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Was taugt die Maker-Plattform in der Industrie?

Starter-Kit von Kontron macht Raspberry Pi Industrie tauglich

Kontron hat für Raspberry Pi ein Starterkit entwickelt, mit dem der Universal-Mini-Computer in die Profi-Liga aufsteigt und sich von seinem Bastler-Image verabschiedet. Aber kann die als Experimentier-Plattform weitverbreitete Platine im Vergleich zu hochwertigen Standard-Industrie-Computern tatsächlich punkten? Die Anforderungen sind im industriellen Einsatz schließlich um ein Vielfaches höher als im Hobbyraum. Kontron sagt: Ja, das geht. Der Beleg ist die Entwicklung einer mobilen Messstation für Vitaldaten von Patienten im Krankenhaus.

Bild: Kontron S&T AGBild: Kontron S&T AG
Das Developer Kit für Raspberry Pi von Kontron umfasst ein Entwickler-Board, ein Raspberry Pi Compute Modul 3 Light sowie eine SD-Card mit vorkonfiguriertem Raspian-Betriebssystem.

Der Karriere des Raspberry Pi in der industriell-kommerziellen Entwicklung ist nach den Erfahrungen von Kontron Electronics, vormals exceet electronics, nicht aufzuhalten. Seit rund fünf Jahren beobachtet das Unternehmen, dass die von Kunden gelieferten Designs immer häufiger auf Raspberry Pi basieren. Ingenieure und Entwickler sind auf dieser Plattform ausgebildet und kommen schnell zu Ergebnissen. Neben Raspberry Pi sind natürlich auch andere kostengünstige und offene Plattformen wie Arduino oder Beagle Board beliebt. Doch an die Favoritenrolle der Himbeere reichen sie nicht annähernd heran.

Kein Garant für Einsparungen

Auf dem Weg vom Designentwurf zum serientauglichen Produkt war das Ergebnis am Ende manchmal ernüchternd: Das komplette Design, das auf Raspberry Pi entstanden ist, musste hard- und softwareseitig von Grund auf neu entwickelt werden, um in Serie zu gehen. Für die Kunden war der finanzielle und zeitliche Aufwand entsprechend hoch, die Markteinführung der Produkte dauerte länger als erhofft. Deshalb hat Kontron Electronics Raspberry Pi als Alternative oder Ergänzung zu Standard-Industrie-Plattformen etabliert. Denn wenn Raspberry Pi direkt produktiv in Serie genutzt werden kann, spart man die Zeit für die Entwicklung und Prüfung von Designs auf einer neuen Plattform. Mittlerweile hat Kontron einige kommerzielle Projekte auf Basis des Raspberry Pi abgeschlossen und kann eine erste Bilanz ziehen: Der günstige Ausgangspreis spiegelt sich nicht bei jedem Projekt am Ende wider. Die Kosten für ein serienreifes Produkt waren manchmal höher als vom Kunden gedacht. Es zeigte sich, dass auch für Prototypen, die auf Basis von Raspberry Pi erstellt wurden, die laufende Beratung bei der Umsetzung finanziell zu Buche schlägt. Die entstehende Industrieplattform kostete in manchen Fällen so viel wie eine standardisierte Embedded Plattform. Häufig ist der Preis des Minicomputers aber nicht das einzige ausschlaggebende Argument: Die einfache Handhabung der Software ist manchmal wichtiger. Durch das weit verbreitete Betriebssystem Raspian OS auf Basis von Linux lassen sich Software-Pakete leicht nachinstallieren. Das spart Zeit und Geld. Aber Embedded Linux etwa ist deutlich aufwendiger zu installieren und zu administrieren.

Freier Source Code ist Vorteil und Hindernis

Die Beliebtheit von Raspberry Pi hat auch dazu geführt, dass sich eine weltweite Community gebildet hat, wie sie bei kommerziellen Unternehmen kaum denkbar ist. Man spricht sogar davon, dass Raspberry Pi global die größte Linux-Support-Community hat. Davon können indirekt auch Unternehmen profitieren. Bis Ende des Jahres 2017 wurde Raspberry Pi laut der Raspberry Foundation rund 17 Millionen Mal verkauft. Auf eine vergleichbar große Nutzerbasis kommt kein Standard-Industrie-PC. Eine höhere Testabdeckung ist praktisch unmöglich. Das ist einerseits ein großes Plus, doch Open Source ist für industrielle Anwender nur bedingt von Vorteil. Zwar sind viele Anwendungen lizenzfrei verfügbar, wird jedoch der Source Code angepasst, muss auch dieser wieder unter freier Lizenz veröffentlicht werden. Viele Unternehmen und Organisationen wollen nicht, dass ihre Software kostenlos und allgemein verfügbar ist. Das Gleiche gilt, wenn nur einzelne Module aus bestehenden Applikationen verwendet werden. Üblicherweise müssen auch daraus abgeleitete Programme wieder lizenzfrei veröffentlicht werden. Wer allerdings nicht auf Linux angewiesen ist, kann auf der Plattform auch Windows IoT Core betreiben.

Mit dem Industrial Starterkit die Tauglichkeit prüfen

Raspberry Pi hat beim Einsatz im industriellen Umfeld auch einige Nachteile. Einer ist die fehlende Standardisierung wie es SMARC, COM Express oder Qseven Module bieten. Zudem wird Raspberry Pi nur von der Raspberry Foundation und ihren Distributoren vermarktet. Deshalb gibt es keine Variantenvielfalt z.B. in punkto Leistung, Stromaufnahme oder Ausstattung. Auch sind aktuell nur zwei Prozessorgenerationen als Compute Modules verfügbar: Das Compute Module 1 aus dem Jahr 2014 und das Compute Module 3, das Anfang 2017 vorgestellt wurde. Eine Prozessorauswahl wie sie etwa Intel, AMD oder NXP für unterschiedliche Anwendungszwecke anbieten, gibt es von Raspberry noch nicht. Dafür gibt es aber für das neue CM3+ Compute Modul auch eine garantierte Langzeitverfügbarkeit von sieben Jahren. Die Eignung von Raspberry Pi hängt immer vom jeweiligen Einsatzzweck ab. Unternehmen wie Kontron bieten daher ein 'Industrial Starterkit' an, auf dessen Basis sich schnell ermitteln lässt, ob das Raspberry Compute Module den gewünschten Anforderungen entspricht. Das Starterkit verfügt über alle in der Industrie verbreiteten Schnittstellen wie Ethernet, CAN-Bus, 1-Wire und RS485/RS232. Das erprobte Schaltungsdesign und der industriell übliche Stromanschluss mit 24V sorgen für die zuverlässige Einsatzfähigkeit. Weitere industrielle analoge und digitale I/Os erlauben die Integration in vorgegebene Anwendungen. Auf der Basis des Starterkit lässt sich damit der Weg zum Prototyp und anschließend zum fertigen Produkt deutlich verkürzen. Ein Beispiel dafür ist der Mini-Computer, den Kontron mit einem Kunden entwickelt hat.

Raspberry Pi für eine mobile Messstation im Krankenhaus

Kontron entwickelte gemeinsam mit einem Kunden eine Lösung, die die Vitaldaten bettlägeriger Patienten laufend und berührungslos erfasst. Dabei sollte das Gerät mobil und für die Patienten unsichtbar unter dem Krankenbett angebracht sein. Sobald die Daten bestimmte kritische Werte der Herz- und Atemfrequenz sowie zur Dekubitus- und Sturzprophylaxe erreichen, sollten Schwestern und Ärzte automatisch alarmiert werden. Genau das hat Kontron umgesetzt. Für die Klinik waren folgende technische Anforderungen wichtig:

  • • Linux-Unterstützung - in diesem Fall sollte yocto Linux verwendet werden,
  • • der Support mehrerer Schnittstellen wie WLAN, LAN und Bluetooth,
  • • eine hohe Rechenleistung, die auch Machine Learning erlaubt, und
  • • die Integration eines zusätzlichen unabhängigen Prozessors, um korrekte Messergebnisse zu gewährleisten.

Die Anforderungen im Gesundheitswesen erfüllt

Als Medizinprodukt musste das Instrument für die Sicherheitsklasse 2b zertifiziert sein, was der zweithöchsten Klasse entspricht. In diese Kategorie fallen z.B. auch Anästhesie- und Beatmungsgeräte. Außerdem musste die mobile Mess-Station die Anforderungen zu Sicherheit und Ergonomie erfüllen, wie sie in der EN60601 für medizinische elektrische Geräte und in medizinischen Systemen definiert sind. Ergänzt wurde die Liste durch weitere Wünsche der Klinik: schnelle Umsetzung, Langzeitverfügbarkeit und ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Als Plattform wurde Raspberry Compute Module 3 ausgewählt. Dabei wurde in Kauf genommen, dass die Kriterien Stromverbrauch und Langzeitverfügbarkeit nicht ganz erfüllt werden konnten. Auf der Plus-Seite verbuchten sie dafür aber eine hohe Rechenleistung, den umfassenden Linux-Support und geringe Kosten. Durch das Starterkit von Kontron ging die Entwicklung schnell vonstatten. Der Prototyp bestand auch die hohe Hürde der elektromagnetischen Verträglichkeit. Die Schnittstellen ließen sich mit Raspian OS sehr schnell verifizieren. Bei der Übertragung des Prototypens auf yocto Linux unterstützten die Entwickler aus der S&T Gruppe, zu der Kontron gehört, und die Rpi-Community, so dass am Ende die gewünschte mobile Messstation für Vitaldaten unsichtbar und zuverlässig ihren Dienst tut. n

Kontron S&T AG

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 6 2019 - 12.06.19.
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