Systemauswahl auf Augenhöhe
Strukturiert die passende MES-Software finden
Bei der Einführung eines Manufacturing Execution Systems (MES) gilt es einiges zu beachten. Schließlich bindet man sich als Unternehmen mehrere Jahre an ein System und dessen Hersteller. Ein strukturiertes Vorgehen bei der Auswahl sichert die Investition langfristig ab.
Die Nutzungszeit eines Manufacturing Execution Systems (MES) beträgt in der Regel fünf oder mehr Jahre. Daher ist es ratsam, bei einer Neueinführung besonders sorgfältig vorzugehen. In der Praxis hat sich dabei ein strukturiertes Vorgehen bewährt. Wie viele Schritte man macht oder ob man gegebenenfalls zusätzliche Schritte einfügt, hängt u.a. vom Projektvolumen ab. Rahmenbedingungen wie Firmenkultur, Bekanntheit der potenziellen Lieferanten, branchenspezifische Compliance-Anforderungen und Risikomanagement können ebenfalls Einfluss auf das Vorgehen haben.
Detaillierte Aufgabenbeschreibung
Eine detaillierte Aufgabenbeschreibung erhöht die Planungssicherheit. Dazu empfiehlt es sich, bestehende Gschäftsprozesse zu analysieren. Aus diesen werden dann die Soll-Geschäftsprozesse abgeleitet. Darin werden typischerweise auch die systemübergreifenden Datenflüsse beschrieben. Diese sind in der Regel für das MES-Projekt sowohl kosten- als auch zeitrelevant. Der geplante Automationsgrad sollte hier ebenfalls definiert werden.
Anforderungen der Anwender
Basierend auf den Soll-Geschäftsprozessen, lassen sich die Anwender-Anforderungen (User Requirements) ableiten. Es wird damit sichergestellt, dass kein wichtiges Interface bzw. Datenfluss vergessen wird. Neben diesen Anforderungen gibt es typischerweise funktionale Anforderungen, welche teilweise auch aus den Geschäftsprozessen ableitbar sind. Weitere Anforderungen betreffen beispielsweise Performance, Technik, regulatorische Anforderungen, Datensicherheit und Flexibilität. Letztere werden dabei oft unterschätzt, können aber mittelfristig den Projekterfolg stark beeinflussen. In der Praxis hat sich eine Verwaltung der Anforderungsliste mittels Tabellenkalkulation bewährt. Diese Sheets erlauben im Gegensatz zu rein textlichen Ansätzen eine schnelle Sortierung und Filterung. Es ist ratsam, dass Anforderungen von den jeweils betroffenen Abteilungen bestätigt und freigegeben werden. Je nach Projektgröße kann man auch ein Lastenheft formulieren. Dieses beschreibt die Aufgabenstellung und wird um die Geschäftsprozesse und die Anforderungsliste ergänzt. Gibt es bereits branchentypische ME-Systeme, kann man eine Longlist dieser Systeme bzw. Anbieter erstellen. Diese umfasst in der Regel etwa drei bis sechs Lösungen.
Breiteres Anbieter-Screening
Ist der Produktionsprozess oder die Branche speziell oder gibt es keine bekannten halbwegs passenden Systeme, sollte die Auswahl mit einem Screening-Prozess breiter angelegt werden. Man startet dann mit deutlich mehr Systemen und reduziert die Anzahl anhand von KO-Kriterien. Für die restlichen Lösungen kann man eine schnelle Nutzwertanalyse auf Basis eines Antwortbogens der Lieferanten durchführen. Die besten drei bis sechs Systeme bilden die Longlist und werden anschließend genauer betrachtet.
Selbstbestimmte Demonstration
Auch sogenannte Demo-Workshops können hilfreich sein. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass nur die guten Seiten eines Systems präsentiert werden, weshalb sie als Entscheidungsgrundlage oft nicht geeignet sind. Zielführender ist es, ein repräsentatives Demo-Szenario zu formulieren. Dieses sollte durchaus auch exemplarische Auftragsdaten mit realistischen Datenstrukturen enthalten. Beim Demo-Workshop sollten verschiedene Interessengruppen - Anwender, Produktionsleitung, IT-Abteilung - beteiligt werden. Je nach Schwerpunkt der zu realisierenden MES-Funktionalität ist es sinnvoll, auch andere Stakeholder zu involvieren, wie beispielsweise Geschäftsführung, Qualitätssicherung, Controlling, Logistik und Betriebsrat. Die Einbeziehung des Betriebsrats ist spätestens dann ratsam, wenn die Möglichkeit besteht, dass aus gesammelten Daten Rückschlüsse auf persönlich zurechenbare Leistungen gezogen werden können. Der Betriebsrat könnte das MES-Projekt sonst zu einem recht späten Zeitpunkt bremsen. Der potenzielle Anbieter sollte das Szenario in einer festgelegten Zeit vorstellen. Diese sollte auch nicht zu lang bemessen sein, um umfangreiche Systemanpassungen zu vermeiden. Da in der Regel mehrere Demo-Workshops stattfinden, empfiehlt sich der Einsatz von Bewertungsbögen und Bildschirm-Kopien eines jeden Systems. Sonst besteht die Gefahr, dass mit zeitlichem Abstand Systeme von unerfahrenen Anwendern in der Retrospektive verwechselt werden. Die einzelnen Bewertungen sollten zentral erfasst und Bewertungen gegebenenfalls hinterfragt werden.
Kosten hinterfragen
Wenn sich ein System in der sogenannten Shortlist befindet, kann man eine Kostenschätzung beim Lieferanten auf Basis der Anforderungsliste, den Geschäftsprozessen und anderer Dokumente einholen. Die genannten Kosten sollten in jedem Fall hinterfragen werden, da insbesondere weniger erfahrene Firmen oftmals Kosten unterschätzen bzw. die wirklich kritischen Anforderungen erst gar nicht abschätzen können. In dieser Phase besteht die Möglichkeit, Anforderungen, die im Verhältnis zum Nutzen unverhältnismäßig viel kosten, zu vertagen oder ganz zu streichen. Große Funktionalitäten, die in einem der nächsten Releases in der Standard-Funktionalität verfügbar sein werden, sollten einer vorzeitigen Individual-Implementierung vorgezogen werden. Bei vielen MES-Anbietern ist es möglich, eine sogenannte Roadmap anzufordern. Dabei ist die Terminverlässlichkeit genauer zu prüfen. Eventuell ergibt sich die Möglichkeit, den zukünftigen Standard mit zu prägen, damit dieser auf das eigene Projektvorhaben passt oder zumindest an den entscheidenden Stellen mit wenig Aufwand konfiguriert werden kann.
Referenz-Installationen sichten
Ein oftmals wichtiger Aspekt bei der System-Auswahl sind Referenz-Installationen. Diese können im Fragebogen abgefragt bzw. bewertet werden. Referenzbesuche mit ausgesuchten Projektbeteiligten können zeigen, wie ein bestehendes MES in der Praxis genutzt wird, welche Nutzer-Akzeptanz es hat und welche praktischen Erfahrungen der Betreiber gewonnen hat. Im Grunde erfährt man etwas darüber, wie die realisierende Firma Projekte umsetzt. Es gibt bei Referenzen immer den Zielkonflikt: Viele Referenzen, aber alte System-Komponenten und wenig bis gar keine Referenzen, aber neue Software-Stände. Auch hier bietet es sich an, einen Bewertungsbogen von den Teilnehmern während des Besuchs ausfüllen zu lassen.
Nutzwertanalyse
Um die Übersicht nicht zu verlieren und die Entscheidung für alle nachvollziehbar zu machen, kann man alle Ergebnisse tabellarisch auflisten und im Rahmen einer Nutzwertanalyse bewerten. Für die Gewichtung haben sich folgende Stufen bewährt: 1 = unwichtig, 3 = wichtig, 5 = sehr wichtig, 9 = KO-Kriterium.
Lieferanten-Audit
Um das eigene Projektrisiko besser zu bewerten, gehört auch eine Lieferantenbewertung dazu. Kennt man den Anbieter noch nicht, empfiehlt sich ein Lieferanten-Audit. Dabei sollte man dem Lieferanten vorab einen Fragebogen zukommen lassen und vor Ort dann die Gegebenheiten betrachten, die Antworten diskutieren und bewerten. Der Auditierungsfragebogen sollte um projektspezifische Punkte erweitert werden. Risiken können so vorab identifiziert und damit entsprechende Gegenmaßnahmen definiert werden.
Realisierungsdauer
Die Realisierungsdauer sollte in der Regel 18 Monate nicht überschreiten, da sonst verschiedene Faktoren die Kosten hochtreiben können. Sollte die vom MES-Anbieter geschätzte Realisierungsdauer deutlich länger sein, ist in jedem Fall zu prüfen, wie hoch der sogenannte Customizing-Anteil (Individualprogrammierung) ist. Hohe Customizing-Anteile bedeuten höhere Risiken in der Realisierung sowie größere Hürden bei der späteren Migration auf aktuellere Standard-MES-Releases. Zudem wird in der Praxis oft der Zeitbedarf für Vertragsverhandlungen unterschätzt. In den wenigsten Fällen lässt sich dies innerhalb von vier bis sechs Wochen erledigen, da häufig umfangreiche Vertragsprüfungen stattfinden und interne Freigaben erteilt werden müssen.
Bei der Einführung eines Manufacturing Execution Systems (MES) gilt es einiges zu beachten. Schließlich bindet man sich als Unternehmen mehrere Jahre an ein System und dessen Hersteller. Ein strukturiertes Vorgehen bei der Auswahl sichert die Investition langfristig ab.
Die Nutzungszeit eines Manufacturing Execution Systems (MES) beträgt in der Regel fünf oder mehr Jahre. Daher ist es ratsam, bei einer Neueinführung besonders sorgfältig vorzugehen. In der Praxis hat sich dabei ein strukturiertes Vorgehen bewährt. Wie viele Schritte man macht oder ob man gegebenenfalls zusätzliche Schritte einfügt, hängt u.a. vom Projektvolumen ab. Rahmenbedingungen wie Firmenkultur, Bekanntheit der potenziellen Lieferanten, branchenspezifische Compliance-Anforderungen und Risikomanagement können ebenfalls Einfluss auf das Vorgehen haben.
Detaillierte Aufgabenbeschreibung
Eine detaillierte Aufgabenbeschreibung erhöht die Planungssicherheit. Dazu empfiehlt es sich, bestehende Gschäftsprozesse zu analysieren. Aus diesen werden dann die Soll-Geschäftsprozesse abgeleitet. Darin werden typischerweise auch die systemübergreifenden Datenflüsse beschrieben. Diese sind in der Regel für das MES-Projekt sowohl kosten- als auch zeitrelevant. Der geplante Automationsgrad sollte hier ebenfalls definiert werden.
Process Automation Solutions GmbH
Dieser Artikel erschien in MES Wissen Kompakt (April) 2020 - 08.04.20.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com