Industrie 4.0 in der Verpackungsindustrie
Möglichkeiten für IoT-Geschäftsmodelle
Heutzutage werden die Begriffe Industrie 4.0 und Industrielles Internet der Dinge (IIoT) inflationär verwendet, insbesondere für Marketingzwecke. Im Gegensatz dazu sind wenige erfolgreiche IIoT-Geschäftsmodelle am Markt vorhanden - insbesondere solche, die zusätzlichen Nutzen für Kunden und Anbieter schaffen.
Ein Geschäftsmodell beschreibt, wie ein Unternehmen für seine Kunden Nutzen stiftet und zugleich profitable Umsätze erzielt. Im St. Gallen Business Model Navigator werden Geschäftsmodelle mit Hilfe des magischen Dreiecks erklärt: Im Mittelpunkt stehen die Kunden (Who-Dimension) bzw. Kundengruppen und deren Bedürfnisse. Die zweite Dimension ist das Leistungsversprechen - was wird dem Kunden angeboten und wie erfüllt dies seine Bedürfnisse bzw. löst seine Probleme (What-Dimension). In der dritten Dimension geht es darum, durch welche Prozesse und Aktivitäten und mit Hilfe welcher Ressourcen und Fähigkeiten die Leistung erstellt wird (How-Dimension). In der letzten Dimension wird dann dargelegt, wieso dieses System finanziell tragfähig ist, indem Kostenstruktur und Erlösquellen beschrieben werden (Why-Dimension).
Wirklich neue Geschäftsmodelle?
Um Geschäftsmodellinnovation handelt es sich, wenn mindestens zwei Dimension gleichzeitig verändert werden und dabei eine attraktive und neuartige Geschäftslogik entsteht. Dies wiederum erlaubt es Unternehmen, sich nicht mehr hauptsächlich über Preise oder Produkteigenschaften vergleichen zu lassen. Im Kontext von Industrie 4.0 entstehen hauptsächlich Effizienzsteigerungen und nur selten wirklich neue Geschäftsmodelle.
Anwendungsfall in der Verpackungstechnik
Ein deutsches mittelständisches Unternehmen aus der Verpackungstechnik hat die Bedeutung von Maschinendaten in seinem Geschäft frühzeitig erkannt und nach Lösungen in diesem Bereich gesucht. Das größte Problem, auf das sie stießen, war die Identifizierung neuer Angebote, welche ihren Kunden einen Mehrwert liefern, und für den diese auch bereit sind zu zahlen. Um das zu erreichen reicht es nicht aus, bestehende Angebote zu verbessern - es musste ein neues Wertversprechen erzeugt werden.
Sinkende Anlageneffizienz
Eines der bereits bekannten Probleme ist die über die Nutzungsdauer sinkende Effizienz von Verpackungs- und Verladeanlagen. Über die Lebensdauer dieser Maschinen führen Neukonfigurationen, der Austausch von Verschleißteilen oder die Veränderung von Komponenten zu suboptimalen Einstellungen, ein Wechsel des Personals kann die Prozessabläufe schwächen und in Summe verpackt die gesamte Anlage weniger, als sie bei optimaler Konfiguration könnte. Wenn man aber keine Chance hat die aktuelle Performance gegen einen Benchmark zu messen, fällt es oftmals schwer, diese Ineffizienten aufzudecken.
Beratungsangebot verbessern
Die wegweisende Frage, die gestellt wurde, lautete: Was wäre, wenn ein digitaler Service entwickelt werden könnte, der das Beratungsangebot effizienter und skalierbarer macht? Erstens müssten Maschinen angeschlossen werden, je mehr, desto besser. Die Markteinführung neuer Geräte erfordert viel Zeit, so dass Retrofit-Lösungen entwickelt und angeboten werden müssten, um die erforderliche Konnektivität für ältere Anlagen zu gewährleisten. Die implementierten Konnektivitätslösungen ermöglichen die Modellierung von digitalen Zwillingen der Maschinen und Anlagen, deren Daten an einen zentralen Datenbroker gesendet werden.
Dezentrale Daten speichern
Die Daten werden in einem Framework gespeichert, welches dafür ausgelegt ist, von Geräten, die permanent neue Daten erzeugen (kontinuierlicher Datenstrom), dezentrale Massendaten einzusammeln. Die zentrale Speicherung von vielen dezentralen Daten erlaubt nun zum einen die Live-Ansicht der Daten, zum anderen die Analyse und den Vergleich von historischen Daten. Dies ermöglicht Einblicke in die Maschinenauslastung, sowie die Erstellung von Benchmarks und Best Practices. Mit diesem globalen technologischen Rahmen konnte nun der Effekt suboptimaler Maschinenoperationen quantifiziert werden. Dabei wurde festgestellt, dass fast die Hälfte der Kunden ihre Maschinen mit einem Effizienzdefizit betreiben. Auf Basis dieser Erkenntnisse war es nun gezielt möglich, direkt mit den jeweiligen Kunden in Kontakt zu treten und eine Service-Dienstleistung anzubieten, um die Gesamtanlage zu optimieren. Der Erfolg kann nun jederzeit Online überprüft werden.
Konkrete Leistungsversprechen
Ein konkretes Leistungsversprechen könnte so aussehen: "Lieber Kunde, ich kann dir helfen deine Anlageneffizienz zu steigern. Dafür analysiere ich deine Ist-Performance. Sollte ich feststellen, dass du zu den 50 Prozent meiner Kunden gehörst, bei denen Optimierungspotential besteht, komme ich vorbei, führe die notwendigen Maßnahmen durch und schule deine Mitarbeiter. Gelingt es mir deine Effizienz um X Prozent zu steigern verlange ich dafür Y Euro. Gelingt es mir nicht, war die Schulung deiner Mitarbeiter kostenlos. Auf jeden Fall aber bekommst du ein Condition-Monitoring-System."
Profitables, neues Geschäftsmodell
Wenn ich meinen Kunden ein derartiges datenbasiertes Angebot unterbreiten kann, hebe ich mich deutlich von der Konkurrenz ab, da diese schlicht keinen vergleichbaren Service bieten kann. Die Probleme des Kunden werden zielgerichtet gelöst und die dadurch zusätzlich generierten Umsätze erzeugen eine Win/Win-Situation für die Beteiligten. In diesem Fall wurden mehrere Dimensionen des Geschäftsmodells verändert: Die Kundengruppe hat sich geändert, da nun zielgerichtet diejenigen angesprochen werden können, die Effizienzverluste erleiden - selbst, wenn es ihnen nicht bewusst ist. Das Leistungsangebot ist grundsätzlich gleichgeblieben, da auch im digitalisierten Angebot die Anlagen optimiert werden. Allerdings hat sich geändert, wie dies erreicht wird: die Datengrundlage ist deutlich größer, was zu spezialisierten und effektiveren Best Practices führt. Damit einher geht ein höheres Verständnis für die Möglichkeiten der Optimierung und somit die Verbesserungspotentiale, die dem Kunden versprochen werden können. Zukünftig erlaubt das Vorgehen - wie bereits angesprochen - neuartige Wege, von den dabei erzeugten Effizienzgewinnen zu profitieren, was für beide Seiten neue Möglichkeiten eröffnet.
Geschäftsmodelle mit System
Das Interessanteste an derartigen Use Cases ist, dass die erzeugten, neuen Geschäftsmodelle systematisch erarbeitet und getestet werden können. Der St. Gallen Business Model Navigator ermöglicht es: Durch die Analyse von über 200 erfolgreichen Geschäftsmodellinnovationen konnten über 55 erfolgreiche Geschäftsmodellmuster identifiziert werden. Dabei stellte sich heraus, dass mehr als 90 Prozent der untersuchten Unternehmen Geschäftslogiken verwendet hatten, die bereits von anderen Unternehmen, in der Regel aus anderen Branchen und in anderer Zusammensetzung, genutzt wurden. Diese Einsicht und die von der Universität St. Gallen und dem BMI Lab erarbeitete Methodik ermöglicht, systematisch neue Geschäftsmodellideen zu erzeugen. Einen konkreten Einblick in die beschriebene Methode erhalten Besucher am 19. Februar auf dem Böblinger Automatisierungstreff 2019.
Heutzutage werden die Begriffe Industrie 4.0 und Industrielles Internet der Dinge (IIoT) inflationär verwendet, insbesondere für Marketingzwecke. Im Gegensatz dazu sind wenige erfolgreiche IIoT-Geschäftsmodelle am Markt vorhanden - insbesondere solche, die zusätzlichen Nutzen für Kunden und Anbieter schaffen.
Ein Geschäftsmodell beschreibt, wie ein Unternehmen für seine Kunden Nutzen stiftet und zugleich profitable Umsätze erzielt. Im St. Gallen Business Model Navigator werden Geschäftsmodelle mit Hilfe des magischen Dreiecks erklärt: Im Mittelpunkt stehen die Kunden (Who-Dimension) bzw. Kundengruppen und deren Bedürfnisse. Die zweite Dimension ist das Leistungsversprechen - was wird dem Kunden angeboten und wie erfüllt dies seine Bedürfnisse bzw. löst seine Probleme (What-Dimension). In der dritten Dimension geht es darum, durch welche Prozesse und Aktivitäten und mit Hilfe welcher Ressourcen und Fähigkeiten die Leistung erstellt wird (How-Dimension). In der letzten Dimension wird dann dargelegt, wieso dieses System finanziell tragfähig ist, indem Kostenstruktur und Erlösquellen beschrieben werden (Why-Dimension).
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Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 1+2 2019 - 08.02.19.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de