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Mess- und Diagnoseverfahren für industrielle Netze

Fehler finden - auf Nummer sicher

Um Fehler in einem Industrienetz aufzudecken und zu beheben, führt an Diagnose- und Messtechnik kein Weg vorbei. Dennoch können nicht alle Messgeräte alle Fehlerquellen anzeigen. Daher ist es sinnvoll, verschiedene Geräte und Verfahren zu verwenden.

Bild: I-V-G Göhringer
Standard-Patchkabel statt Profinet-Ausführung können eine potenzielle Fehlerquelle sein.

Die Messtechnik für moderne industrielle Bussysteme muss sich vielen verschiedenen Anforderungen stellen. Eine wesentliche Voraussetzung ist, dass Diagnosesysteme weder die Ergebnisse, die Funktion des Netzwerks noch den Datenverkehr beeinflussen.

Bild: I-V-G Göhringer
Die Messestelle BS-0130 greift Sende- und Empfangssignal absolut rückwirkungsfrei ab.

Die Praxiserfahrungen bei der Fehlerbehebung von IVG Göhringer zeigen, dass man im Zweifel genauer hinsehen muss.

Bild: I-V-G Göhringer
Bei dem links gezeigten TAP ohne Kurzschluss ist die Rückflussdämpfung (Return Loss) wesentlich besser.

Zunehmende Komplexität

Im Vergleich zu seriellen Feldbussen bieten ethernetbasierte Systeme unterschiedliche Vorteile, z.B. einfaches Engineering oder hohe Datenraten, skalierbare Echtzeitfähigkeit sowie mehr Flexibilität bei der Netzwerkarchitektur. Zudem sind IP-basierte Industrienetze prinzipbedingt sehr robust gegenüber Störeinflüssen. Dennoch kann es auch hier zu unerwarteten Ausfällen kommen. Im Ernstfall muss daher eine schnelle Fehlersuche möglich sein. Im Gegensatz zum klassischen Feldbus gibt es bei der Punkt-zu-Punkt-Verkabelung von Ethernet-Netzen keine Möglichkeit, im laufenden Betrieb an einer beliebigen Stelle ein Diagnosegerät zwischenzuschalten. Es würde sofort zum Abbruch der Kommunikation und damit zum Anlagenstillstand kommen, wenn man die Ethernet-Leitung unterbricht, um ein Messgerät einzuschleifen. Zudem sind nicht alle Telegramme an jeder beliebigen Stelle im Netzwerk vorhanden. Switches senden die Datenpakete nur dezidiert an den tatsächlichen Empfänger, was eine effektive Fehlersuche erschwert.

Bild: I-V-G Göhringer
Deutliche Unterschiede zeigen die verglichenen TAPs bei der Taktschwankung, dem so genannten Jitter.

Test-Access-Points als Messstellen

Damit trotzdem Messungen im Netz möglich sind, werden sogenannte Test-Access-Points (TAP) an definierten Positionen als Messstelle fest eingebaut. Dort, wo erfahrungsgemäß die Netzwerkanalyse wichtig ist, sollen sie dafür sorgen, dass der Anwender einfach und ohne Unterbrechung der Kommunikation den Datenverkehr aufzeichnen und analysieren kann. Die TAPs werden meistens, wie in den Profinet-Richtlinien vorgeschrieben, unmittelbar am Controller installiert. Der Ethernet-Verkehr wird auf die Ports der Messstelle gespiegelt, um den Netzwerkverkehr nicht zu beeinflussen. Der passive TAP soll das Netzwerk vor Störungen durch angeschlossene Diagnosegeräte schützen. Neuere Kabelzertifizierer erkennen die Steckstellen per TDR-Messung, da an den Steckkontakten geringe Reflexionen auftreten. "Ein Kabelzertifizierer darf die Messstelle nur als Steckstelle erkennen, ansonsten muss sie sich sowohl im bestromten als auch im unbestromten Zustand vollkommen passiv verhalten. Innerhalb eines Profinet-Kabels dürfen bis zu zwei Steckstellen vorhanden sein", erklärt Hans-Ludwig Göhringer. Sein Unternehmen hat umfassendes Knowhow im Bereich der Fehlersuche erarbeitet. Und wird häufig zu Anlagen gerufen, die aufgrund von Bus- oder Netzwerkproblemen ausgefallen sind.

Bild: I-V-G Göhringer

Telegrammverlust vermeiden

"Wenn während der Messung Telegramme verloren gehen und das Instandhaltungspersonal den Fehler nicht findet, schauen wir uns die TAPs als erstes an", sagt Göhringer. "Häufig sind mit den TAPs Geräte zur Diagnose eingebaut, die selbst Fehler im Datenverkehr verursachen". Im Grundsatz müssen die TAPs mit und ohne Spannung vollkommen rückwirkungsfrei arbeiten. Das ist mit einem Kabelzertifizierer schnell nachprüfbar. Dazu werden jeweils vor und nach dem TAP zwei Meter Profinet-Kabel angeschlossen und dann anhand der Kabelspezifikation durchgemessen. Daran zeigt sich, dass viele Messstellen die Eigenschaft "passiv" gar nicht erfüllen.

Bild: I-V-G Göhringer

Kurzschluss feststellen

Kürzlich wurde in einem Fall mit dem Kabelzertifizierer ein Kurzschluss zwischen den Datenleitungen festgestellt. Zusätzlich wurden an einem Gerät vier unterschiedliche Resonanzfrequenzen ermittelt. Jeweils zwei auf der Empfangsleitung des kommenden Ports und zwei des abgehenden Ports. Diese können sich unter dem Einfluss der Luftfeuchtigkeit im Feld noch leicht verändern. Wird nun ein Kabel mit einer ungünstigen Länge eingesetzt, kann es zu Schwingungen und dadurch zur Störung oder einem Ausfall der Kommunikation kommen. Wenn das Kabel verlängert oder verkürzt wird, kann der Fehler verschwinden oder sich verstärken. Zudem gibt es eine Reihe weiterer Messverfahren, die solche Folgen eines Kurzschlusses im TAP ebenfalls aufdecken können.

Bild: I-V-G Göhringer

Rückflussdämpfung, HDTDR-Messung und Jitter

Die Rückflussdämpfung zeigt als Reflexionsfaktor das Verhältnis vom eingespeisten zum reflektierten Signal. Die Ursachen für Reflexionen können beschädigte Kabel, lose Steckverbindungen oder fehlerhafte Geräte sein. Wenn die reflektierten Signale zu stark sind, werden sie als Nutzdaten interpretiert. Das führt zu Fehlern in der Netzwerkkommunikation. Bei einem TAP mit Kurzschluss hat man genau diese Situation.

Eine weitere Möglichkeit ist die HDTDR-Messung (High Definition Time Domain Reflectometry). Dazu wird ein sehr kurzer Testimpuls auf die Leitung geschickt. Der an einer Schwachstelle reflektierte Teil des Signals wird vom Messgerät an der Einspeisestelle ausgewertet. Im beschriebenen Fall waren die Reflexionen beim Fehler-TAP um den Faktor fünf stärker als bei der Vergleichsmessung mit dem fehlerfreien Gerät.

Als Jitter bezeichnet man die zeitliche Abweichung vom Telegrammtakt bei der Datenkommunikation. Die Angabe erfolgt in der Regel in Nanosekunden oder Prozent. Je größer die Abweichung vom Idealzustand ist, desto größer ist das Risiko, dass die Übertragungsqualität unter dem Jitter leidet.

Im Zweifel mehrere Verfahren nutzen

"Wer nur mit einem Messverfahren arbeitet, ist auf einem Auge blind", zieht Göhringer sein Resümee. "Im Zweifelsfall sollte der Anwender weitere Messverfahren anwenden."

I-V-G Göhringer

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 8 2019 - 21.08.19.
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