Anlagen und Abläufe digital abbilden und optimieren
Geschäftsprozesse mit digitalem Zwilling
Mit digitalen Zwillingen können Funktionen eines Produkts simuliert und Fehlerquellen entfernt werden - bevor es überhaupt produziert wird. Im digitalen Abbild steckt also großes Potenzial. Doch wie steht es um digitale Zwillinge von Anlagen und Geschäftsprozessen?
Mit einem digitalen Zwilling lassen sich Produktionskosten reduzieren, schneller auf neue Anforderungen reagieren, konkurrierende Designvarianten hinsichtlich der Marktrelevanz prüfen und letztlich auch die Produktqualität erhöhen. Dabei lässt sich das Konzept Digitaler Zwilling ohne weiteres auf die Geschäftsprozessmodellierung ausdehnen - sowohl für softwarebasierte Prozesse als auch unter Einbeziehung von Produktionsanlagen. Der Engineering-Dienstleister Expleo hat Methoden zur Erzeugung digitaler Zwillinge in ersten Projekten - beispielsweise bei einem produzierenden Hersteller, der die Gesamtanlageneffektivität seiner Produktionsstraßen steigern wollte - getestet.
Heterogener Maschinenpark
Um die Produktionslinien über mehrere Standorte auszulasten, suchte der Produzent eine Digitalisierungslösung. Die Herausforderung war, dass sich die Maschinen verschiedener Hersteller und Generationen stark in Hardware, Software, Konfigurationsmöglichkeiten und Datenschnittstellen unterscheiden. Das Unternehmen musste daher bei der Optimierung der Produktionsplanung aufwendig Maschinen manuell abstimmen und auch die Planung der Serviceaufgaben war umständlich - ungeplante Ausfallzeiten waren oft nicht zu verhindern. Der Mangel an standardisierten Schnittstellen und Daten rückte jegliche Smart-Factory-Vision in weite Ferne.
Knowledge-Graph-Ansatz
Expleo entwickelte daraufhin die Idee, einen generischen Knowledge-Graph-Ansatz für eine digitale Darstellung der Anwendungsfallumgebung zu realisieren. Dafür wurde ein selbstlernendes System entwickelt, das aus verschiedenen Quellen einen digitalen Zwilling der Produktionsanlagen entstehen ließ: Aus dem, was die Maschinen an unterschiedlichen Betriebsdaten preisgaben, der manuellen Dokumentation von Prozesszusammenhängen und dem Logging von Bedienereingaben. Die zugrunde liegenden semantischen Netze ermöglichen dabei eine beliebige Erweiterbarkeit in einem wachsenden Kontext. Beispielsweise wäre es möglich, neben den datensammelnden Edge-Computern an den Maschinen weitere Sensoren anzubinden. In letzter Konsequenz könnte der digitale Zwilling nicht nur lernen, sich zu optimieren, sondern auch steuernd auf die Fabriken, die er repräsentiert, einwirken.
Softwareverhalten simulieren
Der digitale Zwilling eines Produktionsprozesses erlaubt es, schnell und gefahrlos Änderungen zu simulieren und Zusammenhänge zu erkennen. Dieser Vorteil lässt sich auch auf Geschäftsprozesse übertragen, die mittels Software realisiert oder optimiert werden. Dazu wird das Wissen über Software in Prozessdiagrammen dokumentiert und das Verhalten der Software durch Datenflüsse simuliert. Im ersten Schritt werden Workshops mit den relevanten Anwendern durchgeführt, vorhandene Dokumentationen berücksichtigt und der Wunschprozess dokumentiert. In einem zweiten Schritt werden die Anwender in einem Walkthrough-Ansatz durch die Prozesse geführt, indem die gesamte Ausgangssituation zunächst durch Datenkonstellationen festgehalten wird. Im Anschluss geht man durch die Prozesse und verfolgt unterschiedliche Eingaben und Ausgaben in den jeweiligen Schritten sowie Änderungen im Datenhaushalt. Das Verhalten wird quasi in dieser Simulation als Soll definiert.
Klären, was nötig ist?
Entscheidend ist der intensive Abgleich der Vorstellungen einerseits des Managementes und andererseits der Software-Anwender. Es wird geklärt, was im Tagesgeschäft wirklich benötigt wird. So sind die Prozesse präzise auf den tatsächlichen Bedarf hin dokumentiert. Zusätzlich sind alle Eingabe- und Ausgabekonstellationen im Prozess festgehalten. Änderungswünsche auch für die Weiterentwicklung werden am Prozessmodell inklusive der Datenflusssimulation besprochen und festgehalten. Der Prozess und die Simulation stehen im Zentrum der Betrachtung. Das agile Prozessmodell wird zum digitalen Zwilling der geplanten Software. Aus ihm ergeben sich die Anforderungen für die agile Entwicklung.
Behavior Driven Development
Ein Vorteil eines solchen digitalen Zwillings liegt in der Qualität der darin hinterlegten Anforderungen. Ein weiterer Vorteil ist, dass aus dem in der Datenflusssimulation hinterlegtem Verhalten notwendige Testfälle bis in die Testautomatisierung einfach generiert werden können - Behavior Driven Development wird dabei in die Geschäftsprozesse übertragen, gerade auch, wenn diese bei der Erstellung nach und nach erweitert werden.
Tools vor Ort berücksichtigen
Die entsprechende Technologie von Expleo berücksichtigt die bei Anwenderbetrieben bereits vorhandenen Werkzeuge. Für das Dokumentenmanagementsystem des Maschinenherstellers wurde beispielsweise die Prozessseite der Lösung mit Microsoft Visio implementiert, während bei Automobilherstellern andere Anwendungen wie der Enterprise Architect genutzt werden. Als Systeme für die Aufnahme der Testfälle dienen dabei, insbesondere für die E2E(End-to-End)-Sicht, alle gängigen Testsuiten. Es lässt sich das Konzept des digitalen Zwillings auf unterschiedliche Technologielandschaften übertragen. Dabei erreichte der Engineering-Dienstleister Beschleunigungseffekte sowie Kosteneinsparungen von bis zu 50 Prozent. Hier hilft es, wenn Prozesse vorab dokumentiert vorliegen. Allerdings können digitale Zwillinge auch mit anderen Verfahren erzeugt werden. Eine Möglichkeit ist die Verallgemeinerung von Testfallportfolien bei bereits existierenden Anwendungen. Darüber hinaus empfiehlt sich das sogenannte Process Mining. Dabei werden Transaktionsdaten des laufenden Systems über definierte Zeiträume extrahiert, analysiert und daraus Prozessbilder generiert. Diese machen Prozessschwachstellen sichtbar und erlauben die Vereinfachung, die Parallelisierung sowie die Automatisierung von Prozessen per Robotic Process Automation (RPA). Am Ende steht auch hier ein digitaler Zwilling.
Frühzeitig entscheiden können
Sowohl bei Produktions- als auch bei IT-Prozessen und deren Hybriden erlaubt ein digitaler Zwilling einfache und frühzeitige Entscheidungen, lange bevor Software gebaut oder Prozesse umgestellt werden. Änderungswünsche können direkt an der Anforderung - den Wissensgraphen/Prozessen - formuliert werden. Damit erfolgen kreative Arbeit und Qualitätssteigerung am digitalen Zwilling, bevor man die Ergebnisse umsetzt. Technologien wie Process Mining erlauben darüber hinaus die Erstellung prozessualer Anforderungen auf hohem Detaillierungsgrad in einer schnelllebigen Welt - das erleichtert die Arbeit mit digitalen Zwillingen erheblich.
Mit digitalen Zwillingen können Funktionen eines Produkts simuliert und Fehlerquellen entfernt werden - bevor es überhaupt produziert wird. Im digitalen Abbild steckt also großes Potenzial. Doch wie steht es um digitale Zwillinge von Anlagen und Geschäftsprozessen?
Mit einem digitalen Zwilling lassen sich Produktionskosten reduzieren, schneller auf neue Anforderungen reagieren, konkurrierende Designvarianten hinsichtlich der Marktrelevanz prüfen und letztlich auch die Produktqualität erhöhen. Dabei lässt sich das Konzept Digitaler Zwilling ohne weiteres auf die Geschäftsprozessmodellierung ausdehnen - sowohl für softwarebasierte Prozesse als auch unter Einbeziehung von Produktionsanlagen. Der Engineering-Dienstleister Expleo hat Methoden zur Erzeugung digitaler Zwillinge in ersten Projekten - beispielsweise bei einem produzierenden Hersteller, der die Gesamtanlageneffektivität seiner Produktionsstraßen steigern wollte - getestet.
Expleo Germany GmbH
Dieser Artikel erschien in IT&Production 2 (März) 2020 - 09.03.20.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com