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Ein Zwischenruf von Martin Rostan, Executive Director, Ethercat Technology Group

Das Ende der Feldbuskriege?

"Die Zeit der Feldbuskriege ist vorbei, endlich kommt der einheitliche Kommunikationsstandard, den alle unterstützen. Alle Geräte werden interoperabel sein und sich problemlos mit den Tools dritter Hersteller konfigurieren lassen: konformitätsgetestet und zertifiziert. Der neue Standard wird gleich stabil sein und es wird daher keine Versionierungsprobleme geben - zumindest werden alle Versionen vollständig abwärtskompatibel sein. Performance wird auch kein Thema mehr sein, weil die neue Technologie ja viel schneller sein wird als alle bestehenden. Die Implementierung der Geräte wird ganz einfach und mit Standard-Chips zu realisieren sein - schließlich setzt man ja durchgängig auf IT-Standards. Deshalb werden auch die Kosten sinken. IT-Know-How wird der Inbetriebnehmer aber keines brauchen, und Cyber-Security wird auch keine Herausforderung mehr sein, weil die Prozessdaten ja verschlüsselt werden und jeder Sensor ein Zertifikat bekommt, das sich selbst regelmäßig aktualisiert. Und die Feldbusorganisationen werden überflüssig sein, weil es ja nur noch einen Standard gibt. Ach ja, und ab Ende 2019 werden die erforderlichen Produkte verfügbar und Anlagen mit dem neuen Standard realisierbar sein. Möglich macht dies die OPC Foundation (die selbsternannte 'United Nations der Automatisierungstechnik') mit der neuen Field Level Communications (FLC) Initiative."

Bild: Ethercat Technology GroupBild: Ethercat Technology Group
Ethercat wird TSN-Technologien dort nutzen, wo dies sinnvoll ist: zur Verbesserung der Echtzeitfähigkeit bei der Interaktion von Maschinen.

So ungefähr sehen die Träume aus, die zurzeit von den Marketing-Abteilungen einiger Protagonisten als Realität dargestellt werden. Schließlich machen ja fast alle großen Automatisierungsanbieter weltweit bei der Initiative mit - was soll da noch schief gehen?

Bild: Ethercat Technology GroupBild: Ethercat Technology Group
Martin Rostan ist seit 27 Jahren im Bereich der Industriekommunikation tätig. Seit 14 Jahren ist er Executive Director der Ethercat Technology Group und er hält die gegenwärtig viel beschriebenen Erwartungen an OPC UA und TSN für überzogen. Zudem werde d

Ich denke, es wird Zeit, ein wenig Wasser in den Wein zu gießen!

Fangen wir mit den aktuellen Mitgliedern des FLC-Steering Committees an: Die 23 Firmen haben zusammen zwar einen großen Marktanteil in der Automatisierungsbranche, sie haben aber durchaus unterschiedliche Interessen. Nach meiner Einschätzung bilden sie vier Gruppen: Die erste Gruppe sind die Verlierer des letzten Feldbuskrieges. Sie konnten sich mit ihrer eigenen Industrial-Ethernet-Lösung nicht durchsetzen und suchen nun nach einem Nachfolger. Die zweite Gruppe sieht OPC UA zwar als geeignete Technologie für die Kommunikation zwischen Steuerungen, favorisiert unterhalb der Steuerung aber ein anderes Bussystem - und wird dieses sicherlich nicht zugunsten von OPC FLC aufgeben. Die dritte Gruppe möchte den anderen Komponenten und Chips verkaufen. Deren Mitglieder haben übrigens naturgemäß wenig Interesse daran, dass das entstehende System auf Standard-IT Komponenten basiert. Und die vierte Gruppe ist vermutlich die größte: Ich nenne sie die FOMO-Gruppe ('Fear Of Missing Out'). Da könnte ja was von Bedeutung entstehen, da bin ich dann doch lieber dabei.

Wer gehört zu welcher Gruppe? Nun, die Mitglieder der ersten Gruppe trommeln naturgemäß am lautesten für die Initiative. Hier zeigt die Erfahrung, dass nicht jede Trommelei zur Realisierung oder gar zur Marktdurchdringung führt. So kündigte die EPSG im Jahre 2006 Gigabit Powerlink an, und 2010 wurde Opensafety als das einheitliche, busunabhängige Protokoll für funktionale Sicherheit propagiert (Spoiler: bis heute gibt es meines Wissens nach weder Gigabit Powerlink noch ein einziges zertifiziertes Opensafety-Gerät, das nicht auf Powerlink basiert). Aber Papier ist ja bekanntlich geduldig. Und Powerlink ist nun ohnehin Geschichte.

Beckhoff und Kuka haben bisher am deutlichsten gesagt, dass man OPC als relevanten offenen Kommunikationsstandard nachhaltig unterstützt, aber unterhalb der Steuerung natürlich weiterhin auf Ethercat setzt. Siemens, Rockwell und Mitsubishi sehen das wohl entsprechend ähnlich.

EtherCAT Technology Group

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN Hannover Messe 2019 - 26.03.19.
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