Flexible Leitungen für WKA-Wartungsplattform
Lang lebe der Rotor!
Ein Brandenburger Startup hat eine mobile Wartungsplattform für die Rotoren von Windkraftanlagen entwickelt. Das Besondere: Sie erlaubt Reparaturarbeiten bei nahezu jedem Wetter und zu jeder Tageszeit. Mit an Bord sind flexible Leitungen aus dem Hause Igus sowie auch Energieketten und Gleitlager.
Rotorblätter von Windkraftanlagen erreichen zuverlässig eine Lebensdauer von zwanzig Jahren und sind dabei nahezu wartungsfrei. So dachte man zu Beginn des Windkraft-Booms, in den 1980er und 1990er Jahren, als in Deutschland eine fünfstellige Anzahl von Windkraftanlagen errichtet wurde. Heute sind die meisten dieser Anlagen noch in Betrieb, und man weiß es besser: Die von Hand in vielen GFK-Lagen laminierten Rotorblätter unterliegen Verschleiß zum Beispiel durch Abrasion und Vogelschlag. Auch der hohe mechanische Stress durch starke und unregelmäßige Belastungen bei Umfangsgeschwindigkeiten bis 300km/h an der Rotorspitze setzt ihnen zu und führen zu Schäden, die im Durchschnitt pro Anlage alle zwei Jahre auftreten.
Ziel: Servicezeit verdoppeln
Aus diesen Gründen ist die regelmäßige Wartung der Rotoren Pflicht, zumal ein großer Anteil der Anlagen inzwischen in die Jahre gekommen ist. Allerdings machen Wind und Wetter einen Zugang zu den Rotorblättern und ein professionelles Nachlaminieren der GFK-Struktur häufig unmöglich: Die Serviceteams können Inspektions- und Reparaturarbeiten onshore nur an 80 bis 100 Tagen pro Jahr durchführen, offshore ist der Zeitraum noch deutlich knapper. Dieser prekären Situation will das Startup WP Systems Abhilfe schaffen und hat dafür ein System namens Terra entwickelt, das sich exakt an die Form des Rotorblattes anpassen lässt und die Servicezeit auf rund 200 Tage steigert. Das Personal arbeitet dabei, gut geschützt vor der Witterung, auf einer mobilen Wartungsplattform.
Beweglich in mehreren Achsen
Zum System gehören drei Seilabspannungen von der Gondel, die über Winden gesteuert werden, sowie eine Abstützung am Turm. Damit ist die Plattform vertikal mobil. In der Horizontalen ist sie über eine Distanz bis zu 15m beweglich - je nach Entfernung zwischen Turm und Blatt. Die Wartungskammer kann sogar die Drehung des Rotorblattes vom Ansatz bis zur Spitze mitmachen - unabhängig von WKA-Hersteller. Indem sie sogenannte Balkone ausfährt, lässt sich die Plattform bei Bedarf auch in der Arbeitsposition vergrößern. Der Arbeitsplatz der Servicetechniker auf der Terra-Plattform ist komplett umschlossen und ausgeleuchtet, sodass auch Nachtarbeit möglich ist. Zudem gibt es einen beweglichen Arbeitstisch und zahlreiche Steckdosen für Werkzeuge. Und weil hohe Luftfeuchtigkeit die Qualität der Reparaturen an den GFK-Rotoren beeinträchtigen kann, lässt sich die Wartungskammer per Infrarot beheizen.
Leitungen trotzen widrigen Bedingungen
Wo Strom zur Verfügung steht und Daten verarbeitet werden, dürfen Leitungen nicht fehlen. Und wo diese beweglich geführt werden, bietet sich das Chainflex-Programm von Igus an - vor allem wenn widrige Umgebungsbedingungen wie Vibrationen, UV-Belastungen und große Temperaturbereiche hinzukommen. Deswegen ist der Kabelwagen in der Fertigung von WP Systems ausschließlich mit Chainflex-Leitungstrommeln bestückt. Dabei kommen sowohl Steuer- als auch Signal- und Busleitungen zum Einsatz. Schließlich ist - auch wegen der umfassenden Sicherheitseinrichtungen - ein kompletter Schaltschrank mit an Bord der Terra-Plattform.
Sonderleitung für die Stromversorgung
Für die Energieversorgung der Plattform vom Trailer aus, der mit einem Generator ausgestattet ist, hat Igus eine individuell auf die Bedürfnisse angepasste Sonderleitung entwickelt. "Bei der Entwicklung haben wir - wie beim Flugzeugbau - um jedes Kilogramm gekämpft", erklärt Albrecht Bauer, Konstrukteur bei WP Systems. "Denn die Tragfähigkeit der Winden, die für Personenbeförderung zugelassen sein müssen, ist begrenzt, ebenso das Gesamtgewicht des Trailers, mit dem die Einheit zum Einsatzort gebracht wird. Und je leichter die Plattform, desto mehr Werkzeug und Material kann das Personal mitführen." In der Folge wurde für diesen Einsatzfall eine 32A/400V-Leitung entwickelt, deren Traggeflecht aus einem leichten Aramid gefertigt ist und somit bei geringem Gewicht die anfallenden Zugkräfte auf der Leitung sicher absorbiert.
Energieketten und Gleitlager
Einige der Leitungen auf der Plattform werden in Energieketten geführt, die ebenfalls von Igus kommen. Die größte Kette ist mit einem sogenannten rückwärtigen Biegeradius ausgeführt und übernimmt die Leitungsführung in der Drehachse der Plattform, die erforderlich ist, um den Twist des Rotors abbilden zu können. Bei dieser Kette handelt es sich ebenfalls um eine Sonderausführung, die aus dem Baukasten des Anbieters zusammengestellt wurde. Auch die mechanische Beweglichkeit vieler Elemente der Wartungsplattform wird durch Igus-Komponenten sichergestellt. Hier kommt vor allem die Lagertechnik ins Spiel. Die eingesetzten Kunststoffe mit inkorporiertem Schmierstoff bieten den Vorteil, dass sie wartungsfrei und unempfindlich gegenüber Korrosion sind. Darüber hinaus sind sie wesentlich leichter als metallische Lager. Aus diesem Grund kommen auf den Wartungsplattformen verschiedene Gleitlager und Linearführungen zum Einsatz. Die Planen an den Bug- und Heckmodulen werden über Drylin-Gleitführungen bewegt. Einige ausschiebbare Elemente der Plattform ruhen auf Tribo-Tape-Gleitfolien, und diverse Spindelelemente und Achsen werden in zylindrischen Gleitlagern aus Iglidur-Polymeren geführt.
Erfolgreicher Start der Serienproduktion
WP Systems hat vor wenigen Wochen die Serienproduktion der Terra-Plattform aufgenommen und ist bereits gut ausgelastet. "Wir haben sogar zusätzliches Personal eingestellt und für die kommenden Monate ein gutes Auftragspolster abzuarbeiten", sagt Ole Renner, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens. Ein WKA-Servicedienstleister habe gleich sechs Exemplare der Plattform bestellt. Zum raschen Erfolg mag die Tatsache beitragen, dass das Startup auch das Reparatursystem Structrepair für GFK-Strukturen anbieten kann. Das Servicepersonal muss dann nicht mehr aufwändig laminieren und viele Stunden Aushärtezeit einkalkulieren. Stattdessen wird ein vorimprägniertes Sheet aufgetragen und unter Vakuum mit dem Rotor verbunden. Das dauert rund 30 Minuten, und auch hier kommt eine Chainflex-Leitung zum Einsatz: Sie verbindet die Prozesseinheit mit der vakuumaufbauenden Silikonheizmatte und führt sowohl Energie als auch Sensorsignale für die Temperatursteuerung. Deshalb handelt es sich hier um eine Sensorleitung mit besonderer Schirmung.
Erweiterung des Portfolios
WP Systems arbeitet aktuell schon an den nächsten Projekten. "Wir haben bereits eine Wartungsplattform für die Rotoren von Offhore-WKA entwickelt. Sie ist anders konstruiert als Terra, weil es z.B. keine Gewichtsbeschränkungen beim Transport gibt", so Boesner. Auch hier solllen serienreife Leitungen von Igus zum Einsatz kommen. Zwei weitere Entwicklungsprojekte zielen auf den unbemannten, krangebundenen Betonturm-Rückbau von WKA ab. Hier gibt es großen Bedarf. "Die Genehmigung für eine Windkraftanlage erlischt nach einer definierten Zeitspanne", erläutert Renner. "Das heißt: Bis 2030 müssen allein in Deutschland rund 8.000 Türme rückgebaut werden." Zu den Herausforderungen gehört es hier, dass sich der Turm (von oben betrachtet) von rund zwei auf acht Meter Durchmesser verstärkt. Es werden also auch wieder hohe Anforderungen an die Beweglichkeit und Flexibilität des Systems gestellt - gute Voraussetzungen für den erneuten Einsatz von Igus-Komponenten.
Ein Brandenburger Startup hat eine mobile Wartungsplattform für die Rotoren von Windkraftanlagen entwickelt. Das Besondere: Sie erlaubt Reparaturarbeiten bei nahezu jedem Wetter und zu jeder Tageszeit. Mit an Bord sind flexible Leitungen aus dem Hause Igus sowie auch Energieketten und Gleitlager.
Rotorblätter von Windkraftanlagen erreichen zuverlässig eine Lebensdauer von zwanzig Jahren und sind dabei nahezu wartungsfrei. So dachte man zu Beginn des Windkraft-Booms, in den 1980er und 1990er Jahren, als in Deutschland eine fünfstellige Anzahl von Windkraftanlagen errichtet wurde. Heute sind die meisten dieser Anlagen noch in Betrieb, und man weiß es besser: Die von Hand in vielen GFK-Lagen laminierten Rotorblätter unterliegen Verschleiß zum Beispiel durch Abrasion und Vogelschlag. Auch der hohe mechanische Stress durch starke und unregelmäßige Belastungen bei Umfangsgeschwindigkeiten bis 300km/h an der Rotorspitze setzt ihnen zu und führen zu Schäden, die im Durchschnitt pro Anlage alle zwei Jahre auftreten.
igus GmbH
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 9 2019 - 16.09.19.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de