Existenz bedrohenden Ereignissen entgegenwirken
Vorgaben einfach umsetzen
Eine sichere Verfügbarkeit von Anlagen ist Grundanforderung im industriellen Umfeld. Damit sensible Technik, Arbeits- sowie Produktionsprozesse auch störungsfrei laufen und durchgängig funktionieren, sind Vorkehrungen unumgänglich. Wichtiger Baustein ist dabei ein schlüssiges Schutzkonzept gegen gefährliche Überspannungen.
Moderne Technik und sensible Automatisierungssysteme erfordern Schutz - insbesondere vor dem Hintergrund digitaler Arbeitswelten, Industrie 4.0 und smarter Gebäudeausstattungen. Vernetzte Systeme und Prozesse müssen jederzeit zuverlässig verfügbar sein. Maschinen, Anlagen oder Sensoren kommunizieren miteinander und stehen im ständigen Informationsaustausch. Eine kontinuierliche Energieversorgung sowie ein durchgängiger Daten- bzw. Informationsfluss sind hier Grundvoraussetzung. Blitzeinwirkung oder Überspannungen stellen dabei eine Gefahr für Mensch und empfindliche Technik dar. Störungen oder Ausfälle einzelner technischer Komponenten haben weitreichende Konsequenzen für vernetzte Systeme und bedrohen ganze Arbeits- und Produktionsprozesse. Ein Ausfall bedeutet für Unternehmen dabei nicht nur hohe Kosten und Aufwand für die Schadensbehebung, sondern kann sogar die Existenz bedrohen. Ein immenses Risiko, das sich mit einem wirksamen Überspannungsschutzkonzept verhindern lässt.
Normative Vorgaben beachten
Für die Umsetzung zielgerichteter Schutzmaßnahmen müssen normative Vorgaben ebenso berücksichtigt werden wie Bedrohungsszenarien. Vorgaben lassen sich grundsätzlich in zwei Anwendungsfälle unterscheiden. Für Gebäude ohne ein äußeres Blitzschutzsystem regelt die:
- • DIN VDE0100-443, wann Überspannungsschutz zu errichten ist. Mindestanforderung sind Überspannungs-Ableiter (SPDs, engl. Surge Protective Devices) am Speisepunkt der elektrischen Anlage. Es werden nur Überspannungen aus dem Niederspannungsversorgungssystem betrachtet. Für den Schutz von nahen bzw. direkten Blitzeinschlägen sind zusätzliche Schutzmaßnahmen notwendig.
- • DIN VDE0100-534 die Auswahl sowie Installation der Überspannungs-Ableiter in der elektrischen Anlage.
In Ergänzung zur DIN VDE0100-534 ist für Gebäude mit einem äußeren Blitzschutzsystem die DIN VDE0185-305-4 zu beachten. Sie beinhaltet Vorgaben zum Einsatz von Überspannungs-Ableiter für den Blitzschutzpotentialausgleich bzw. die Realisierung des Blitzschutzzonenkonzeptes. Ob es sich nun um Gebäude mit oder ohne äußeres Blitzschutzsystem handelt - Ziel ist es, Schäden oder Ausfälle an empfindlicher Technik zu verhindern. Überspannungs-Schutzeinrichtungen in Schaltgerätekombinationen begrenzen dabei Überspannungen soweit, dass die Isolationsfestigkeit der dort installierten bzw. nachgelagerten Geräte und Betriebsmittel nicht beeinträchtigt wird (Bild 1). Gemäß den Vorgaben der DIN VDE0100-534 soll das erste SPD so nah wie möglich am Speisepunkt der Anlage, der Schaltgerätekombination oder den potentiellen Störquellen eingesetzt werden. In der Regel stellt im industriellen Umfeld die Niederspannungshauptverteilung (NSHV) den Speisepunkt der Anlage dar. Für ein wirksames Schutzkonzept ist aber auch der maximale Abstand (Leitungslänge) zwischen Überspannungs-Schutzeinrichtung und dem zu schützenden Betriebsmittel zu berücksichtigen. Dies wird erstmals normativ in der DIN VDE0100-534 mit einem sogenannten 'Wirksamen Schutzbereich von Überspannungs-Schutzeinrichtungen' angegeben. Die Norm besagt, dass die Wirksamkeit der eingesetzten Überspannungs-Schutzeinrichtung nach 10m gegebenenfalls nicht mehr ausreicht. Es empfiehlt sich daher zu prüfen, ob zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Sie gilt es dann so nah wie möglich am zu schützenden Endgerät oder in der nächstgelegenen Unterverteilung (UV) zu installieren.
Leitungslängen leichter einhalten
Die Vorgaben hinsichtlich der maximalen Leitungslängen für das SPD sind in der Praxis, aufgrund der großen Abmessungen der Schaltanlagen, oft schwer umzusetzen. Um einen geringstmöglichen tatsächlichen Schutzpegel (Spannungsbegrenzung) und somit eine optimale Schutzwirkung zu erreichen, müssen diese Vorgaben eingehalten werden und Anschlussleitungen so kurz wie möglich sein. Zudem sollten sie keine Schleifen beinhalten (impedanzarme Verlegung). Gegenüber der Vorversion der DIN VDE0100-534 - die noch 1m tolerierte - wurde die Leitungslänge nun auf maximal 0,5m verkürzt. Eine längere Anschlussleitung verringert die Wirksamkeit des SPDs. Wenn die vorgeschriebene Anschlusslänge von 0,5m nicht eingehalten werden kann, bietet die Norm folgende Umsetzungsmöglichkeiten :
- • Auswahl eines SPDs mit niedrigem Schutzpegel: Ist die Spannungsfestigkeit des eingesetzten Betriebsmittels höher als der Schutzpegel des eingesetzten SPDs so kann diese Potentialdifferenz als Spannungsfall an einer zusätzlichen Leitungslänge verwendet werden. Die DIN VDE0100-534 enthält dazu eine Abschätzung, dass ein Impulsstrom von 10kA an einer 1m langen Leitung einen Spannungsabfall von 1kV erzeugt. In unserem Beispiel: Bei einer NSHV mit einer Bemessungs-Stoßspannungsfestigkeit von 4kV und dem Einsatz des Kombi-Ableiters DEHNshield (Schutzpegel von 1,5kV) beträgt die nutzbare Differenz 2,5kV. Dieser Faktor ermöglicht nun eine Gesamtanschlusslänge von max. 2m.
- • Einbau eines zweiten koordinierten SPDs am zu schützenden Endgerät: In diesem Fall wird zusätzlich zum SPD an der Einspeisung ein weiteres koordiniertes SPD am gefährdeten Endgerät installiert (z.B. der Typ III Ableiter an der SPS). Dieser weitere Ableiter stellt mit seinem niedrigen Schutzpegel die Bemessungs-Stoßspannung des zu schützenden Betriebsmittels sicher.
- • Anschluss als V-Verdrahtung: Die phasenseitige Leitungslänge a+b reduziert sich mittels V-Verdrahtung auf 0m und muss nicht weiter berücksichtigt werden. Die effektive Leitungslänge besteht somit nur aus der Anschlusslänge c.
Falls diese Optionen nicht möglich sind und die lokalen Installationsbedingungen grundsätzlich ein Einhalten der 0,5m Vorgabe erschweren, helfen die folgenden Maßnahmen weiter:
- • Zusätzlicher Potentialausgleich: Ein zusätzlicher lokaler Potentialausgleich wird z.B. mittels des Metallgehäuses der Schaltgerätekombination erreicht (Bild 4). Dadurch kann der erdungsseitige Anschluss zum SPD vernachlässigt werden (effektive Leitungslänge c = 0m). Voraussetzung ist, dass das Metallgehäuse der Schaltgerätekombination mit dem PE verbunden ist und somit die Forderung nach DIN VDE0100-540 erfüllt
- • SPD mit integrierter Vorsicherung: Überspannungs-Ableiter mit integrierter Vorsicherung (Bild 5) oder der neuen ACI-Technologie erleichtern das Einhalten der 0,5m Forderung. Hier entfällt eine zusätzliche Verdrahtung des ansonsten notwendigen Sicherungsorgans. Der Spannungsfall der Sicherung ist beim Schutzpegel des kombinierten SPDs bereits berücksichtigt. Hierdurch beträgt die effektive Leitungslänge b = 0m. Im Idealfall können beide vorgenannten Maßnahmen kombiniert werden. Dann stehen die gesamten 0,5m rein für die Leitungslänge a zur Verfügung.
Fehler vermeiden
Im industriellen Umfeld finden sich meist TN-Netzsysteme. Bei dieser Netzform wird üblicherweise für SPDs eine 3+0 Schaltung bzw. eine 4+0 Schaltung verwendet. Die Auftrennung vom TN-C in das TN-S Netzsystem erfolgt dabei oftmals über den zentralen Erdungspunkt (ZEP). Dieser befindet sich häufig in der ersten Niederspannungshauptverteilung (NSHV) nach der Trafostation. Der Leitungslänge nach dem ZEP kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn sie entscheidet, welche Schaltvariante notwendig ist: Im Umfeld bis 0,5m ist es eine 3+0 Verschaltung, bei mehr als 0,5m muss hingegen eine 4+0 Verschaltung gewählt werden (Bild 6). Wichtig ist, dass die vorgeschalteten Sicherungen zuerst zum Kurzschlussschutz des SPDs nach DIN VDE0100-430 dimensioniert werden müssen. Ein weiterer Aspekt ist die Stoßstromfestigkeit. Dafür werden die dem SPD vorgeschalteten Sicherungen unter Berücksichtigung der Herstellerangaben so groß wie möglich gewählt, um eine möglichst hohe Stoßstromfestigkeit zu erreichen. Dies ist eine wichtige Maßnahme, um einen eventuellen Ausfall oder ein Fehlauslösen der zu gering dimensionierten Sicherung im Falle einer Überspannung zu vermeiden Auch hier empfiehlt es sich, Überspannungs-Ableiter mit integrierten Sicherungen oder mit ACI-Technologie zu verwenden, um diese Fehlerquelle automatisch auszuschließen und die Anlagenverfügbarkeit zu erhöhen.
Eine sichere Verfügbarkeit von Anlagen ist Grundanforderung im industriellen Umfeld. Damit sensible Technik, Arbeits- sowie Produktionsprozesse auch störungsfrei laufen und durchgängig funktionieren, sind Vorkehrungen unumgänglich. Wichtiger Baustein ist dabei ein schlüssiges Schutzkonzept gegen gefährliche Überspannungen.
Moderne Technik und sensible Automatisierungssysteme erfordern Schutz - insbesondere vor dem Hintergrund digitaler Arbeitswelten, Industrie 4.0 und smarter Gebäudeausstattungen. Vernetzte Systeme und Prozesse müssen jederzeit zuverlässig verfügbar sein. Maschinen, Anlagen oder Sensoren kommunizieren miteinander und stehen im ständigen Informationsaustausch. Eine kontinuierliche Energieversorgung sowie ein durchgängiger Daten- bzw. Informationsfluss sind hier Grundvoraussetzung. Blitzeinwirkung oder Überspannungen stellen dabei eine Gefahr für Mensch und empfindliche Technik dar. Störungen oder Ausfälle einzelner technischer Komponenten haben weitreichende Konsequenzen für vernetzte Systeme und bedrohen ganze Arbeits- und Produktionsprozesse. Ein Ausfall bedeutet für Unternehmen dabei nicht nur hohe Kosten und Aufwand für die Schadensbehebung, sondern kann sogar die Existenz bedrohen. Ein immenses Risiko, das sich mit einem wirksamen Überspannungsschutzkonzept verhindern lässt.
Dehn + Söhne GmbH + Co. KG
Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU 1 2019 - 27.02.19.Für weitere Artikel besuchen Sie www.schaltschrankbau-magazin.de