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Logistik und Produktion bei Vacom vereint

WMS und MES als gleichberechtigte Partner

Der Hochvakuumspezialist Vacom hat seine Produktionshalle zur Smart Factory ausgebaut. Die enge Verknüpfung der IT-Systeme zur Lagerverwaltung und Fertigungssteuerung sorgt für einen reibungslosen Materialfluss. Und bei aller Technologie bleibt das Werk ein angenehmer Ort zum Arbeiten.

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Durch die Verknüpfung von WMS und MES werden die Mitarbeiter entlastet und von ungeliebten Tätigkeiten entbunden.

Das 1992 gegründete Unternehmen Vacom mit Sitz in Jena fertigt Komponenten für Anwendungen im Hochvakuum bis ins extreme Ultrahochvakuum. Mit Erfolg, denn immer mehr Branchen brauchen solche ultra-reinen Vakuumbauteile, etwa in der Forschung, bei der Chipherstellung oder für die Beschichtung von Optiken und Displays.

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"Produktion und Logistik als verschiedene Paar Schuhe zu betrachten, wird in Zukunft nicht mehr funktionieren", ist sich Kevin Möser, COO bei Vacom, sicher.

Allein in den vergangenen eineinhalb Jahren ist das Unternehmen um mehr als 100 Personen gewachsen. Heute beschäftigt die Firma rund 350 Mitarbeiter, hat 120 weitere Stellen ausgeschrieben und gehört zu den führenden europäischen Anbietern von Vakuumtechnik. "Je mehr Bauteile wir fertigten und je komplexer die Produktion wurde, desto mehr wurde sie zu einem schwarzen Loch", erinnert sich Kevin Möser, COO bei Vacom.

Hochkomplexe Fertigung

Bei einem solchen Wachstum die Prozesse effizient zu managen und zugleich den Überblick zu behalten, ist sehr aufwendig. "Unsere Produkte sind äußerst komplex - sie bestehen teilweise aus mehreren hundert Komponenten", schildert Möser. Die meisten dieser Komponenten, wie Flansche, produziert Vacom selbst - in Losgrößen von bis zu 1.000 Stück. "Komplexe Produkte wie unsere Kugel- oder Zylinder-Vakuumkammern fertigen wir maßgeschneidert nach Kundenanforderung." Die typische Losgröße liegt hier bei einem bis maximal zehn Stück - "serienmäßiger Prototypenbau" nennt Möser das. Die Halbfertigteile wechseln im Fertigungsprozess wiederholt zwischen den einzelnen Arbeitsschritten und Werkzeugmaschinen hin und her. Eine klassische Linienfertigung ist nicht möglich. Auch klassische Produktionssteuerungssysteme wie Kanban sind nicht anwendbar, da an einer Station selten das gleiche Bauteil benötigt wird. Daher mussten die Mitarbeiter zu Beginn einer Auftragsbearbeitung das benötigte Material vollständig zusammenstellen und über die verschiedenen Maschinen und Arbeitsplätze verteilen.

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Die neue Produktionshalle von Vacom wird zur Smart Factory ausgebaut. Die Verknüpfung von WMS und MES schafft eine transparente Fertigung, erleichtert Arbeitsschritte und ermöglicht Effizienzgewinn.

Materialsuche kostete Zeit

"Wir haben die Halbfabrikate und Rohmaterialien in die Fertigung gegeben und bekamen ein Endprodukt heraus", beschreibt Möser. "Zwar wussten wir, was in der Produktion passierte, aber nicht, wo sich die einzelnen Materialien zu welchem Zeitpunkt genau befanden." Vacom konnte daher nur schwer auf Änderungen reagieren. "Unsere Mitarbeiter verbrachten zunehmend Zeit damit, Bestandteile zu suchen und an ihren Arbeitsplatz zu schaffen. Das ging schließlich soweit, dass wir pro Schicht mindestens einen Kollegen hatten, der nichts anderes tat, als Material zu suchen", resümiert er. Bei einer Produktionsmannschaft von damals 50 Personen war das eindeutig zu viel.

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Viadat erhält vom MES sowohl Stückliste als auch Terminierung - sobald das Material in der Fertigung benötigt wird, generiert das WMS den entsprechenden Kommissionier- und anschließend Transportauftrag.

Auf zur Smart Factory

Vacom entschied sich daher, die Produktion in eine Smart Factory zu verwandeln. Dazu generierte Möser mit seinem Team zunächst eine transparente Fabrik: In einem digitalen Abbild haben sie definiert, wie die Komponenten durch die Fertigung laufen sollten und welche Arbeitsschritte durchzuführen sind. "Erst dann wird ersichtlich, wo sich was befindet, was aktuell gemacht wird und wer an welcher Maschine arbeitet", legt Möser dar. Diese Daten bildeten die Basis für die zweite Stufe auf dem Weg zur intelligenten Fabrik - die Schaffung einer reaktionsfähigen Produktion. Dafür setzt Vacom zum einen auf das Manufacturing Execution System (MES) Hydra von MPDV Mikrolab und zum anderen auf das Warehouse Management System (WMS) Viadat von Viastore Software, die bereits das Automatiklager verwaltete. Das gemeinsame Datenmanagement von WMS, MES und SAP ERP ermöglicht es, schnell auf Änderungen durch Kunden oder neue Bedürfnisse zu reagieren.

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Kleine Pufferlager an den Arbeitsstationen sorgen dafür, dass dem Mitarbeiter das benötigte Material für den nächsten Auftrag zur Verfügung steht.

Roboter fahren Teile

2019 folgte die nächste Stufe zur Smart Factory: die selbstregelnde Fabrik. Zunächst beabsichtigte Kevin Möser eine durchgehende Automatisierung der Produktionslogistik inklusive Transportroboter. Dazu wandte er sich an Viastore: "Die Fachleute erklärten, dass der Einsatz von Transportrobotern in Viadat Standard sei." Allerdings ging es in diesem konkreten Fall um die logistische Versorgung der Produktion. Dazu müsste das WMS nach jedem Arbeitsschritt einen Auftrag vom MES erhalten, um die Roboter zu steuern. Eine derartige Verknüpfung von MES und WMS existierte bis dato nicht standardmäßig. Doch um genau solch eine Integration zu ermöglichen, hatte Viastore einige Zeit zuvor eine strategische Partnerschaft mit MPDV geschlossen - jenem Softwarehaus, von dem das MES bei Vacom stammt.

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Sechs Transportroboter versorgen die rund 45 Arbeitsstationen in der Produktion. Gesteuert werden sie durch das WMS Viadat, das wiederum den Transportauftrag vom MES erhält.

Eigene Regelschleife

Viadat verfügt in der aktuellen Systemversion über eine Standard-Schnittstelle für den Datenaustausch mit Hydra. "Über diese Schnittstelle lassen sich auch andere gängige MES-Lösungen mit Viadat verknüpfen", sagt Simon Kallinger, der für Viastore das Projekt bei Vacom geleitet hat. Dazu holte Vacom alle Beteiligten an einen Tisch. Gemeinsam haben sie definiert, wie sie die Systeme im Detail integrieren können und welche Kernkompetenzen sie jeweils erfüllen sollen. Das Ergebnis war eine enge Integration beider Anwendungen, "wobei WMS, MES und ERP-System gleichberechtigte Partner sind und eigene Entscheidungsbefugnisse haben", betont Kevin Möser. "Das heißt MES und WMS geben Informationen selbstständig weiter, ohne die Schleife über SAP zu gehen." Sie regeln die Aufgaben für die rund 45 Arbeitsstationen in der Produktion sowie die sechs Transportroboter automatisch.

Eng getaktete Systeme

SAP ist im Zusammenspiel der Systeme nur noch für die Auftragsgenerierung zuständig und übergibt die Fertigungsorder mit Stückliste an Hydra. Das MES übernimmt die Feinplanung - welche Maschine, welches Werkzeug, welches Material, welcher Mitarbeiter - und übermittelt anschließend eine Stückliste inklusive Terminierung an das WMS. Dieses wiederum generiert Nachschubaufträge für den logistischen Bedarf pro Arbeitsgang, die im Supermarktlager der Produktionshalle gepuffert werden. Dieses reduziert den notwendigen Zwischenlagerplatz an den Arbeitsstationen. Erst kurz vor der Verarbeitung erteilt das WMS einen Transportbefehl, und ein Roboter bringt das Material zur Arbeitsstation. Hier wird es in kleinen Regalen verwahrt, ehe es in die Bearbeitung geht. So können die Kapazitäten an den Bearbeitungsmaschinen bestmöglich genutzt werden. Der Werker stellt den fertigen Auftrag auf einem Ausgangspuffer ab und scannt ihn. Das löst eine Anweisung im Warehouse Management System aus, sodass ein Roboter die Ware anschließend ins Supermarktlager oder zur nächsten Arbeitsstation bringt. "Viadat tritt also auch zwischen den einzelnen Arbeitsschritten in Aktion, MES und WMS kommunizieren kontinuierlich miteinander", schildert Möser. Simon Kallinger ergänzt: "Wir haben damit ein echtes Just-in-Time-Konzept umgesetzt. Viadat kennt die Kapazitäten an den Pufferplätzen und kann somit planen, dass diese durchgehend befüllt werden und das Material rechtzeitig vor dem nächsten Arbeitsgang bereitsteht."

Vorteile für alle Beteiligten

Das wird einen gewaltigen Effizienzgewinn für die Mitarbeiter an den Arbeitsstationen nach sich ziehen, steht für Möser fest. "Die Kollegen werden weder ihr Material zusammensuchen noch Kisten schleppen müssen. Alles was sie für den Produktionsschritt brauchen, bekommen sie direkt an den Arbeitsplatz geliefert. Sie selbst müssen nur noch rüsten und bearbeiten." Damit werden sie von anstrengenden und ungeliebten Tätigkeiten entbunden und machen ausschließlich das, wofür sie ausgebildet sind und woran sie Spaß haben. Das gilt aber nicht nur für die Beschäftigten an den Maschinen, sondern auch für die Fachkräfte, die sich um die Organisation und Abwicklung der Fertigung kümmern. Durch die Transparenz, die sich infolge der Verbindung von WMS und MES ergibt, wissen sie zu jeder Zeit, wo sich welches Material befindet, wie ausgelastet die Maschinen sind und wie weit die Bearbeitung des Produkts vorangeschritten ist. "Ihr Workload wird um ein Vielfaches reduziert", sagt Möser. "Erst wenn die Systeme bestimmte Probleme nicht lösen können - weil etwa ein Zulieferteil im Lager fehlt - wird ein Mensch zur Hilfe gerufen. Die Mitarbeiter werden also nicht mehr als Hin- und Herschieber von Kisten genutzt, sondern werden zum Problemlöser."

Effizienz erheblich gesteigert

Auch die Kunden von Vacom profitieren von der smarten Fertigung, wie Möser erläutert: "Die Bestandsführung ist optimiert, Stillstands- und Liegezeiten werden massiv reduziert. Unsere Kapazität steigt und die Durchlaufzeiten werden sinken. Außerdem können wir unsere Kunden schneller beliefern." Allein mit dem Stand der selbstregelnden Fabrik ist die OEE, die Overall Equipment Effectiveness, in der Produktion von Vacom zwischen fünf und zehn Prozent gestiegen. Möser geht von weiteren fünf bis zehn Prozent aus, wenn die jetzige Optimierung abgeschlossen ist und ist sich sicher: "Nur wer schnell und flexibel auf Kundenwünsche reagieren kann, ohne dass Chaos entsteht, bleibt langfristig am Markt erfolgreich. Produktion und Logistik als verschiedene Paar Schuhe zu betrachten, wird in Zukunft nicht mehr funktionieren."

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Dieser Artikel erschien in IT&Production 1 (Januar Februar) 2020 - 06.02.20.
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