Fachartikelserie GPS Digital, Teil 2:Industrie 4.0 in der Praxis
Roboter bauen mit Masterplan
Roboter, die Roboter produzieren - diese Vision hat Kuka bereits weitreichend umgesetzt. Das Ulmer Softwarehaus GPS hat untersucht, wie es um das Industrie 4.0-Konzept in der Fertigungsstätte des Augsburger Unternehmens bestellt ist.
Angenommen jemand betritt erstmals eine industrielle Fertigungsstätte. Das erste, was derjenige sieht, ist eine gelb-schwarz markierte Abgrenzung auf dem Fußboden. Innerhalb dieser Abgrenzung dürfen sich Menschen bewegen. Die übrige Halle, etwa 98 Prozent der Fläche, sind den Robotern und Maschinen vorbehalten. Das nächste was er sieht ist ein AGV, ein 'Automated Guided Vehicle', ein fahrerloser Zug mit Anhängern. Dieser ist mit verschiedenen Werkstücken und Werkzeugen beladen. Der Zug stoppt an einer verglasten Bearbeitungszelle, ein Roboterarm nimmt ein größeres Werkstück von einem Anhänger, und der Zug fährt weiter zur nächsten Bearbeitungszelle. In der Zelle, einem Areal mit ca. 8x8m Fläche, wird das Werkstück von Robotern weiterbearbeitet. Alles, was in der dort geschieht, wurde zuvor exakt geplant, berechnet und in seinem virtuellen Einsatzraum simuliert. Bei Kuka nennt man dies 'rechnergestützte Planungswerkzeuge' (Kuka-Sim). Am Ende der Berechnung haben die Ergebnisse der Simulation gegenüber dem Realbetrieb eine Abweichung von weniger als einem Prozent - sie ist also sehr genau.
Ein Schritt pro Zelle
In der Bearbeitungszelle wird nur der erste Bearbeitungsschritt ausgeführt. Eine Fertigungsstraße benötigt somit mehrere Bearbeitungszellen, von denen jede individuell mit unterschiedlichen Robotern und Werkzeugen ausgestattet ist. Diese liegen in Linien nebeneinander und innerhalb einer Linie hintereinander. Jede Zelle hat in ihrer Grundausstattung etwa zehn fest definierte Fähigkeiten, wie z.B. Heben, Fräsen, Bohren, Schweißen, etc. Je nach Produkt werden die benötigten Werkzeuge an den verschiedenen Bearbeitungszellen bereitgestellt. Diese Aufgabe übernehmen die angesprochenen AGVs. Dieses fertige Gebilde aus Bearbeitungszellen und automatisch gesteuerten Fahrzeugen wird auch Matrixproduktion genannt. Vor noch nicht allzu langer Zeit war die Auflösung einer Stückliste in ihre Einzelteile und deren Zuordnung zu Arbeitsplätzen und Arbeitsgängen die hohe Kunst der 'Produktions-IT'. Damals kam die Produktions-Planungs- und Steuerungs-Software (PPS-Software) ins Spiel. Die Mitarbeiter waren nun dazu angehalten, das zu tun, was der Computer vorgab. Eine große Umstellung, denn über lange Zeit war es der Mensch gewohnt, die höchste Entscheidungsinstanz zu sein. Stellt man sich nun den vergleichsweise simplen Algorithmus einer Stücklistenauflösung der Steuerung des Materialflusses und des Werkzeugeinsatzes in einer Matrixproduktion gegenüber, ist dieses Programm sicher um einiges komplexer. Speziell unter Berücksichtigung alternativer Fertigungsabläufe im Falles eines Maschinenausfalls. Auch das muss vorausgeplant sein, ohne zu wissen, welche Maschine in welcher Bearbeitungszelle ausfällt. Es entstehen große Datenmengen.
Von Big Data zu Smart Data
Weltweit installierte Roboter, Maschinen und auch ganze Anlagen senden Daten in die Cloud. Dann beginnt die Suche nach Regelmäßigkeiten und Auffälligkeiten - so wird aus Big Data Smart Data. Auch werden Umgebungsbedingungen und -parameter aufgezeichnet und ausgewertet, immer auf der Suche nach möglichen Einflussfaktoren auf die Produktivität. Auch die subjektiven Entscheidungen der Kunden, wie und wie häufig sie in welchem Fall agieren werden festgehalten.
Daten auswerten
Die Auswertung dieser Daten übernehmen Spezialisten, die durch weltweiten Erfahrungs- und Wissensaustausch spezielle Kompetenzen über die Planung und Gestaltung flexibler Fertigungsstraßen aufbauen. Unterstützt werden sie dabei von Data-Scientists. Sie alle entwickeln in einem agilen Prozess nach einer Zieldefinition. Nach wiederum definierten Meilensteinen in der Entwicklung erfolgt eine Kontrolle und gegebenenfalls eine Korrektur. Ziele des Unternehmens sind einerseits der Aufbau von flexiblen Fertigungsstraßen und andererseits der Bau von Robotern für die Mensch-Maschine-Kommunikation.
Was kommt danach?
Sind flexible Fertigungsstraßen für die Herstellung unterschiedlicher, individualisierter Produkte aus heutiger Sicht die Zukunft, kann man bereits fragen, was danach kommt? In den 1960er Jahren gab es die Vision einer Fabrik, die ganze Fabriken herstellen konnte. Möglicher weise ist dies der übernächste Schritt: Vielleicht ist es dann möglich, nicht nur Produkte, sondern auch ganze Fertigungsstraßen nach einem Masterplan zu bauen.
Roboter und Mensch
Aktuell werden Roboter werden immer handsamer. Beispielsweise können Roboterarme eine sensitive Hülle haben, die bei der feinsten Berührung zum Stopp der Bewegungen führt. Überhaupt scheint die Nähe des Menschen zum Roboter unabdingbar zu sein. Für die Programmierung, Inbetriebnahme und Bedienung von Robotern werden weltweit immer mehr Menschen benötigt.
Die Reise zum Mittelpunkt der Industrie 4.0
Im Zusammenhang mit dem Begriff Industrie 4.0 hört man oft Schlagworte wie intelligent, digital vernetzt, selbstorganisierende Produktion und gar Digitalisierung der Wirtschaft. Was Digitalisierung eigentlich ist, und wie eine sich selbstorganisierende Produktion funktioniert, wird kaum näher erläutert. An einem Beispiel lässt sich hervorragend veranschaulichen, was mit aktueller Technologie möglich ist: Angenommen man steht vor der Aufgabe, die maximale Arbeitsgeschwindigkeit eines Palettier-Roboters herauszufinden, der mittels Unterdrucks einzelne Packstücke anhebt und auf eine Palette setzt. Der Lösungsansatz besteht darin, alle Parameter zu messen, die auf die Arbeitsgeschwindigkeit Einfluss haben könnten, unter anderem Gewicht der Packstücke, Qualität des Vakuums in den Saugnäpfen, Raumtemperatur, Luftfeuchtigkeit, Rauheit der Oberfläche des Kartons bis zum Alter und der Nutzungszahl der Saugnäpfe. Das muss natürlich in unterschiedlichen Messreihen mit veränderten Parametern mehrmals gemessen werden. Alle Messwerte kommen in die Cloud und bilden dort einen kleinen Teil der vielzitierten Big Data.
Dann kommt der zweite Teil, die Datenanalyse. Mit den Methoden des Data Mining versucht man Korrelationen zwischen den verschiedenen Parametern, also den Einflussgrößen auf die Arbeitsgeschwindigkeit, zu finden. Hat man diese Korrelation gefunden, dann weiß man mit hinreichender Sicherheit, dass die maximale Arbeitsgeschwindigkeit eines Palettier-Roboters dann erreicht wird, wenn das Gewicht gleich oder kleiner 'g' ist, die Luftfeuchtigkeit mindestens 'rF', das Vakuum in den Saugnäpfen mindestens 'Va' ist und, und, und - also die Werte weiterer Parameter.
Diese Werte werden nun im Roboter beziehungsweise im Steuerrechner des Roboters gespeichert. Der Roboter misst ständig - vielleicht nicht alle, aber einige wesentliche Parameter, z.B. den Unterdruck in den Saugnäpfen - und vergleicht sie mit seinen gespeicherten Optimalwerten. Weicht ein Parameter davon ab, kommuniziert der Roboter mit seiner Umgebung, das heißt er gibt die Abweichung an die Vakuumpumpe weiter, um bei dem Beispiel zu bleiben, die daraufhin den Unterdruck erhöht. Wären dies Menschen, würde man sagen: schlau. Da es sich um Maschinen handelt, nennt man das künstliche Intelligenz.
Roboter, die Roboter produzieren - diese Vision hat Kuka bereits weitreichend umgesetzt. Das Ulmer Softwarehaus GPS hat untersucht, wie es um das Industrie 4.0-Konzept in der Fertigungsstätte des Augsburger Unternehmens bestellt ist.
Angenommen jemand betritt erstmals eine industrielle Fertigungsstätte. Das erste, was derjenige sieht, ist eine gelb-schwarz markierte Abgrenzung auf dem Fußboden. Innerhalb dieser Abgrenzung dürfen sich Menschen bewegen. Die übrige Halle, etwa 98 Prozent der Fläche, sind den Robotern und Maschinen vorbehalten. Das nächste was er sieht ist ein AGV, ein 'Automated Guided Vehicle', ein fahrerloser Zug mit Anhängern. Dieser ist mit verschiedenen Werkstücken und Werkzeugen beladen. Der Zug stoppt an einer verglasten Bearbeitungszelle, ein Roboterarm nimmt ein größeres Werkstück von einem Anhänger, und der Zug fährt weiter zur nächsten Bearbeitungszelle. In der Zelle, einem Areal mit ca. 8x8m Fläche, wird das Werkstück von Robotern weiterbearbeitet. Alles, was in der dort geschieht, wurde zuvor exakt geplant, berechnet und in seinem virtuellen Einsatzraum simuliert. Bei Kuka nennt man dies 'rechnergestützte Planungswerkzeuge' (Kuka-Sim). Am Ende der Berechnung haben die Ergebnisse der Simulation gegenüber dem Realbetrieb eine Abweichung von weniger als einem Prozent - sie ist also sehr genau.
GPS Gesellschaft zur Prüfung von Software mbH
Dieser Artikel erschien in IT&Production Mai 2019 - 10.05.19.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com