Bewährte Technik plus Plattformökonomie
Leitmesse für digitale Prozesse
Auf der Hannover Messe bündelt die Leitmesse Digital Factory mehr Lösungen für integrierte und digitale Prozesse als je zuvor. Neben den ursprünglichen Kernthemen der Messe rund um den Produktlebenszyklus, die Produktionssteuerung und Geschäftsanwendungen treten weitere Themen in den Vordergrund: Cloud-Plattformen, künstliche Intelligenz und Maschinenlernen.
Auf der Hannover Messe sind zweieinhalb Hallen Software und IT-Lösungen für die Industrie gewidmet: die Hallen 6 und 7 vollständig und wie gehabt auch ein großer Teil der Halle 8. Es ist also mehr als die Hälfte der Halle 6 hinzugekommen. Ein Ende der Nachfrage nach Ausstellungsfläche ist noch nicht abzusehen. Denn neben der Vergrößerung bereits bekannter Stände kommen zahlreiche Aussteller hinzu, die deutlich mehr als Standard-IT anbieten. Und weil das Gesamtangebot im Fluss ist, wird es auch noch Zeit brauchen, bis sich die neuen Kernbereiche mit den älteren harmonisiert haben. Wer die Debatte sucht und Experten unterschiedlicher Herkunft - und damit ist die Fachrichtung ebenso gemeint wie Nationalität und Kontinent - hören oder sprechen will, wird auch 2018 in Halle 8 fündig. Hier hat sich das Forum Industrie 4.0 als überregionale Plattform etabliert, um den Stand der Initiative und ihrer Standardisierungsbemühungen zu diskutieren. Wobei sich das Industrial Internet Consortium (IIC) aus den USA daran ebenso beteiligt wie benachbarte Gemeinschaftsstände von französischen und spanischen Pendants zur Initiative Industrie 4.0. Aber auch Sonder- und Gemeinschaftsstände mit anderem Fokus zeigen Forschungsergebnisse, Projekte oder Pilotanwendungen, die den Rahmen der normalen Messeausstellung einzelner Anbieter sprengen würden.
Kern bleibt erhalten
Die Struktur des Angebots in Halle 7 verändert sich gegenüber dem vergangenen Jahr nur wenig. Anbieter von Manufacturing Execution-Systemen (MES) und Enterprise Resource Planning-Lösungen (ERP) sind in gewohnter Breite versammelt. Die etablierte MES-Tagung feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: Am 26. April findet sie zum zehnten Mal im Convention Center statt. Was sich schon in den letzten Jahren in Halle 7 andeutete, setzt sich fort: Künstliche Intelligenz und Maschinenlernen sind neue Kernthemen, die nun ebenfalls einen festen Platz auf der Messe haben. IBM, Microsoft und SAP zählen zu den größten Anbietern, die in Hannover vertreten sind. Die größten Veränderungen gibt es in Halle 6. Zwar stellen die Anbieter von Standardsoftware für Engineering und Datenmanagement, CAD/CAM für Mechanik und Elektrotechnik ebenso wie PDM und PLM weiterhin dort aus. Den mittlerweile größeren Teil der Fläche belegen indes IT-Firmen, deren Portfolio wenig in die gängigen Kategorien für industrielle IT passt.
Viele neue IT-Plattformen
Mehrere Themen ragen dabei heraus. Schon länger gab es eine Diskussion darüber, wie künftig Dienste von der Industrie für die Industrie angeboten werden. Diese Diskussion hat sich inzwischen gesetzt. Überall schießen Plattformen für Industrie-Apps aus dem Boden. Siemens beispielsweise hat gerade mit Mindsphere World einen Verein gegründet, der weltweit dazu beitragen soll, das Ökosystem um das IoT-System zu etablieren. Dassault Systèmes gab im Februar bekannt, mit 3DExperience Make einen Marktplatz eröffnet zu haben, auf dem Firmen Entwicklung, Produktion und Vermarktung ihrer Erzeugnisse online organisieren können. Mehr zu diesen Plattformen findet sich gewiss auf den Messeständen der Unternehmen in Hannover. Bei allen entstehenden Industrieplattformen trifft man auf ein Mehrschichtensystem: Ein Cloud-Provider bietet den Zugang zu Service und Speicherplatz im Netz, ein Plattformanbieter stellt den Service für die Industrie bereit, möglicherweise stellen zusätzliche Partner KI und Big Data Analytics zur Verfügung, und die Industrie schließlich kann für ihre Kunden Apps über die Plattform vermarkten. Deshalb spielen auch die Infrastrukturangebote für Cloud und Internet eine wachsende Rolle auf der Industriemesse. Es wird immer schwieriger, Aussteller nur einem Schwerpunkt zuzuordnen. IT-Technologie für die industrielle Wertschöpfungskette wie PLM, CAx, MES und ERP ist das eine, Plattformservice etwas Zweites, Cloud und Vernetzung ein Drittes, KI, Big Data und Maschinenlernen ein Viertes. Wie in den Anfangszeiten der IT gibt es bei dem einen alles oder vieles davon aus einer Hand, während sich andere auf einen bestimmten Aspekt konzentrieren.
Noch mehr Global Players
Telekom, Cisco, Huwaei, Haier, Intel - wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass diese Unternehmen auf der Hannover Messe ausstellen? Dabei deuten diese Namen auf einen weiteren Wandel hin. Neben den deutschen und US-amerikanischen Anbietern sind chinesische Hersteller und Technologielieferanten mit großen Ständen vertreten. Die Konzerne stehen für den Anspruch Chinas, die westliche Industrie in absehbarer Zeit mit Hightech ein- oder sogar überholen zu wollen. Und die Diversifizierung geht mindestens so weit wie bei den westlichen Wettbewerbern. Huawei kommt nicht wegen des Smartphones, Haier nicht mit Kühlschränken.
Startups und Ausgründungen
Die Phoenix Contact-Tochter Protiq ist zum zweiten Mal in Hannover, um ihren Online-Marktplatz zu bewerben, der Anwendern erlaubt, hochgeladene Modelle automatisiert mit 3D-Druck fertigen zu lassen. Hiert konkurriert der Ableger eines Elektronik-Herstellers unter anderem mit dem Engineering-Softwarekonzern Dassault Systèmes. Nach einer längeren Phase der Konsolidierung hat die begonnene Digitalisierung der Industrie dazu geführt, dass es auf der Hannover Messe eine ernstzunehmende Zahl Startups und Firmenausgründungen geben wird. Zum Thema Additive Manufacturing finden sich erneut zahlreiche große und kleine Anbieter sowie das 4. Additive Manufacturing Symposium. Lösungen zum Schutz vor Hackern bündelt die Deutsche Messe in Halle 6. Alles in allem verspricht die Digital Factory als Teil der kommenden Hannover Messe, mit dem erweiterten Messeslogan 'Connect & Collaborate' einen weitreichenden Blick auf die Trends der industriellen IT zu vermitteln. Wer sich über Möglichkeiten zur vernetzten Zusammenarbeit in neuen Ökosystemen erkündigen möchte, dürfte im April in Hannover genau an der richtigen Adresse sein. n Technolgieanalyst und Autor.
Auf der Hannover Messe bündelt die Leitmesse Digital Factory mehr Lösungen für integrierte und digitale Prozesse als je zuvor. Neben den ursprünglichen Kernthemen der Messe rund um den Produktlebenszyklus, die Produktionssteuerung und Geschäftsanwendungen treten weitere Themen in den Vordergrund: Cloud-Plattformen, künstliche Intelligenz und Maschinenlernen.
Auf der Hannover Messe sind zweieinhalb Hallen Software und IT-Lösungen für die Industrie gewidmet: die Hallen 6 und 7 vollständig und wie gehabt auch ein großer Teil der Halle 8. Es ist also mehr als die Hälfte der Halle 6 hinzugekommen. Ein Ende der Nachfrage nach Ausstellungsfläche ist noch nicht abzusehen. Denn neben der Vergrößerung bereits bekannter Stände kommen zahlreiche Aussteller hinzu, die deutlich mehr als Standard-IT anbieten. Und weil das Gesamtangebot im Fluss ist, wird es auch noch Zeit brauchen, bis sich die neuen Kernbereiche mit den älteren harmonisiert haben. Wer die Debatte sucht und Experten unterschiedlicher Herkunft - und damit ist die Fachrichtung ebenso gemeint wie Nationalität und Kontinent - hören oder sprechen will, wird auch 2018 in Halle 8 fündig. Hier hat sich das Forum Industrie 4.0 als überregionale Plattform etabliert, um den Stand der Initiative und ihrer Standardisierungsbemühungen zu diskutieren. Wobei sich das Industrial Internet Consortium (IIC) aus den USA daran ebenso beteiligt wie benachbarte Gemeinschaftsstände von französischen und spanischen Pendants zur Initiative Industrie 4.0. Aber auch Sonder- und Gemeinschaftsstände mit anderem Fokus zeigen Forschungsergebnisse, Projekte oder Pilotanwendungen, die den Rahmen der normalen Messeausstellung einzelner Anbieter sprengen würden.
Ulrich Sendler
Dieser Artikel erschien in i40-magazin.de 2 2019 - 01.02.19.Für weitere Artikel besuchen Sie