Interview mit Ralf Moebus, Lapp
"Unübersehbare Veränderungen"
Lapp ist vor allem für sein Kabelportfolio bekannt, bietet aber seit langem auch dazugehörige Produkte wie Steckverbinder oder Energieketten an. Zukünftig will man sich dem Thema der industriellen Datenkommunikation aber noch ganzheitlicher widmen - für dieses Ziel hat das Unternehmen jetzt den Geschäftsbereich IDC ins Leben gerufen. Welches konkrete Angebot sich hinter diesem Kürzel verbirgt, und wie sich Lapp dafür positioniert, verrät Ralf Moebus, Leiter Produkt Management Industrial Data Communication im Gespräch mit dem SPS-MAGAZIN.
Herr Moebus, mit einem großen Teil seiner Leitungen und Steckverbinder wendet sich Lapp schon seit Jahren bzw. Jahrzehnten an Kommunikationsanwendungen in der Fabrik.
Ralf Moebus: IDC ist die Abkürzung für Industrial Data Communication und ist bei Lapp die Antwort auf die stetig steigenden Bedürfnisse und Anforderungen unserer Kunden in Hinblick auf die industrielle Datenkommunikation. Wir wollen deren Bedürfnisse und Anforderungen in Hinblick auf die industrielle Datenkommunikation ganz genau verstehen - und ganzheitliche Lösungen anbieten. Kurz gesagt: Wir wollen derjenige sein, der dem Anwender die komplette Infrastruktur bereitstellt, auf der die zunehmende Menge der anfallenden Produktionsdaten zwischen den Sensoren, Steuerungen und überlagerten Systemen transportiert bzw. ausgetauscht wird.
In wie weit unterscheidet sich das von dem, was Lapp in der Historie schon gemacht hat?
Moebus: Getrieben durch den technologischen Wandel und die Digitalisierung verändern sich die Dimensionen industrieller Netzwerke. Das bedeutet für uns: Es reicht nicht mehr aus, nur die Feldebene und das Steuerungslevel mit Kabeln und Steckern zu versorgen. Unser Blick muss viel umfassender werden - bis hin zu MES- und ERP-Systemen oder die Cloud. Momentan steigen die Anforderungen in der Fertigung durch die Ansätze von Industrie 4.0 und dem industriellen IoT. Es werden immer mehr Sensoren und Aktoren an das Netz angebunden, viele davon mit integrierter Intelligenz und Ethernet statt seriellem Anschluss. Das bringt unübersehbare Veränderungen für die Kommunikation mit sich.
Die Datenverarbeitung wandert also ein Stück weit aus der Steuerungsebene nach unten in den Sensor/Aktor-Bereich.
Moebus: Richtig, der Trend geht aktuell stark in Richtung Dezentralisierung und damit in Richtung Feldebene. Dort muss die komplette Kommunikationstechnik - nicht nur Kabel, sondern auch Switche oder Gateways - auf den zunehmenden Datenverkehr und harte Umgebungsbedingungen ausgelegt sein. Den modernen Möglichkeiten begegnet der Anwender aber mit unterschiedlichen Ansätzen: So müssen wir in der Verbindungstechnik steigende Datenraten mit leistungsstarken Cat6- oder Cat7-Ethernet-Kabeln begegnen, aber gleichzeitig auch neue schlanke Standards wie Single Pair Ethernet anbieten. Zu guter Letzt wird immer mehr hybride Leitungs- und Anschlusstechnik benötigt, die Kommunikation und Leistungsversorgung kombinieren. Mit dem Geschäftsbereich IDC stellt sich Lapp aber weit über Leitungen und Steckverbinder hinausgehend auf.
Was heißt das konkret? :
Moebus: Wir wollen uns verstärkt als Systemanbieter positionieren und stellen unseren Kunden künftig auf Wunsch ein komplettes Netzwerk für ihre Datenkommunikation in der Fertigung bereit - inklusive Geräten wie Switches, Gateways oder Routern.
Das klingt nach einem großen Vorhaben.
Moebus: Das ist es durchaus, denn ein solches Selbstverständnis ist aber doch nicht nur eine Frage des Sortiments, sondern auch des Applikationsverständisses. Deswegen haben wir im Haus eine breit angelegte Weiterbildungsinitiative für den Bereich industrielle Datenkommunikation gestartet, die unseren Mitarbeitern das nötige Technologie- und Applikations-Know-how vermittelt. In diesem Rahmen werden mittelfristig rund 1.000 Lapp-Mitarbeiter zu Kommunikationsexperten ausgebildet, die unsere Kunden ganzheitlich und auf Augenhöhe zu Datennetzen beraten oder auch direkt vor Ort Probleme lösen können. Dieser Anspruch an die eigene Kompetenz umfasst nicht nur State-of-the-Art-Lösungen, sondern schließt auch kommende Technologien wie OPC UA oder Ethernet TSN ein. Ich bin sicher, dass die Abkehr von proprietären Standards dem Thema Vernetzung in der Industrie nochmal viel zusätzlichen Schub geben wird.
Kommen wir auf das dafür nötige Portfolio zu sprechen. Wird Lapp dem Systemansatz folgend denn jetzt auch zum Hersteller von Elektronikkomponenten und Softwaresystemen?
Moebus: Nein, wir sehen unsere Kernkompetenz als Hersteller auch weiterhin im Bereich von Leitungen und Steckverbindern, nicht in der Entwicklung von Elektronik oder Software. In diesen Bereichen arbeiten wir mit Partnern zusammen, mit denen wir die Komponenten und Systeme aber ganz klar auf unsere Wünsche ausgerichtet spezifizieren. Auch wenn wir die Geräte nicht selbst fertigen, brauchen wir deshalb tiefgreifendes Elektronik-, Software und Systemverständnis im eigenen Haus. Ein gutes Beispiel bietet das Thema Predictive Maintenance: Hier betreiben wir in unserem Entwicklungszentrum große Anstrengungen, um den Kabelverschleiß möglichst exakt vorhersagen zu können. Dem daraus folgenden Anspruch nach smarten Leitungen kann das Kabel allein natürlich nicht gerecht werden - sehr wohl aber gemeinsam mit der angeschlossenen Elektronik, die Messwerte verarbeitet oder Analysen erstellt. In der Folge beschäftigen wir mehr und mehr Leute im Unternehmen - nicht nur bei den Applikationsingenieuren, sondern auch in der Entwicklung - die dieses übergreifende Lösungsverständnis besitzen. Gerade durch die eigene Spezifizierung von Kommunikationselektronik kann sich Lapp über den Rand des klassischen Kabel- und Steckverbindergeschäfts hinaus bewegen und so haben wir auch schon einiges an Erfahrung und Expertise gesammelt.
Wie gehen Sie vor, wenn ein Kunde in seinem Kommunikationsnetz möglichst weitgehend auf Kabel verzichten und stattdessen Wireless-Lösungen einsetzen will?
Moebus: Drahtlos-Technologien haben längst in der Fabrik Einzug gehalten und sind bei bestimmten Anwendungen auch absolut sinnvoll. Sie sind den kabelgebundenen Lösungen aber auch nicht per se überlegen. Man muss in den jeweiligen Kundenapplikationen also genau überlegen, wo und wie sich Funktechnik sinnvoll anwenden lässt. Dann kann Wireless echten Mehrwert bringen. Ein solcher Bereich ist z.B. bei verschleißbehafteten Anwendungen wie Kommunikationsleitungen in Schleppketten zu finden. Doch muss man beachten, dass man ja für die Energieversorgung in den allermeisten Fällen trotzdem Kabel benötigt. Zudem kann man dem Verschleiß meist entgegenwirken, indem man die Leitungen robuster auslegt. Ein weiteres bis heute nicht gelöstes Problem bei der Funktechnik ist: Es gibt keine Garantie gegen Störungen, sodass bei der Zuverlässigkeit oft Einbußen zu verzeichnen sind. Auch in Bezug auf den Datendurchsatz kommt Wireless nach wie vor an seine Grenzen.
Sind hier mittelfristig Verbesserungen zu erwarten?
Moebus: Sicherlich gibt es spannende Weiterentwicklungen, diesbezüglich ist ja z.B. 5G aktuell in aller Munde. Aber es bleibt abzuwarten, ob sich die herstellende Industrie für dessen Einsatz von Mobilfunkbetreibern abhängig machen will - oder ob sie die Kommunikationszügel in der Produktion lieber auch weiterhin komplett in der eigenen Hand hält. Zudem hat der technologische Fortschritt auch seine Schattenseiten. So ist jeder Mitarbeiter, der heute mit seinem Smartphone durch die Fertigung läuft, eine potenzielle Störquelle für ein Funknetz. Man muss eben sehen, dass auch Drahtloskommunikation ihre Einschränkungen mit sich bringt, genauso wie Kabel und wie jede andere Technologie. Es kommt immer auf die konkreten Anforderungen an.
Ein plötzlicher Wandel, wie ihn das Smartphone in der Consumer-Welt eingeläutet hat, wird die Datenkommunikation in der Industrie also nicht treffen?
Moebus: Nun, Mobilfunk wird ja heute schon an verschiedenen Stellen in der Industrie genutzt und dieser Trend wird auch sicherlich weiter zunehmen - gerade in Hinsicht auf das industrielle Internet der Dinge. Aber es muss dabei eben immer sichergestellt sein, dass die Lösungen zuverlässig sind. Schließlich ist die Verfügbarkeit das höchste Gut in der Produktion.
Lapp ist vor allem für sein Kabelportfolio bekannt, bietet aber seit langem auch dazugehörige Produkte wie Steckverbinder oder Energieketten an. Zukünftig will man sich dem Thema der industriellen Datenkommunikation aber noch ganzheitlicher widmen - für dieses Ziel hat das Unternehmen jetzt den Geschäftsbereich IDC ins Leben gerufen. Welches konkrete Angebot sich hinter diesem Kürzel verbirgt, und wie sich Lapp dafür positioniert, verrät Ralf Moebus, Leiter Produkt Management Industrial Data Communication im Gespräch mit dem SPS-MAGAZIN.
Herr Moebus, mit einem großen Teil seiner Leitungen und Steckverbinder wendet sich Lapp schon seit Jahren bzw. Jahrzehnten an Kommunikationsanwendungen in der Fabrik.
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U.I. Lapp GmbH
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 11 2018 - 29.10.18.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de