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Low Cost Automation bei der Zucht von Regenwürmern

Das Wurm-Shuttle von Düren

Massentierhaltung mal anders, nämlich nicht auf Kosten des Tierwohls? Findet man im nordrhein-westfälischen Düren, auch wenn es sich nicht um klassische Nutztiere handelt. Denn dort steht eine professionelle Wurmzucht, vermutlich die einzige in Deutschland und vermutlich die am weitesten automatisierte weltweit. Die nötigen Anlagen dafür wurden vom Unternehmer selbst in bester Daniel-Düsentrieb-Manier entwickelt und gebaut - mit einem Fokus auf kostengünstige, aber zuverlässige Automatisierungstechnik.

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Ein autonomes Transportfahrzeug beliefert bei Superwurm die Versorgungslinie mit den Wurmkisten.

Würmer stehen hoch im Kurs: Sie sind nicht nur als Köder im Angelsport sehr gefragt. Auch als Futtermittel für exotische Haustiere wie Reptilien werden sie benötigt. Zudem besinnen sich Landwirte und (Hobby-) Gärtner wieder verstärkt auf diese Tiere, die lange Zeit zu Unrecht als Schädlinge gebrandmarkt wurden. Denn Regenwürmer, im Fachjargon Riesenrotwürmer, fressen abgestorbenes pflanzliches Material und lockern dabei den Boden auf. So kann Wasser schneller in tiefere Schichten abfließen, was Staunässe verhindert und den Wurzeln gut tut. Darüber hinaus ist Wurmhumus - also das Stoffwechselprodukt des Rotwurms - ein ausgezeichnetes und chemiefreies Düngemittel. Ô

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Das FTS dockt an die Depalletierstation an, wo die Kisten von einem Greifsystem auf der Förderstrecke vereinzelt werden.

Rückkehr zum Regenwurm

Über diesen Trend ist Martin Langhoff, Deutschlands wohl einziger professioneller Wurmzüchter, hoch erfreut. Denn diese Rückkehr zum Regenwurm macht einen steigenden Anteil seines Geschäfts aus. Würmer mögen nämlich keinen Kunstdünger, weswegen sie in den Böden vieler Nutzflächen kaum noch zu finden sind. Ökologisch bzw. nachhaltig orientierte Landwirtschafts- und Gärtnereibetriebe und auch Hobbygärtner wollen das ändern und wenden sich immer zahlreicher an Langhoffs Unternehmen mit dem bezeichnenden Namen Superwurm. Dessen Angebot umfasst nicht nur die ausgewachsenen Futter- bzw. Kompostwürmer und deren Eier, so genannte Kokons, sondern auch den bei der Aufzucht in großen Mengen entstandenen Wurmhumus. Die Reise zur Wurmzucht beginnt für Langhoff, als sein kleiner Sohn mit einer handvoll gesammelter Regenwürmer nach Hause kommt, und dem Vater knifflige Fragen zu deren Lebens- und Verhaltensweise stellt. Auf der Suche nach entsprechenden Antworten stößt Langhoff im Internet auf so genannte Wormfarms, die den Fachhandel beliefern - z.B. Anglerbedarf- oder Tierfuttermittelgeschäfte. In verschiedenen europäischen Ländern gibt es damals solche Anbieter, aber noch keinen in Deutschland. So entsteht über die ersten Jahre dieses Jahrtausends in Düren aus einer fixen Idee ein mittelständisches Unternehmen, in dem längst die komplette Familie eingespannt ist. Und das sich seither eindrucksvoll weiterentwickelt hat.

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Das FTS dockt an die Depalletierstation an, wo die Kisten von einem Greifsystem auf der Förderstrecke vereinzelt werden.

Harte körperliche Arbeit

In den Anfängen bekommt Martin Langhoff schnell zu spüren, warum es auf dem hiesigen Markt keine anderen Wurmfarmen gibt. Man benötigt spezielles Knowhow und Erfahrung sowie viel Platz - zudem ist die Wurmzucht harte körperliche Arbeit. Denn in den anderthalb Monaten, die ein Rotwurm zum Großwerden benötigt, muss die Kunststoffkiste, in der er mit vielen Artgenossen lebt, wöchentlich mit Wasser, Futter und frischer Erde versorgt werden. Auch das Separieren von Würmern und Erde vor dem Verkauf ist händisch eine Sisyphus-Arbeit. Zudem ist der Preisdruck auf diesem Markt durchaus hoch. Aber der frisch gebackene Wurmfarmer steckt den Kopf nicht in den Sand, sondern besinnt sich seiner beruflichen Anfänge als Maschinenschlosser. Zwar hatte Langhoff längst als Programmierer und Entwickler auf den IT-Sektor umgeschwenkt, seine Leidenschaft für den Maschinenbau hat er aber nie verloren. Und so kommt es wie es kommen muss. Er beginnt, Apparate und Maschinen zu konstruieren, die Prozessabschnitte der Wurmzucht automatisieren - in vielen Fällen betritt er dabei komplettes Neuland.

Bezahlbare Automatisierung

So hat Langhoff mittlerweile eine Vielzahl von Anlagen erfunden und gebaut. Sie trennen z.B. die Würmer von der Erde. Oder sortieren sogar die Millimeter großen Kokons aus - mit einem weltweit einzigartigen Prozess, der im Vergleich zur Handarbeit eine unerreichbare Effizienz bietet. Auch die neueste Maschine ist ein absolutes Unikat. Sie setzt auf moderne Bildverarbeitung, um Würmer automatisiert und schonend zu vereinzeln. Allen Anlagen gemein ist: Sie wurden mit Low-Cost-Automation-Lösungen von Igus automatisiert. "Die Automatisierung war unsere einzige Waffe, um im Preiskampf bestehen zu können", erklärt Martin Langhoff. Doch auch dabei waren die Kosten der limitierende Faktor. "Die Technik für die Wurmfarm musst vor allem bezahlbar sein." Abstriche seien hingegen bei der Präzision erlaubt. "Die Lösungen müssen nicht so genau wie möglich, sondern nur so genau wie nötig sein." Doch auch wenn die Ansprüche an dieser Stelle nicht die höchsten sind: "Die Technik muss in jedem Fall unkompliziert, zuverlässig und robust sein", betont Langhoff, "denn eine Wurmfarm ist schließlich kein Reinraum. Staub und Schmutz setzen den Maschinen und der darin verbauten Automatisierungstechnik schon ordentlich zu." Ein gutes Beispiel bietet hier eine Langhoff-Maschine, die für kleine Löcher in den Versandboxen sorgt. Sie basiert auf einem Linearportal mit adaptierten Bohrer. Bei dieser Applikation muss die Automatisierung nicht nur dem Schmutz aus der Umgebung standhalten. Auch die Plastikspäne, die im Prozess anfallen, dürfen die Lineartechnik nicht störend beeinflussen. Die Low-Cost-Lösung von Igus hat sich hier gut bewährt. "Ein konventionelles Portal wäre für diese Anwendung nicht bezahlbar gewesen", sagt der Wurmzüchter. "Die Drylin-Alternative von Igus war hingegen nicht nur ausgesprochen günstig, sondern verrichtet ihren Dienst auch sehr zuverlässig." Und so labelt die Bohranlage einen perforierten Superwurm-Schriftzug nach dem anderen in die Transportbehälter.

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FTS für dem Wurmtransport

In den Anlagen bei Superwurm kommt nicht nur klassische Lineartechnik zum Einsatz, sondern auch moderne Robotik. Mit am beeindruckendsten ist das - ebenfalls komplett eigenentwickelte - FTS, dass die aufwändige Versorgung der Würmer sicherstellt. Dabei nutzt es das komplette Spektrum der Automatisierungs- und Antriebstechnik: die Motoren und Motion Controller kommen von Wittenstein, die Steuerungstechnik von Beckhoff, die Stromversorgung von Phoenix Contact. Bei der Sensorik hat Langhoff auf das Portfolio von Pepperl+Fuchs zurückgegriffen und die erforderliche Safety-Absicherung mit Lösungen von Sick umgesetzt. Aus dem Hause Igus stammen neben der Energieführung verschiedene Gleitlager und auch wieder die Lineartechnik, mit der der Auszug des FTS die jeweiligen Kistenstapel aufnimmt. Das autonome Fahrzeug bringt alle Plastikboxen, in denen Rotwürmer aufgezogen werden, einmal pro Woche zur automatischen Versorgungsstation. Bei den rund 5.500 Kisten eine manuell nicht mehr zu stemmende Aufgabe. Mit zwölf Kunststoffboxen auf einem Rollwagen im Gepäck, fährt das FTS die Versorgungslinie in der benachbarten Halle an. Dort angekommen, dockt es auf rund 1cm genau an die Depalletierstation an. Anschließend sorgen findige Mechanismen dafür, dass die endgültige Position der Kisten noch deutlich genauer ist. Die Boxen werden anschließend von einem Greifsystem - wieder eine Langhoff-Konstruktion - vereinzelt auf einer Förderstrecke positioniert. Dort durchlaufen sie die Stationen für Wasser, Wurmfutter und frischer Erde und werden am Ende der Strecke mit einer ähnlichen Greiflösung wieder auf das autonome Fahrzeug gestapelt. Wieder voll beladen bringt das FTS die Kisten zurück an ihren Platz und holt die nächste Charge. "Unser Ziel ist es, das autonome Transportsystem rund um die Uhr laufen zu lassen", führt Langhoff weiter aus. "Wir haben nämlich noch etwas Luft nach oben, weil der Platz insgesamt für etwa 10.000 Wurmkisten reicht."

Kein Ende der Erfolgsstory in Sicht

Im rund 20-jährigen Bestehen haben sich die Dimensionen der Firma deutlich verändert. Im Jahr 2003 wurde die erste Halle von Superwurm gebaut, 2004 bereits eine zweite. Mittlerweile hat sich die Fläche noch einmal verdoppelt. Und der Erfolg gibt dem Unternehmer recht, wenn er einen weiteren Ausbau der Wurmzucht plant. Genauso sollen auch zusätzliche Maschinen den Anlagenpark erweitern. Eine der nächsten Konstruktionen soll die Kunststoffkisten bei der 'Ernte' automatisch in die Anlage entleeren, in der die Würmer von der Erde getrennt werden. Das passiert bisher noch manuell. Für Langhoff vermutlich eine Aufwärmübung. Darüber hinaus überlegt der Unternehmer ständig, was sich noch alles bei Superwurm automatisieren ließe. Für entsprechende Experimente steht deshalb in der Firma unter anderem ein Low-Cost-Deltaroboter von Igus bereit. Man darf also gespannt sein. (mby)

Low Cost Automation von Igus

"Low Cost Automation steht bei uns nicht für billig, sondern für günstig," unterstreicht Tobias Vogel, Leiter der Unternehmensbereiche Iglidur und Drylin bei Igus. "Es geht also nicht um Wegwerfartikel, sondern um einen möglichst schnellen Return of Invest." Mit diesem Ansatz trifft das Kölner Unternehmen einen Nerv in der Branche. Das belegt der erfolgreiche Ausbau des Portfolios um neue Bauteile und Funktionselemente. So begann das Unternehmen im Jahr 2009 sogar, ergänzend zu seinem Gleitlager- und Linearführungsportfolio, einen Robotikbaukasten aufzubauen. Heute umfasst dieses Robolink-Portolio neben verschiedenen Gelenksorten und Getrieben auch Motoren sowie Motion Controller. Selbst komplette Leichtbaukinematiken sind bei Igus erhältlich - egal ob Dreiachs-Knickarm- oder Deltaroboter. "Wir haben natürlich darauf geachtet, dass der Robolink-Baukasten auch durchgängig mit unseren Drylin-Lineareinheiten kombinierbar ist", betont Vogel. Dass die Produkte und Lösungen aus dem Low-Cost-Automation-Programm einem langfristigen Praxiseinsatz durchaus gewachsen sind, zeigt sich bei einem Rundgang durch die hauseigene Fertigung: Dort sind bereits mehr als zehn Roboterzellen auf Basis des Robolink- und Drylin-Angebots im Einsatz.

igus GmbH

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 6 2019 - 12.06.19.
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