsprojekt vom Fraunhofer IFAM und Siemens hat das Ziel, die CNC-Bearbeitung großer Strukturen nachhaltig zu verändern. Statt großflächige Flugzeugteile wie Rumpfsegmente oder Leitwerke zur Bearbeitung in speziellen Portalmaschinen zu transportieren und einzulegen, fahren beim Projekt frei bewegliche, flexibel rüstbare Roboter um die Werkstücke herum.
Der Besuch von Werken der Luftfahrtindustrie beeindruckt. Turmhohe Leitwerke, weit ausladende Tragflächenteile oder riesige Rumpfsegmente werden zwischen noch größeren Portalmaschinen und Vorrichtungen über teilweise sehr große Distanzen bewegt. Viele dieser Maschinen werden speziell für einzelne Komponenten und Fertigungsprozesse entwickelt und installiert. Doch die Verantwortlichen kennen die Herausforderung dieser Produktionsweise: Die Fertigung ist starr, die Nebenzeiten für Transporte und Vorbereitungen in den Vorrichtungen sind groß. Bereits Nachfrageverschiebungen zwischen einzelnen Flugzeugmodellen können zu einem ineffizienten Nebeneinander von Unterauslastungen an den einen und Engpässen an anderen Werkzeugmaschinen führen. Kapazitätserweiterungen oder der Produktionsstart neuer Modelle erfordern lange Vorlaufzeiten - weil die Anschaffung und Installation der erforderlichen Sondermaschinen viel Zeit und Platz braucht. Wie lässt sich die Bearbeitung großer Strukturen flexibler, effizienter und skalierbarer gestalten? Ein Team von Siemens und des Fraunhofer IFAM verfolgte bei dieser Aufgabenstellung einen einfachen Gedanken: Warum werden diese Flugzeugkomponenten eigentlich zu starren CNC-Maschinen gefahren und dort aufwändig positioniert? Warum fahren mobile und flexible Fertigungseinrichtungen nicht einfach zum Werkstück?
Komponente 1: FTS als mobile Plattform
Das Projektteam entwickelte ein modulares System, um das Konzept des Mobile Machining für die Bearbeitung mit der im Flugzeugbau geforderten Präzision zu realisieren. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Projektpartnern wurde ein mobiles Trägerfahrzeug entwickelt. Die aus marktüblichen Komponenten aufgebaute Bewegungsplattform setzt während der Bearbeitung mit drei Stützen stabil auf dem Boden auf. Für einen Ortswechsel fährt die Plattform ihre drei Räder aus. Die Konstruktion erlaubt eine hohe Bewegungsfreiheit, bis hin zur Drehung auf der Stelle. Gleichzeitig bringt das mobile Bearbeitungszentrum inklusive montiertem Roboter rund 6t auf die Waage und damit genug Stabilität und Steifigkeit für eine präzise Bearbeitung. Mit Hilfe eines Lasersystems ermittelt die Robotereinheit ihre exakte Position, kann sich ebenso frei wie präzise in der gesamten Werkhalle bewegen, sich relativ zu den zu bearbeitenden Werkstücken positionieren und den Nullpunkt für CNC-Bearbeitungsschritte referenzieren.
Komponente 2: Sechsachsroboter
Handling-Roboter zeigen sich in typischen Pick&Place-Anwendungen erstaunlich leistungsstark. Verglichen mit der Präzision einer CNC-Maschine sind sie aber eher Grobmotoriker. Als Robotermodul für das Mobile-Machining-Projekt wählte man daher einen Roboter mit Präzisionsantrieben bestehend aus Servoumrichtern und Servomotoren, speziellen Messsystemen an jeder Achse für Relativbewegungen, einem zweiten Gebersystem an den Robotergelenken und eigens entwickelten Kalibrierroutinen. Statt auf 2 bis 3mm genau zu positionieren, erreicht der mobile Bearbeitungsroboter eine Genauigkeit von 0,2mm.
Komponente 3: Direkte Programmierung
Statt die Robotereinheit klassisch zu programmieren, setzte das Entwicklerteam auf eine Sinumerik 840D sl Steuerung. Die Idee dahinter: Statt mit proprietären Robotersteuerungen lassen sich Roboter so über eine CNC direkt programmieren. So lässt sich die komplette Robotereinheit von einem routinierten CNC-Anwender mit bekanntem G-Code programmieren oder CAM-Programme lassen sich auf den Roboter übertragen. Statt aufwändig ein weiteres Programmiersystem für Roboter in die Fertigung einzuführen und dafür Mitarbeiter ausbilden zu müssen, setzt das Projekt auf eine einfache Integration in CAD/CAM, PLM- und Planungssysteme oder als digitaler Zwilling für Simulationen.
Zeiteinsparung bei der Bearbeitung
Erste Tests zeigen vielversprechende Ergebnisse. So lassen sich mit den bereits entwickelten Prototypen die für die Flugzeugfertigung typische Bearbeitungsschritte wie Konturfräsen, Ausschneiden, Bohren und Nieten mit hohen Absolut- und Wiederkehrgenauigkeiten durchführen. Das volle Potential lässt sich aber erst erahnen, wenn mehrere Roboter parallel am Werkstück arbeiten und dabei identische oder unterschiedliche Bearbeitungsprozesse durchführen. So lassen sich Kapazitäten skalieren, zwischen verschiedenen Werkstücken und Bearbeitungsschritten flexibel verschieben und die Durchlaufzeiten weiter verkürzen. Mit zwei Robotern an einem Werkstück erwarten die Entwickler bereits Reduzierungen von mindestens 30 Prozent bei den Durchlaufzeiten.
Autonom agierender Roboterschwarm
Die jetzt angestoßenen Folgeprojekte für das Mobile Machining befassen sich folgerichtig mit dem flexiblen Einsatz von mehreren der mobilen Robotereinheiten. Dennoch bleiben Fragen: Wie lässt sich die Sicherheit der neben den Robotern arbeitenden Menschen gewährleisten? Wie werden Kollisionen zuverlässig vermieden? Hier wird daran gearbeitet, dass die mobilen Roboter mit Hilfe von Sensoren virtuelle Zellen um sich herum aufbauen. Bis zum autonom agierenden Roboterschwarm sind noch viele Hürden zu nehmen. Mobile Machining eröffnet dennoch neue Wege für eine hochflexible Automatisierung bei der Bearbeitung großer Teile - für Flugzeugstrukturteile aber auch für Rotorblätter von Windkraftanlagen, Strukturen von Schienenfahrzeugen oder Großbauteile im Schiffsbau.
Ein Forschungsprojekt vom Fraunhofer IFAM und Siemens hat das Ziel, die CNC-Bearbeitung großer Strukturen nachhaltig zu verändern. Statt großflächige Flugzeugteile wie Rumpfsegmente oder Leitwerke zur Bearbeitung in speziellen Portalmaschinen zu transportieren und einzulegen, fahren beim Projekt frei bewegliche, flexibel rüstbare Roboter um die Werkstücke herum.
Der Besuch von Werken der Luftfahrtindustrie beeindruckt. Turmhohe Leitwerke, weit ausladende Tragflächenteile oder riesige Rumpfsegmente werden zwischen noch größeren Portalmaschinen und Vorrichtungen über teilweise sehr große Distanzen bewegt. Viele dieser Maschinen werden speziell für einzelne Komponenten und Fertigungsprozesse entwickelt und installiert. Doch die Verantwortlichen kennen die Herausforderung dieser Produktionsweise: Die Fertigung ist starr, die Nebenzeiten für Transporte und Vorbereitungen in den Vorrichtungen sind groß. Bereits Nachfrageverschiebungen zwischen einzelnen Flugzeugmodellen können zu einem ineffizienten Nebeneinander von Unterauslastungen an den einen und Engpässen an anderen Werkzeugmaschinen führen. Kapazitätserweiterungen oder der Produktionsstart neuer Modelle erfordern lange Vorlaufzeiten - weil die Anschaffung und Installation der erforderlichen Sondermaschinen viel Zeit und Platz braucht. Wie lässt sich die Bearbeitung großer Strukturen flexibler, effizienter und skalierbarer gestalten? Ein Team von Siemens und des Fraunhofer IFAM verfolgte bei dieser Aufgabenstellung einen einfachen Gedanken: Warum werden diese Flugzeugkomponenten eigentlich zu starren CNC-Maschinen gefahren und dort aufwändig positioniert? Warum fahren mobile und flexible Fertigungseinrichtungen nicht einfach zum Werkstück?
Siemens AG
Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 5 2018 - 29.10.18.Für weitere Artikel besuchen Sie www.robotik-produktion.de