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Robotergestützte Montage von Schließzylindern

Per Greifer statt per Hand

Die Montage von Schließzylindern erfordert mehrere kleinteilige Arbeitsschritte. Mithilfe von Roboterzellen lassen sich einige davon effizient automatisieren. Bei der Firma Abus gelangen die Einzelteile über flexible Teilezuführungen zu zwei Scararobotern, die Lage und Position der Teile per Bildverarbeitung erkennen, sie mittels Sauggreifer aufnehmen und zu einem fertigen Schließzylinder zusammensetzen.

Bild: Abus August Bremicker Söhne KG
Zur effizienten Montage von Schließzylindern für Fahrradschlösser setzt die Firma Abus flexible Roboterzellen ein.

Die Firma Abus fertigt am Standort Rehe unter anderem Schließzylinder für Fahrradschlösser in hohen Stückzahlen. Um nicht alle Arbeitsschritte per Hand abzubilden, hat sich das Unternehmen für die Einführung von Roboterzellen entschieden.

Bild: Abus August Bremicker Söhne KG
Die Roboter greifen mittels Sauggreifer die einzelne Teile für das Innere des Zylinders aus den Zuführungen und legen sie in das Gehäuse ein.

Derzeit sind drei ähnliche Anlagen in Betrieb, die erste wurde bereits 2010 in Betrieb genommen. Eine vierte soll in näherer Zukunft folgen. Zwei der Zellen bestehen aus je zwei Scararobotern und einem Vision-System von Omron sowie zehn Teilezuführungen vom Typ Anyfeeder von Flex Factory. In einer dritten kommen ein weiterer Scararoboter und drei Teilezuführungen zum Einsatz.

Flexible Teilezuführung für Roboter

Der Anyfeeder ist eine flexible Teilezuführung für Roboter, die bei Bedarf mit einem eigenen Vision-System ausgerüstet werden kann. So auch in den Roboterzellen bei Abus. Sie ist kompatibel mit gängigen Roboterherstellern, z.B. Stäubli, Epson, ABB oder Universal Robots, verarbeitet Teile zwischen 0,5 und 100mm sowie 0,05 und 100g und eignet sich damit für eine große Anzahl an Anwendungen und Branchen, wie Elektronik, Automobilzulieferung oder Medizintechnik. Auch die Form der Teile ist dabei nahezu egal. Schwierig wird es einzig bei Werkstücken, die sich miteinander verhaken können. Hat ein Teil sehr viele stabile Lagen, wird die Zuführung entsprechend langsamer, denn das Vision-System muss erst erkennen, um welche Lage es sich handelt. Die zum Greifen passende Lage des Werkstücks wird per Vibration erreicht. Die Teilezuführung bringt die Teile durch Rütteln in die richtige Position oder aus dem Bunker nach vorne, falls sich im Feld, das die Kamera erfasst, keine Teile mehr befinden. Darüber hinaus lässt sich eine geplante Anwendung mit einer neuen Produktsorte leicht realisieren. Das ist ein Vorteil gegenüber z.B. einem Schwingförderer, der speziell für eine Anwendung gebaut wird. Die Förderplatten der flexiblen Teilezuführung hingegen können in unterschiedlichen Strukturen ausgeführt werden, um z.B. rollende Teile sicher zu fördern. Hierfür lässt sich die Platte einfach per Hand herausziehen und umgedreht wieder einsetzen, denn sie besitzt jeweils eine glatte und eine strukturierte Seite. Der Anyfeeder lässt sich auch auf einmal komplett entleeren, um das Produkt schnell und einfach zu wechseln. In der Anwendung bei Abus kommen die Zuführungen mit Vision-System zum Einsatz. Der Roboter erkennt die Lage der jeweiligen Teile mit einem eigenen Kamerasystem. Die hier eingesetzten Roboterzuführungen verarbeiten insgesamt drei Produktfamilien. Die hohe Flexibilität des Systems war ein Grund, sich für den Anyfeeder von Flexfactory zu entscheiden. Während das Gesamtsystem extern programmiert wurde, liegt die Kompetenz zu Wartung und Fehlerdiagnose beim Unternehmen selbst. So lässt sich ein längerer Stillstand des Systems meist vermeiden.

Zwei Roboter - zehn Zuführungen

In den beiden baugleichen Roboterzellen stehen um zwei Omron-Scararoboter vom Typ eCobra mit 600 bzw. 800mm Reichweite zehn Anyfeed-Teilezuführungen von Flexfactory. Jeder Schließzylinder muss individuell passend zu einem bestimmten Schlüssel hergestellt werden, sodass nur einer der Schlüssel, die nach einem in der Datenbank hinterlegten Schließplan generiert und geschnitten werden, zu einem Schloss passt. Der Schließzylinder beinhaltet verschiedene Einstellscheiben, die zum Schlüssel passend kombiniert werden müssen. Daraus ergibt sich die hohe Anzahl der benötigten Teilezuführungen, die jeweils eine Sorte der Scheiben zuführen. Die fertig gefrästen Schlüssel werden mit einer Codekarte versehen, auf der der individuelle Schließcode als Barcode abgebildet ist. Diese Codes werden in das System eingelesen. Eine Palette mit 70 Schlüsseln, die nach einem geordneten System abgelegt sind, wird dann dem Roboter in der Zelle bereitgestellt. Sie trägt ebenfalls einen Barcode, den das System einliest. Der Roboter erstellt anhand der eingelesenen Codes die zu den Schlüsseln passenden Schließzylinder. Eine Roboterzelle kann in einem Ladezyklus acht Paletten mit je 70 Schlüsseln verarbeiten. Das Zylindergehäuse wird dem Roboter per klassischem Schwingförderer zugeführt. Durch die Geometrie des Gehäuses eignet er sich an dieser Stelle besser für die Zuführung als der Anyfeeder. Der erste Roboter greift das Zylindergehäuse, das ihm der Schwingförderer zugeführt hat, mit einem Parallelgreifer und setzt es in einen festinstallierten Montagegreifer. Beide Roboter greifen nun parallel mittels Sauggreifer die einzelnen Teile für das Innere des Zylinders aus den Zuführungen und legen sie in das Gehäuse ein. Die Anyfeeder führen insgesamt sechs unterschiedliche Einstellscheiben, eine Zwischenscheibe sowie eine Aushebe- und eine Sperrscheibe zu, um einen vollständigen Schließzylinder zu erstellen. Bei den Robotern handelt es sich um ein Dual-System, bei dem beide Roboter an einer Steuerung hängen. Fehlerhafte Teile bleiben im Anyfeeder liegen und können am Ende des Ladezyklus' nach hinten ausgeworfen werden.

Bild: Abus August Bremicker Söhne KG
Das Vision-System erkennt die Lage der Bauteile. Der Sauggreifer am Roboter greift nur I/O-Teile.

Nachbearbeitung in der dritten Zelle

Im Anschluss an diesen Zyklus werden in der dritten Roboterzelle noch zwei Druckfedern und zwei Riegel in den Zylinder eingesetzt, die die Scheiben im Inneren festhalten. Hierfür kommen ein weiterer Scararoboter und drei Anyfeed-Teilezuführungen zum Einsatz, eine codierte Einlesung der Palette ist nicht nötig. Die drei Roboterzellen sind im Hause Abus selbst geplant und umgesetzt worden, ohne die Hilfe eines Systemintegrators von außen. Beide Anwendungen können bei Bedarf auch noch parallel an einem Handarbeitsplatz ausgeführt werden.

Bild: Abus August Bremicker Söhne KG
Das Endprodukt: Die per Roboter montierten Schließzylinder kommen unter anderem in Fahrradschlössern zum Einsatz.

Kontrolle durch den Menschen

Die anschließende 100%-Kontrolle verbleibt allerdings dauerhaft ausschließlich beim Menschen. "Im Vordergrund steht dabei Aufwand und Nutzen", sagt Christof Neumann, Leiter des Bereichs Maschinenkonstruktion und Fertigungsoptimierung bei Abus. "Das menschliche Auge und Gefühl hat entsprechende Wertigkeit an der Stelle. Außerdem lohnt sich hier eine Automatisierung einfach nicht."

Gründe für die Automatisierung

Vor Einführung der Roboterzellen wurden alle genannten Produktionsschritte komplett in Handarbeit abgebildet. Durch Einführung der Roboteranwendung konnten insgesamt 40 Prozent des Prozesses automatisiert werden. Die Roboterzelle ist bei der Montage der Schließzylinder ungefähr genauso schnell wie ein Mensch. Darüber hinaus können die Roboter bei Bedarf eine zusätzliche Schicht fahren. Hauptargument für die Einführung des Systems bleibt aber die Einsparung der Lohnkosten. So ist eine günstigere Herstellung möglich und die bislang dort beschäftigten Mitarbeiter werden frei für andere Tätigkeiten. Abus hat sich dabei für genau diese Lösung entschieden, da Roboter, Bildverarbeitung und Zuführung aufeinander abgestimmt sind und sich direkt in Betrieb nehmen ließen. Die Verbindung aus Anyfeeder und Omron-Roboter funktioniere sehr gut und reibungslos. Da Flexfactory ein breites Anyfeeder-Sortiment direkt bei Omron vorhält, konnte Abus alle drei Elemente aus einer Hand und fertig integriert beziehen. Flexfactory bietet mit dem Anyfeed-System auch Treiber zu allen gängigen Industrierobotern an. In Europa wurden im Verlauf der letzten 15 Jahren mehr als 8.000 Systeme der Anyfeed-Baureihe installiert (fiz)

flexfactory ag

Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 2 2019 - 15.05.19.
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