Nachgefragt bei Peter Lutz, Director Field Level Communications bei der OPC
Was tut sich in Sachen OPC UA und TSN?
Ende November 2018 kündigte die OPC Foundation im Rahmen der Fachmesse SPS in Nürnberg an, die Entwicklung von OPC UA over TSN mit der Unterstützung nahezu aller großen Automatisierungshersteller vorantreiben zu wollen. Mit dieser deterministischen Ausprägung von OPC UA entsteht so etwas wie ein weltweit gültiger Universal-Feldbus, der die durchgängige und transparente Kommunikation vom Sensor bis in die Cloud ermöglicht. Das Projekt wird von Peter Lutz in der OPC Foundation gemanaged. Unser Kollege Thomas Reznicek, Chefredakteur der Östereichischen Zeitschrift Austromatisierung hat im September ein Interview mit Peter Lutz geführt, um den aktuellen Stand auf dem Weg zur einheitlichen Industriekommunikation zu erfahren.
Herr Lutz, gestatten Sie mir vorweg eine persönliche Frage. Was bewog Sie zum Wechsel von der Sercos Nutzerorganisation zur OPC Foundation?
Peter Lutz: Nach fast zwei Jahrzehnten als verantwortlicher Geschäftsführer der Sercos Nutzerorganisation war für mich die Zeit für eine neue berufliche Herausforderung gekommen. Zumal meine neue Aufgabe bei der OPC Foundation sehr reizvoll ist. Ein neuer Kommunikationsstandard auf Basis von OPC UA in Verbindung mit TSN bietet die möglicherweise einmalige Chance, eine Vereinheitlichung und Konvergenz der industriellen Kommunikation herbeizuführen. Dieses Zukunftsprojekt aktiv mitzugestalten, ist nicht nur eine spannende und interessante Aufgabe. Gleichzeitig ist es für mich eine große Ehre, meine Erfahrungen und mein Know-how in diese Initiative der OPC Foundation einbringen zu dürfen.
Damit sind wir schon mitten im Thema. Kurz zusammengefasst - was macht OPC UA in seinen Grundzügen so reizvoll für die Automatisierung?
Lutz: Aus meiner Sicht sind es vor allem vier Faktoren, die OPC UA auszeichnen und für die Automatisierung attraktiv machen:
- • OPC UA besitzt eine modulare Architektur mit Client/Server- und PubSub-Mechanismen, die leicht auf unterlagerte Kommunikationsprotokolle abgebildet werden kann. Mit dieser Flexibilität können neben aktuell unterstützten Protokollen, wie z.B. TCP, UDP, MQTT oder AMQP, künftig auch TSN und 5G unterstützt werden.
- • OPC UA bietet mit seinem Informationsmodell die Möglichkeit Maschinen und Anlagen, sowie deren Komponenten semantisch zu beschreiben. Dadurch kann ein durchgängiger und einheitlicher Informationsfluss von der Feldebene bis in die Cloud realisiert werden.
- • OPC UA besitzt darüber hinaus integrierte Sicherheitsmechanismen auf Applikations- und Transportebene, die einen kontrollierten Zugriff auf Information erlauben und somit einen sicheren Betrieb von Produktionsanlagen ermöglichen.
Und last but not least ein wesentlicher Punkt, auch wenn dieser nichttechnischer Natur ist: OPC UA ist in der OPC Foundation beheimatet, die seit Jahrzehnten offene Standards für industrielle Interoperabilität erarbeitet und erfolgreich in den Markt bringt. Das Besondere an dieser Non-Profit-Organisation ist, dass sich alle großen Automatisierungshersteller im Sinne der gemeinsamen Sache einbringen. Dieser neutrale Boden ist ganz sicher eine ideale Voraussetzung dafür, einen einheitlichen, durchgängigen und echtzeitfähigen IIoT-Kommunikationsstandard zu entwickeln und im Markt zu etablieren.
Die gemeinsame Ankündigung der OPC Foundation und der Shaper-Gemeinschaft Ende vorigen Jahres, OPC UA nicht nur für die übergeordnete Maschine-zu-Maschine-Kommunikation nutzen, sondern auch auf die Feldebene und damit bis zum Sensor bringen zu wollen, kam doch einigermaßen überraschend...
Lutz: Tatsächlich hat es eine gewisse Zeit gedauert, bis sich alle maßgeblichen Automatisierungshersteller auf eine gemeinsame Zielsetzung einigen konnten. Eine Beschränkung von OPC UA & TSN auf die Steuerungsebene hätte aus meiner Sicht aber keinen Sinn ergeben, zumal es technisch gesehen keinen stichhaltigen Grund für eine solche Beschränkung gibt und die Übergänge von der Steuerungs- in die Feldebene sowieso fließend sind. Es ist erfreulich, dass nun alle großen Automatisierungshersteller an Bord sind und konstruktiv an einer gemeinsamen Lösung mitarbeiten.
Was hat sich seither getan - und hält die firmenpolitische Einigkeit, Stichwort 'Automatisierungs-UNO'?
Lutz: Die Arbeitsgruppen der FLC-Initiative - das Kürzel FLC steht für Field Level Communications - sind seit Januar 2019 aktiv. Auf der einen Seite werden Anforderungen und Akzeptanzkriterien definiert, die den Rahmen für die zu erarbeitenden technischen Spezifikationen bilden. Auf der anderen Seite entwickelt die Technische Arbeitsgruppe mit dem Titel 'FLC Working Group Architecture & Infrastructure' unter der Leitung von Clark Case aus dem Hause Rockwell Automation und Georg Biehler von Siemens Konzepte und Lösungen, um OPC UA mit Pub/Sub für die Feldkommunikation zu ertüchtigen. Aktuell sind über 60 Experten aus über 40 Firmen involviert und die Zusammenarbeit aller Beteiligten verläuft sehr harmonisch und konstruktiv, ganz im Sinne der gemeinsamen Sache. Somit ist der Begriff Automatisierungs-UNO ein durchaus passender.
Werden bestehende Profile beispielsweise für Safety und Motion Control übernommen oder wird das Rad komplett neu erfunden?
Lutz: Die Zielsetzung der FLC-Initiative ist es nicht, einen weiteren Feldbus zu entwickeln, sondern stattdessen das Anwendungsspektrum von OPC UA zu erweitern und auf den Feldbereich auszudehnen - und das sowohl für die Prozess- als auch für die Fabrikautomatisierung. Da die Experten neben ihrem fundierten Wissen auch jahrzehntelange Feldbus-Erfahrung einbringen, wird quasi per se verhindert, dass das Rad komplett neu erfunden wird. Allerdings werden bestehende Protokolle oder Profile, z.B. für Motion oder Safety, nicht einfach unverändert übernommen. Denn FLC hat nicht nur den Anspruch, Funktionen herkömmlicher Feldbusse und Echtzeit-Ethernet-Lösungen abzudecken, sondern einen klaren Mehrwert hinsichtlich eines durchgängigen, einheitlichen und herstellerübergreifenden Informationsflusses zu schaffen.
Demnach kommt es beim künftigen IIoT-Standard nicht nur auf TSN an? Wie sehen die nächsten Schritte aus und denken Sie beispielsweise konkret auch Richtung 5G?
Lutz: TSN ist eine sehr wichtige Komponente, um OPC UA in die Feldebene zu bringen. Denn zum einen ist eine deterministische Kommunikation vor allem für anspruchsvolle Automatisierungsaufgaben unabdingbar. Zum anderen erlaubt TSN, unterschiedliche Anwendungen und Protokolle über eine einheitliche Hardware und ein gemeinsames Netzwerk zu betreiben. Damit wird die Migration von konventionellen Industrial-Ethernet-Protokollen erleichtert und die Konvergenz unterstützt. Auch die Unterstützung des Mobilfunkstandards 5G steht auf der Roadmap der OPC Foundation, wenngleich aktuell noch kein dedizierter Zeitplan für die Umsetzung definiert ist. Allerdings wird sich das Mapping auf 5G nahtlos in die bestehende OPC UA-Architektur einfügen, sodass alle aktuell in Spezifikation befindlichen Protokoll- und Profilerweiterungen über 5G nutzbar sein werden.
Für die künftigen Anwender sicherlich besonders interessant ist die Frage nach der Verfügbarkeit? Wann rechnen Sie mit ersten Serien-Feldgeräten mit deterministischer OPC-UA-Kommunikation an Bord?
Lutz: Aktuell ist es schwierig, eine klare Prognose zur Verfügbarkeit von Produkten zu geben. Klar ist: zunächst müssen die Spezifikationen erarbeitet, abgestimmt und veröffentlicht sein. Hier haben wir eine Roadmap definiert, die eine stufenweise Umsetzung in entsprechende Produkte erlaubt. Da die Spezifikationen auf bereits heute verfügbarer OPC-UA- und PubSub-Technologie aufsetzen, gehe ich persönlich davon aus, dass eine Produktumsetzung sehr schnell erfolgen wird.
Was passiert kurz-, mittel- und langfristig mit den etablierten Feldbussen respektive den in den vergangenen 10 Jahren so richtig durchgestarteten Industrial Ethernet-Systemen bzw. der installierten Basis?
Lutz: Selbst nach einer flächendeckenden Einführung von OPC UA und TSN werden heutige Feldbusse und Echtzeit-Ethernet-Protokolle weiterhin zum Einsatz kommen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Technologien, die erst einmal in der Industrie eingeführt sind, über einige Jahrzehnte genutzt werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich die Marktanteile mittel- bis langfristig klar zugunsten von OPC UA verschieben werden, zumal Maschinenhersteller und Endanwender schon seit langem einen einheitlichen Kommunikationsstandard fordern.
Wird es im industriellen Umfeld jemals echte Plug&Play-Connectivity ähnlich wie in der Bürowelt geben?
Lutz: Natürlich ist die Automatisierungstechnik sehr viel komplexer und vielfältiger als die Bürowelt. Aber ich bin optimistisch, dass wir hinsichtlich einer von der FLC-Arbeitsgruppe klar definierten und zwischen den Herstellern abgestimmten Basisfunktionalität tatsächlich eine Plug&Play-Connectivity erreichen werden. Denn es ist erklärte Zielsetzung der FLC-Initiative, nicht nur die Kommunikationsfunktionen und überlagerte Safety- und Security-Mechanismen einheitlich und herstellerübergreifend zu spezifizieren, sondern auch die Semantik von Automatisierungsgeräten mit Hilfe entsprechender Funktions- bzw. Geräteprofile, den sogenannten Facets. Und nicht zuletzt werden wir von Seiten der OPC Foundation Sorge dafür tragen, dass umfassende Konformitäts- und Interoperabilitätstests zur Verfügung stehen, die die Kompatibilität von Geräten verschiedener Hersteller bestmöglich sicherstellen.
Ende November 2018 kündigte die OPC Foundation im Rahmen der Fachmesse SPS in Nürnberg an, die Entwicklung von OPC UA over TSN mit der Unterstützung nahezu aller großen Automatisierungshersteller vorantreiben zu wollen. Mit dieser deterministischen Ausprägung von OPC UA entsteht so etwas wie ein weltweit gültiger Universal-Feldbus, der die durchgängige und transparente Kommunikation vom Sensor bis in die Cloud ermöglicht. Das Projekt wird von Peter Lutz in der OPC Foundation gemanaged. Unser Kollege Thomas Reznicek, Chefredakteur der Östereichischen Zeitschrift Austromatisierung hat im September ein Interview mit Peter Lutz geführt, um den aktuellen Stand auf dem Weg zur einheitlichen Industriekommunikation zu erfahren.
Herr Lutz, gestatten Sie mir vorweg eine persönliche Frage. Was bewog Sie zum Wechsel von der Sercos Nutzerorganisation zur OPC Foundation?
Peter Lutz: Nach fast zwei Jahrzehnten als verantwortlicher Geschäftsführer der Sercos Nutzerorganisation war für mich die Zeit für eine neue berufliche Herausforderung gekommen. Zumal meine neue Aufgabe bei der OPC Foundation sehr reizvoll ist. Ein neuer Kommunikationsstandard auf Basis von OPC UA in Verbindung mit TSN bietet die möglicherweise einmalige Chance, eine Vereinheitlichung und Konvergenz der industriellen Kommunikation herbeizuführen. Dieses Zukunftsprojekt aktiv mitzugestalten, ist nicht nur eine spannende und interessante Aufgabe. Gleichzeitig ist es für mich eine große Ehre, meine Erfahrungen und mein Know-how in diese Initiative der OPC Foundation einbringen zu dürfen.
OPC Foundation
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 10 2019 - 01.10.19.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de