Vernetzte Industrie
Es klafft eine Lücke
Ethernetbasierte Echtzeitprotokolle wie Profinet finden in der industriellen Automatisierung und somit zunehmend auch in der Fertigungsindustrie immer häufiger Anwendung. Schätzungen zufolge erreichte das Industrial Ethernet im Jahr 2017 erstmals mehr Marktanteile als die klassischen Feldbusse. Verfechter von Ethernet und den Folgetechnologien sprechen bereits von einem Siegeszug, denn plötzlich sind hürdenfreie Kommunikationswege von der Maschinenebene über die Hallenebene bis hin in die Cloud deutlich einfacher zu realisieren als bisher - ganz im Sinne von Industrie 4.0.
Welche Lücke jedoch bei diesem Prozess zwischen Bewusstsein und Handlungsbereitschaft besteht, zeigt exemplarisch eine aktuelle Umfrage von Indu-Sol unter Planern, Konstrukteuren, Installateuren und Maintenance-Verantwortlichen der Fertigungsautomatisierung. Nahezu alle Befragten beobachten bzw. erwarten eine zunehmende Komplexität industrieller Netzwerke, eine steigende Anzahl vernetzter Geräte und - damit einhergehend - auch mehr Einflussmöglichkeiten auf das Netzwerk sowie massiv ansteigendes Datenaufkommen. Jedoch gibt nur ein vergleichsweise kleiner Teil des selben Panels an, den steigenden Anteil azyklischer Netzlast bei der Planung auch zu berücksichtigen (weniger als 50 Prozent), geschweige denn zu dokumentieren (weniger als 25 Prozent) oder zu überwachen. Es klafft also ganz offensichtlich eine Lücke zwischen der Wahrnehmung der steigenden Vernetzung im Industrie-4.0-Bereich und dem Nachziehen der Realität in produzierenden Unternehmen.
Administratoren für IT und für OT
Eine weitere Konsequenz aus dem Technologiewandel betrifft die Personalzusammenstellung: Für produzierende Unternehmen gehört heute ein IT-Administrator zur Grundausstattung. An einen Administrators für Automatisierungsnetze (Operational Technology/OT) wird jedoch bisher kaum gedacht. Dabei zeigen die Ergebnisse des ersten Umfrage-Charts deutlich, dass OT-Netze stetig komplexer werden. Parallel zu den eigentlichen Instandhaltungsaufgaben ist das von der unternehmenseigenen Maintenance-Abteilung immer weniger handhabbar bzw. wird immer unwirtschaftlicher, weil es immer mehr Zeit beansprucht. Dazu ein Praxisbeispiel: Mit der Topologie-Software PROscan Active V2 wurden die in einem OT-Netzwerk verbundenen Geräte einschließlich ihrer Hard- und Softwarestände erfasst. Ein Ergebnis: Es wurden gleich mehrer Fälle identifiziert, in denen gleiche Geräte unterschiedliche Hard- bzw. Softwarestände aufwiesen. Hier besteht die Gefahr, dass die Geräte in Bezug auf die Kommunikation untereinander nicht kompatibel sind.
Eigenes Personal oder Dienstleister
Das zeigt exemplarisch, dass das Instandhaltungspersonal im laufenden Betrieb typischerweise keine Zeit für die Netzwerkpflege hat. Da eine reibungslose Kommunikation jedoch eine wichtige Grundlage für eine kontinuierliche Produktion ist, bedarf es fester Verantwortlicher, die sich ausschließlich um den Betrieb und die Wartung von OT-Netzen kümmern. Für die Unternehmen stellt sich also die Frage: Eigenes Personal nachqualifizieren oder externe Dienstleister hinzuziehen? Laut Umfrage kann sich immerhin fast jeder Zweite vorstellen, bei der Netzplanung auf externes Knowhow zurückzugreifen. Wenn es in die Praxis der Installation, Ab- und Inbetriebnahme geht, steigt der Bedarf sogar auf knapp 70 Prozent- sehr wahrscheinlich, um wenigstens im Auslieferungszustand optimale Voraussetzungen für einen stabilen und sicheren Betrieb der Maschinen und Anlagen sicherzustellen. Geht es dann an den laufenden Betrieb, ist die Skepsis der Umfrageteilnehmer in Bezug auf externe Unterstützung jedoch noch deutlich zu spüren.
Besonderheiten der OT beachten
Wie lässt sich diese Lücke zwischen der Erkenntnis von struktureller Veränderungen und zaghafter Handlungsbereitschaft schließen? Ein einfaches Besetzen von bewährten IT-Lösungen mit OT-Begriffen, wie es derzeit punktuell versucht wird, ist keine Lösung. Dafür haben IT und OT bei Netzbetrieb und Wartung zu unterschiedliche Prioritäten. In der IT liegt der Fokus zu 100% auf Integrität und Datenschutz. In der OT müssen jedoch vor allem die permanente Verfügbarkeit und geringe Latenzen bei der Datenübertragung sichergestellt sein. Dem Thema Sicherheit darf die Verfügbarkeit des Netzwerks nicht geopfert werden. Dennoch kann die Automatisierung von der IT lernen: Im IT-Bereich würde heute niemand mehr ein Netzwerk ohne zugehöriges Monitoring planen bzw. installieren, geschweige denn die Verantwortung dafür übernehmen. Das Nachvollziehen von Datenübertragungswegen und Informationen zur Netzauslastung gehört hier längst zum Standard. In ethernetbasierten OT-Netzwerken wie Profinet treten neben dem bekannten zyklischen Datenverkehr zunehmend sporadische und nicht reproduzierbare Ereignisse auf. Zwar führen diese nicht immer gleich zu einem Anlagenstillstand - sie sind jedoch sichere Anzeichen dafür, dass etwas im Netzwerk nicht stimmt. Nur eine permanente Überwachung des Datenverkehrs kann in diesen Fällen historische Daten und damit Ansatzpunkte für eine Ursachenforschung liefern, um Qualitätsminderungen im Produktionsprozess vorzubeugen oder gar sicherheitsrelevante Vorfälle zu erkennen.
Konzept für Monitoring und Security
Indu-Sol bietet dazu ein durchgängiges Konzept an. Innerhalb des OT-Netzwerks überwacht ein passiver Datensammler den logischen Datenverkehr im Netzwerk. Er ermittelt nicht nur den Netzwerkzustand und gibt verfügbarkeitsrelevante Hinweise, sondern verfügt zusätzlich über einige Security-Funktionen. In Sachen Infrastrukturkomponenten verfügen einige Switches der Baureihe PROmesh über eine integrierte Router-Funktionalität, um die Zugriffe von außen zielgerichtet zu steuern. Außerdem leisten sie eine Netzwerkdiagnose und überwachen teilweise sogar die EMV-Belastung der Datenleitungen. Netzwerkübergreifend bündelt die zentrale Monitoring-Software PROmanage NT alle erfassten Zustände und Diagnosemeldungen auf einem Server zum Gesamtzustand und bereitet die Informationen grafisch auf. Eine Tiefenanalyse ist jederzeit möglich, da historische Daten minutenaktuell bis 365 Tage in die Vergangenheit verfügbar bleiben.
Heute die Voraussetzungen schaffen
Bereits mit wenigen kleinen, aber entscheidenden Aktionen können Betreiber also bereits heute die Voraussetzungen schaffen, um sicher ins Industrie 4.0-Zeitalter zu starten. Die Indu-Sol-Umfrage zeigt klar, dass die Maschinen- und Anlagenlieferanten von morgen die Herausforderungen für Stabilität und Sicherheit in einer vernetzten Produktion zwar kennen, zumindest aber unsicher sind, welche Konsequenzen dieses Wissen in der Praxis haben soll. Die Folge aus Sicht des Betreibers ist im schlimmsten Fall eine vollkommen heterogene Netzwerkinfrastruktur mit zahlreichen Lieferanten. Existieren seitens des Betreibers keine Vorgaben für die Hard- und Softwareauswahl, obliegt die Auswahl dieser Standard-Komponenten zudem dem Maschinenbauer. Der erste Schritt für Betreiber wäre also eine klare Festschreibung der eigenen Anforderungen an die Maschinen und Anlagen in einer technischen Lieferspezifikation, um eine Einheitlichkeit in der Netzinfrastruktur zu schaffen und dessen Handling zu erleichtern. Dazu gehört neben Kriterien für die Hardware-Auswahl auch die Festlegung der Monitoring-Software zur Überwachung im laufenden Betrieb. Zudem ist es in einer vernetzten Produktion nicht mehr zeitgemäß, dass jeder Maschinenbauer sein eigenes Netzwerk mitbringt. Das Netzwerk wird sich in absehbarer Zeit von der Maschine lösen und es werden Datenübergangspunkte für die Einbindung von Maschinen geschaffen werden. Der Anwender sollte aber grundsätzlich das Netz bis zum ersten Switch im Schaltschrank der Maschine in seiner Hand behalten.
Ethernetbasierte Echtzeitprotokolle wie Profinet finden in der industriellen Automatisierung und somit zunehmend auch in der Fertigungsindustrie immer häufiger Anwendung. Schätzungen zufolge erreichte das Industrial Ethernet im Jahr 2017 erstmals mehr Marktanteile als die klassischen Feldbusse. Verfechter von Ethernet und den Folgetechnologien sprechen bereits von einem Siegeszug, denn plötzlich sind hürdenfreie Kommunikationswege von der Maschinenebene über die Hallenebene bis hin in die Cloud deutlich einfacher zu realisieren als bisher - ganz im Sinne von Industrie 4.0.
Welche Lücke jedoch bei diesem Prozess zwischen Bewusstsein und Handlungsbereitschaft besteht, zeigt exemplarisch eine aktuelle Umfrage von Indu-Sol unter Planern, Konstrukteuren, Installateuren und Maintenance-Verantwortlichen der Fertigungsautomatisierung. Nahezu alle Befragten beobachten bzw. erwarten eine zunehmende Komplexität industrieller Netzwerke, eine steigende Anzahl vernetzter Geräte und - damit einhergehend - auch mehr Einflussmöglichkeiten auf das Netzwerk sowie massiv ansteigendes Datenaufkommen. Jedoch gibt nur ein vergleichsweise kleiner Teil des selben Panels an, den steigenden Anteil azyklischer Netzlast bei der Planung auch zu berücksichtigen (weniger als 50 Prozent), geschweige denn zu dokumentieren (weniger als 25 Prozent) oder zu überwachen. Es klafft also ganz offensichtlich eine Lücke zwischen der Wahrnehmung der steigenden Vernetzung im Industrie-4.0-Bereich und dem Nachziehen der Realität in produzierenden Unternehmen.
Indu-Sol GmbH
Dieser Artikel erschien in INDUSTRIAL COMMUNICATION JOURNAL 1 2019 - 06.03.19.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de