Anzeige

Telefon: +49 2203 9649 0


Lowcost-Parallelkinematik als Bausatz

Mein erster Delta - Teil 2

Die Robotik erobert neue Anwendungen und Branchen - gerade im Mittelstand. Doch ein Faktor bremst diesen Siegeszug: Es gibt nicht genügend Spezialisten im Markt und der Fachkräftemangel tut sein Übriges. In der Folge setzen einige Hersteller darauf, die Installation, Inbetriebnahme und Bedienung von Robotern deutlich einfacher zu machen. Dazu gehört das Unternehmen Igus. Dessen Deltaroboter soll sich sogar von Laien in Betrieb nehmen lassen. Ist das wirklich so oder nur Marketing? Teil 2 des Selbstversuchs von ROBOTIK UND PRODUKTION.

Bild: TeDo Verlag GmbHBild: TeDo Verlag GmbH
Herzstück des Schaltschrank sind die drei Igus-Antriebssteuerungen vom Typ D1, als übergeordnete SPS kommt eine Simatic S7-1200 zum Einsatz.

Dass die Montage des Igus-Delta keine Herausforderung darstellt, hatte unser Selbstversuch bereits eindrücklich gezeigt (der QR-Code führt direkt zu Teil 1). In der Redaktion konnten wir die Parallelkinematik zwar nicht ganz so schnell aufbauen, wie vom Hersteller promotet - sonderlich viel mehr Zeit war aber auch nicht nötig.

Bild: TeDo Verlag GmbHBild: TeDo Verlag GmbH
Bedient wird der Roboter über ein Siemens-HMI, angeschlossen mit Chainflex-Leitungen von Igus.

Bild: igus GmbHBild: igus GmbH

Es folgt die Inbetriebnahme

Doch da die Montage selbst nur der erste Schritt ist, setzt sich der Praxisversuch sinnvollerweise mit der Inbetriebnahme des Deltaroboters fort. Doch nachdem die Kinematik im ersten Schritt in einem provisorischen Holzgestell aufgehängt wurde, stand für den zweiten Schritt zuallererst der Transfer in einen professionellen Profilrahmen auf der Agenda. Igus bietet für seine Deltas einen solchen als passenden Bausatz oder auch fertig montiert ab Werk an. Mit wenigen Schrauben fest verankert und um die Endschalter ergänzt, wartet der Delta nun im Verlag auf die endgültige Verkabelung und Inbetriebnahme. Für das richtige Experten-Backup vor Ort und alle Eventualitäten, bekommen wir Besuch von Rene Erdmann, der bei Igus für die elektrische Antriebstechnik verantwortlich ist. Mit im Gepäck: ein bereits vorverdrahteter Demo-Schaltschrank, der bei Kundenbesuchen oder für Messe-Applikationen genutzt wird.

Bild: TeDo Verlag GmbHBild: TeDo Verlag GmbH

Elektronik für den Delta

Das Herzstück im Schaltschrank bilden drei Igus-Antriebssteuerungen vom Typ D1, die für Stepper, wie sie im Delta verbaut sind, aber auch für EC- und DC-Motoren ausgelegt sind. "Auf diese Weise lassen sich verschiedene Roboterkonzepte wie Parallelkinematik, kartesischer Roboter oder auch Einzelachsen realisieren", beruft sich Erdmann auf bereits umgesetzte Applikationen. Als übergeordnete SPS kommt eine Simatic S7-1200 zum Einsatz. "Sie ist für einfache Bewegungsprofile vollkommen ausreichend", so Erdmann. Für komplexere Bahnen oder Kreisfahrten erfordere es allerdings einer leistungsstärkeren Master-Steuerung. "Das wiederum wäre aber für 80 bis 90 Prozent der typischen Pick&Place-Anwendungen überdimensioniert." Die Motor- und Encoder-Leitungen zur Anbindung der Antriebe an die Igus-Dryve-D1-Motorsteuerungen stammen aus dem Igus-eigenen Chainflex-Programm. Da in den Schrittmotoren Inkrementalgeber verbaut sind, ist vor der ersten Bewegung des Roboters eine Referenzfahrt zwingend notwendig. "Dafür kosten die Motoren aber auch nur halb so viel wie z.B. Servos mit Absolut-Encodern", unterstreicht Erdmann den Lowcost-Ansatz bei Igus.

HMI und Schalteinheit

Auch das HMI, das die Redaktion beim Inbetriebnahme-Feldversuch nutzt, stammt aus dem Siemens-Portfolio. Zwischengeschaltet für den Demobetrieb ist eine Schaltereinheit, über deren Tasten sich schnell entsprechende Modi einstellen lassen, z.B. Referenzfahrt, Einzelzyklus, Automatik-Loop oder Handbetrieb. Normalerweise würden diese Informationen spezifisch auf die jeweilige Applikation abgestimmt und direkt in der SPS hinterlegt. Bei der Einrichtung des Deltaroboters verwenden wir ein vorbereitetes Muster-Programm für das TIA Portal von Siemens, das Igus für seine Motorsteuerungen zur Verfügung stellt. Mit dem lizenzfreien Tool müssen Anwender die SPS nur noch parametrieren und hier nicht komplett von vorne anfangen.

Bild: TeDo Verlag GmbHBild: TeDo Verlag GmbH

Bedienoberfläche und Programmierung

Die Bedienoberfläche für die Inbetriebnahme des Deltas kommt von Igus und ähnelt vom Look&Feel her bewusst dem Online-Tool der D1-Regler. Sie führt den Anwender übersichtlich durch die verschiedenen benötigten Parameter: dazu gehören Geschwindigkeit, Beschleunigung und Verzögerung, Positionswerte aber auch zusätzliche I/Os, um z.B. einen Greifer oder einen Sauger in die Applikation einzubinden. Bei der Programmierung wird eine Zeile nach der Anderen mit Parametern befüllt, die der Roboter im Betrieb dann abarbeitet. Im allerersten Lauf beschränken wir uns auf eine einzelne lineare Bewegung. Nachdem die beiden Zeilen über das HMI gefüllt sind, erteilen wir die Freigabe für den Motorstrom, starten die Referenzfahrt und schalten daraufhin in den Automatik-Loop. Und siehe da: Unser Delta ist erstmals in Aktion. Auch wenn er sich noch mit sehr geringem Override - also langsam - bewegt, ist auch der zweite Teil des Selbstversuchs prinzipiell erfolgreich.

Bild: TeDo Verlag GmbHBild: TeDo Verlag GmbH

Praxisnahes Programm

Doch haben Redakteure erstmal Blut geleckt, sind sie ja bekanntlich nicht zu halten. Deshalb schreiten wir unmittelbar zur nächste Übung: dem realistischen Praxiseinsatz unseres Roboters im Sinne einer typischen Pick&Place-Applikation. Dabei werden sowohl die X-, Y- und Z-Werte weiterer Positionen als auch größere Hübe definiert. Die Dynamik wollen wir dabei auf den Prüfstand stellen. Praktisch, dass sich Beschleunigung und Geschwindigkeit flexibel anpassen lassen, während der Roboter läuft. Mindestens 60 Zyklen pro Minute garantiert Igus bei seinem Lowcost-Delta. In unserem Test merken wir bald, welche Kraft der Roboter mit steigender Dynamik entwickelt. Obwohl eine Parallelkinematik konstruktionsbedingt nur wenig Eigenmasse bewegt, verursacht sie dennoch durch Ihre Massenträgheit starke Schwingungen. Im laufenden Betrieb wäre uns das provisorische Holzgestell nach kurzer Zeit um die Ohren geflogen - selbst ohne Greifer und ohne Traglast. Einem stabilen Maschinenrahmen kann also nicht genug Wert beigemessen werden.

Bild: Igus GmbHBild: Igus GmbH

Anspruchsvolle Applikationen

Neben der Parametereingabe über das HMI, bietet der Delta auch die Möglichkeit die Bewegungen im Handbetrieb zu positionieren und entsprechende Werte in der Steuerung einzuteachen. Alternativ wäre die Integration eines Joysticks zur Einrichtung des Roboters unkompliziert möglich. Selbst die Einbindung eines Kamerasystems wäre denkbar, z.B. über Profinet direkt an der Siemens-SPS. "Die Frage ist natürlich, inwiefern sich das bei Lowcost-Anwendungen lohnt", gibt Rene Erdmann zu bedenken. "Es ist aber durchaus möglich, komplexe Applikationen auf Basis unseres Deltas umsetzen. Die Siemens-SPS in Verbindung mit der D1-Motorsteuerung erlauben mit 300 Programmzeilen eine Vielzahl verschiedener Positionen. In der Regel versucht man natürlich, die Bewegungen innerhalb eines Zyklus gering zu halten." Für typische Pick&Place-Anwendungen seien z.B. meist sieben Positionen ausreichend.

Kein Hexenwerk

Am Ende zieht der Delta in der Redaktion zuverlässig seine Bahnen - noch dazu mit ansehnlicher Geschwindigkeit. Das belegt: Es ist kein Hexenwerk, Roboterapplikationen mit Igus-Technik in Betrieb zu nehmen. Alle Arbeitsschritte finden sich auch als Video-Tutorials im Internet. Doch was passiert im Fehlerfall oder unvorhersehbaren Situationen? So ein Delta muss doch sicher sein. Deswegen führt ROBOTIK UND PRODUKTION den Selbstversuch fort und hat sich für den nächsten Teil einen Safety-Experten von SSP Safety Systems ins Haus geholt. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe. Soviel sei schon mal verraten: Besonders schwierig wird es auch bei der Absicherung des Deltas nicht. (mby) n

igus GmbH

Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 2 (Hannover Messe) 2020 - 16.04.20.
Für weitere Artikel besuchen Sie www.robotik-produktion.de

Firmenportrait