Leiter Produktmanagement und Produktentwicklung bei U.I. Lapp
Interview mit Guido Ege
Auf der diesjährigen Hannover Messe haben Sie erstmalig in einem eigenen Ausstellungsbereich das sog. Future Lab präsentiert.
Guido Ege: Ein klares Ja. Da die Produkte immer komplexer werden und sich zu Lösungen entwickeln, haben wir uns zum Ziel gesetzt, innerhalb des Innovationsprozesses schon wesentlich früher mit potenziellen Kunden in Kontakt zu treten, als dies zuvor der Fall war. Wir präsentieren dazu Prototypen, die funktionsfähig sind, wozu es aber noch kein fertiges Produkt gibt. Ich würde es vergleichen mit einem Konzeptfahrzeug auf der IAA, das auch nie in der ausgestellten Form in den Verkauf gehen wird. Aber Sie können vielleicht zukünftig Komponenten daraus in Serie sehen, deren Akzeptanz auf der Messe beim Publikum getestet wird. Basierend auf dieser Rückmeldung können wir dann im Nachgang Adaptierungen an den Prototypen vornehmen. Das Feedback in Hannover war jedenfalls überwältigend. Zudem haben wir das Future Lab ein Stück weit dazu benutzt, um unsere Innovationsaktivitäten nach außen darzustellen.
Ist bereits eine Auswertung erfolgt, welche Themen besonders gut beim Publikum ankamen?
Ege: Das Thema Predictive Maintenance hat einen sehr großen Zuspruch erfahren. Die Themen intelligente Kabeltrommel, Single Pair Ethernet und Gleichstrom/Wechselstrom haben sich hinsichtlich der Resonanz in etwa die Waage gehalten, da es dort ja eher um Nischenanwendungen geht. Wenn wir beispielsweise über Single Pair Ethernet reden, ist diese Technologie bereits vorhanden, aber die Sensorik muss noch entsprechend angepasst werden. Das Protokoll ist da, die Leitung ist da, das Steckgesicht ist mittlerweile verabschiedet, aber die Komponenten müssen jetzt nach und nach entwickelt werden. Auf diesem Gebiet wird im nächsten Jahr sicherlich viel passieren.
Wenn wir das Beispiel Single Pair Ethernet einmal aufgreifen, so haben sich ja in diesem Frühjahr zumindest zwei Allianzen namhafter Anbieter gegründet. Ist Lapp bei diesem Thema völlig eigenständig unterwegs?
Ege: Absolut richtig. Wir haben ja beide Disziplinen mit Etherline bei den Leitungen und Epic bei den Steckern im Haus. Die Leitungen haben wir bereits vorgestellt, und der Steckverbinder wird in Kürze folgen. Lapp kann hier also eine Gesamtlösung aus einer Hand anbieten, deren Komponenten aufeinander abgestimmt sind.
Wie schätzen Sie den zeitlichen Horizont ein, in dem Single Pair Ethernet zur Anwendung kommen wird?
Ege: Ich denke in einem, maximal zwei Jahren sind die Produkte so weit ausgereift, dass sie verkaufsfähig sind. Der Markt dafür muss sich allerdings erst noch entwickeln. Gegenwärtig ist die Nachfrage doch noch recht überschaubar.
Zum Thema Predictive Maintenance, sprich die vorausschauende Wartung von Leitungen und Energieketten: Hier existieren ja bereits am Markt etablierte Produkte. Was unterscheidet Ihre Lösung von diesen?
Ege: Wir haben uns zunächst einmal auf die Fahnen geschrieben, unter den Schlagworten wie Digitalisierung oder Industrie 4.0 auch ein Produkt in diesem Bereich zu platzieren. Was liegt da näher, als dies mit den Datenleitungen zu tun, die die Basis für jede Predictive Maintenance sind? Jeder Sensor, der im Feld installiert ist und Daten erzeugt, muss diese an eine SPS oder eine andere übergeordnete Instanz liefern, und dazu sind Datenleitungen notwendig. Wenn diese ausfielen, wäre das gesamte Predictive-Maintenance-Konzept hinfällig. Hier war unser Anspruch, eine Leitung dahingehend zu ertüchtigen, dass wir die Lebensdauer und Ausfallwahrscheinlichkeit vorhersagen können. Dieses wollten wir bewerkstelligen, ohne zusätzliche Adern, so genannte Opferadern, einzubringen, da diese vom Anwender zusätzlich angeschlossen werden müssen, was wir vermeiden wollten. Dies haben wir mithilfe entsprechender Elektronik und Software bewerkstelligt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind wir mit Pilotkunden in Gesprächen, um unseren Prototypen in vorhandene Lösung in Anwendungen zu implementieren. Hier wird es sicherlich auch nicht die eine Lösung geben, sondern diese wird immer kundenspezifisch auf den jeweiligen Anwendungsfall abgestimmt sein.
Wird es also auch bei Lapp skalierbare Lösungen für die Predictive Maintenance geben?
Ege: Letztendlich geht es darum, Daten zu erheben. Es kommt nun auf den Kunden an, ob dieser bereit ist, die Daten z.B. in eine Cloud zu übermitteln und uns diese analysieren zu lassen. Es ist aber ebenso möglich, dass er über diese Daten mithilfe eines einfachen potenzialfreien Kontaktes selber Informationen abgreift und lokal bei sich an der Maschine auswertet. Zwischen diesen Polen ist alles möglich, und insofern muss es skalierbare Lösungen geben.
Wie ist das Thema Gleichstrom vom Markt angenommen worden? Gibt es hier schon ein nennenswertes Kundeninteresse?
Ege: Zunächst einmal gab es ja seit Juli 2016 das Forschungsprojekt DC Industrie, dem sich insgesamt 21 Unternehmen, vier Forschungsinstitute und der ZVEI angeschlossen haben. Merzedes-Benz war dabei einer der Initiatoren und auch ein maßgeblicher Treiber, denn in Anwendungen wie einer Automobilproduktion können in Sachen Energieeinsparung die größten Effizienzgewinne erzielt werden. In einer komplexen Fertigungslinie, in der verschiedenste Antriebe zum Einsatz kommen, die alle interne Gleichstromkreise besitzen, können diese zwar ihre Bremsenergie rekuperieren, aber immer nur in dieser einzelnen Zelle. Dies bedeutet: Es gibt dann vielleicht eine einzelne Zelle, die keinen Energiebedarf mehr hat, und bei der diese Energie dann verpufft und in Form von Wärme abgeführt wird. In einer angrenzenden Fertigungszelle tritt aber vielleicht gerade eine Spitzenlast auf, bei der diese Energie sehr gut zu gebrauchen wäre. Dies ist ein Beispiel für die Nutzung von Gleichstrom, deren Umsetzung war eines der Ziele des DC-Industrie Forschungsprojektes. In einer Gesamtanlage, in die ein smartes Gleichstromnetz integriert ist, könnten über einen Feldbus alle Fertigungszellen Energie nach ihrem jeweiligen Bedarf abgreifen. Insgesamt würden so der Stromverbrauch und damit auch die Kosten minimiert. Das Beispiel zeigt aber auch: Es wird nicht die Masse an Anwendern für die Nutzung dieser Technologie geben. Es sind eher die großen Fertigungslinien, für die sich eine solche Investition rentiert. Demensprechend haben z.B. die großen Automobilisten Testzellen installiert, die diese Effizienzgewinne, welche durchaus bis zu 20 Prozent betragen können, heben möchten. Das erste Projekt ist abgeschlossen, bei dem es darum ging, diese Einsparpotenziale mit konkreten Zahlen zu belegen. Im September soll das Nachfolgeprojekt DC-Industrie II starten, das sich damit beschäftigt, wie solche intelligenten Netze physisch tatsächlich aufgebaut werden können. Als Hersteller von Verbindungslösungen sind wir dort ebenfalls involviert. Wir haben hier relativ schnell erkannt, dass die Kunststoffe, also die Isolation der Adern, auf Gleichstrom anders reagieren als auf Wechselstrom. Wir haben Untersuchungen angestellt und dabei festgestellt, dass sich beispielsweise PVC bei der Gleichstrombeaufschlagung anders verhält als TPE oder ein anderer höherwertiger Kunststoff. Hinzu kommt noch, dass auch die mechanischen Einflüsse eine Rolle spielen, die sonst eher nachgelagert sind. Auch hier gibt es Materialien, die besser für DC geeignet sind als die heute verwendeten.
Das macht die Leitung aber nicht notwendigerweise teurer?
Ege: Nicht unbedingt. Eigentlich ist sogar das Gegenteil der Fall: Für die Kunden hat es den positiven Effekt, dass die Leitungen statt fünf nur noch drei Adern haben und dadurch weniger Kupfer verarbeitet ist, was die Leistungen tatsächlich günstiger macht.
Sehen Sie andere Entwicklungen in der Verbindungstechnik, die im Zuge der Digitalisierung aktuell werden?
Ege: Einige wichtige Themen haben wir bereits angesprochen. Darüber hinaus sehen wir, dass im Bereich der Leitungen Energie- und Datenübertragung im Sinne einer 'one cable solution' oder eines Hybridkabels immer mehr zusammen wachsen. Auf absehbare Zeit muss die Energieversorgung immer noch über Kabel erfolgen, und wenn schon einmal ein Kabel installiert wird, warum soll dann nicht auch noch eine entsprechende Datenader mit eingebracht werden? Dies hat natürlich zur Folge, dass die Schirmung der Leitung etwas komplexer wird, um beispielsweise die EMV-Verträglichkeit zu gewährleisten. Aber ich denke, dies wird durchaus ein Thema sein, auch um die dezentrale Automatisierung weiter voran zu treiben. Natürlich bleibt auch das Thema Miniaturisierung aktuell. Die Leitung wird zwar komplexer, aber am Ende befindet sich nur ein Stecker. (jwz)
Auf der diesjährigen Hannover Messe haben Sie erstmalig in einem eigenen Ausstellungsbereich das sog. Future Lab präsentiert.
U.I. Lapp GmbH
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 7 2019 - 23.07.19.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de