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Car Body Manufacturing bei Thyssenkrupp System Engineering in Mühlacker

Kernkompetenz: Fügen in allen Formen

Thyssenkrupp System Engineering hat viel Knowhow und Erfahrung im Anlagenbau und der Robotik: Zum einen als Systempartner für alle wesentlichen Komponenten der Prozessketten Karosserie und Antriebsstrang in der Automobilindustrie sowie für Automatisierungslösungen für elektrische Speicher- und Antriebssysteme. Zum anderen fertigt das Unternehmen an mehreren Standorten in Deutschland selbst Karosserien und Halbzeuge im Auftrag der Autohersteller - Stichwort Car Body Manufacturing. So auch im baden-württembergischen Mühlacker. Welche Rolle dabei die Automatisierung spielt, hat ROBOTIK UND PRODUKTION bei einem Besuch vor Ort herausgefunden.

Bild: ThyssenKrupp System Engineering GmbHBild: ThyssenKrupp System Engineering GmbH
In Mühlacker baut ThyssenKrupp Systems Engineering auf einem 60.000m² umfassenden Areal Karosserien für den Volkswagen-Konzern.

Man sei stolz, Bestandteil der Mission E bei Porsche zu sein, bekannte die Standortleitung in Mühlacker beim Spatenstich für das Greenfield-Projekt im März 2017. Dort werden seit Juni 2018 auf einem 60.000m² umfassenden Areal Karosserieplattformen gebaut. 175 Mitarbeiter betreuen aktuell die vollautomatische Produktion mit rund 220 Industrierobotern. Dabei wird in den vier Fertigungshallen die gesamte Prozesskette der Karosserieproduktion abgebildet - von der Konstruktion der Werkzeuge, über den Aufbau und die Inbetriebnahme der vollautomatisierten Anlagen, bis hin zur Fertigung von Prototypen und Serienkarossen.

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In Mühlacker sind unter anderem neun Schwerlast-ABB-Roboter im Einsatz, die Lasten bis 550kg handhaben.

Zum Start lag das Produktionsvolumen bei 160 Karossen am Tag. Heute hat sich die Stückzahl bereits deutlich erhöht. Das verlangt vor allem der Automatisierung einiges ab.

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Die Unterfahr-FTS von DS Automotion übernehmen einen großen Teil des Behältermanagements in der Logistik.

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Der Großteil der 220 Roboter im Werk von Thyssenkrupp System Engineering stammt vom Hersteller Kuka.

Bunter Strauß der Fügetechnologien

"Außer Lasertechnik findet sich bei uns das gesamte Spektrum der Fügetechnologien für den Karosseriebau", beschreibt Gregor Borner, Teilprojektleiter Automatisierung der Division Car Body Technologies, die besondere Aufgabenstellung. Ausschlaggebend dafür sei der außergewöhnlich breite Materialmix bei den verbauten Teilen. "Hier am Standort werden z.B. Stahlpressteile, Rohrelemente, Strangpressprofile, Aluminiumbleche und Spritzgussteile kombiniert. Wir mussten uns also in der Planung vor allem damit auseinandersetzen, wie sich alle diese Ausprägungen wirtschaftlich miteinander verbinden lassen." Entsprechend hoch ist die Zahl der benötigten Fügetechnologien: Vom Punkt-, Reib- und MigMag-Schweißen über Clinchen und Nieten bis hin zu Fließlochschrauben oder Kleben ist alles vertreten. "Insgesamt fließen in eine Karosse etwa 4.500 Fügeverbindungen ein", macht Marcel Dietz klar, der Leiter der Instandhaltung. "Darunter sind allein 68m Klebenaht pro Fahrzeug." Aufgrund der vielen Aluminiumteile werde etwa doppelt soviel geklebt, wie im klassischen Stahlkarosseriebau, nur so lasse sich die nötige Stabilität gewährleisten. "Besonders mit Blick auf den Leichtbau macht der großflächige Kleberauftrag eine Karosserie besonders steif und im Crash-Fall sehr sicher", so Dietz weiter. Aber auch allgemein ist im Karosseriebau ein Trend zu Klebeverbindungen zu beobachten. "Allein traut man dieser Technologie aber noch nicht ganz", ergänzt Borner. Deswegen könne man auf den bunten Strauß der anderen Fügetechnologien nicht verzichten.

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Marcel Dietz, Thyssenkrupp System Engineering Insgesamt fließen in eine Karosse etwa 4.500 Fügeverbindungen ein, darunter allein 68m Klebenaht.

Karosseriebau und mehr

"Die Auslagerung von Prozessen - im Sinne des Car Body Manufacturing - nimmt bei den Automobilisten zu, während der klassische Karosserierohbau gleichzeitig zurückgeht", schildert Borner den aktuellen Trend. Zum einen würden die Zulieferer stärker als verlängerte Werkbank eingespannt, zum anderen bedeute dieser Ansatz für die Automobilhersteller eine gewisse Risikoaufteilung in Richtung der Lieferanten. Entsprechend geht die Verantwortung von Thyssenkrupp System Engineering - unter anderem in Mühlacker - deutlich über den reinen Karosseriebau hinaus. "Als Antwort auf die Anforderungen der Autohersteller müssen wir unser Portfolio ständig anpassen und das richtige Gleichgewicht finden, um neue Themen einzubinden und unser Knowhow und die Prozesse weiterzuentwickeln", sagt der Instandhaltungsleiter. "Für uns bietet die eigene Fertigung in Mühlacker eine gute Möglichkeit, die Produktionstechnik und Automatisierung über längere Zeit zu begleiten - und die gewonnenen Erfahrungen auf die Linien zu übertragen, die wir Automobilherstellern und Co. liefern."

Bewährte Automatisierungstechnik

Im Jahr 2017, als der Standort konzeptioniert wurde, stellte sich hinsichtlich der Automatisierung die Frage, ob man auf die allerneueste, noch relativ unerprobte Siemens-SPS-Technik setzen solle, also S7-1500 oder TIA Portal. "Das wäre natürlich sehr zukunftsgerichtet gewesen, doch das Werk in Mühlacker war ursprünglich nur auf eine begrenzte Produktionszeit ausgelegt. Es konnte damals noch niemand absehen, dass es deutlich länger werden würde", fährt Borner fort. Deshalb fiel die Entscheidung auf SPS-Seite zugunsten der S7-300. Bei der Programmierung wurde auf die bewährte und etablierte Programmierversion 5 des VASS-Standards gesetzt. "Ein wichtiger Punkt: Für unsere Steuerungstechnik gibt es genügend Programmierer", fügt Dietz an. Denn die Automatisierung sei auch immer eine Personalfrage, gerade in wettbewerbsintensiven Regionen, wie es rund um Stuttgart der Fall ist. Der Automatisierungsgrad im Werk in Mühlacker ist sehr hoch. Alle Anlagen sind so ausgelegt, dass sie möglichst lange ohne Eingriff des Werkes laufen können - in der Regel zwischen 30 und 60 Minuten. Die Produktionsmitarbeiter sollen möglichst viele Stationen parallel bedienen.

Bild: ThyssenKrupp System Engineering GmbHBild: ThyssenKrupp System Engineering GmbH

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Qualität im Fokus

Knapp 40 S7-Steuerungssysteme sind im Werk verbaut. "Die SPS-Technik haben wir über die Jahre weiterentwickelt und Funktionalität integriert, die man im Rohbau normalerweise noch nicht findet", betont Gregor Borner. So kontrollieren und erfassen die Anlagen in Mühlacker - ganz im Sinne einer Smart Factory - selbstständig die Qualität der eingehenden Teile, der jeweiligen Prozessschritte und der gefertigten Produkte. Dieses Vorgehen ist auch bei den Automobilbauern ziemlich neu. "Dadurch lässt sich nachvollziehen, in welchem Fahrzeug ein bestimmtes Teil verbaut wird", verdeutlicht Dietz den Vorteil für die Qualitätssicherung. "Sogar jeder einzelne Schweißpunkt wird erfasst." So bekommt der Werker schon unmittelbar nach einem Fertigungsschritt Feedback, welche Stelle gegebenenfalls geprüft oder nachgearbeitet werden muss. Darüber hinaus werden die Halbzeuge auch während der Produktion stichprobenartig mit einem mobilen Faro-Messarm geprüft. Abschließend wird für jede Karosserie ein kompletter Messbericht erstellt: In diesem Rahmen prüft eine robotergeführte Zeiss-Inline-Messanlage rund 160 bis 180 Messpunkte. "Die Toleranzen sind dabei kleiner als ein Zehntel Millimeter", so Borner. "Ganz schön wenig, wenn man bedenkt, dass wir bis dahin mehr als 200 Einzelteile zusammengesetzt haben."

Roboter für große Lasten

Bei den Robotern hat man sich durchgängig für Modelle von Kuka entschieden. Die Ausnahme bilden neun Schwerlast-ABB-Roboter, die die Karosserieplattformen von einer Station zur nächsten bringen und über die Schutzzäune in die jeweiligen Anlagenbereiche heben. Sie transportieren Lasten bis 550kg auf speziell angefertigten Linearachsen des Herstellers FEE. "Weil sich die Stückzahlen in unserer Fertigung erhöht haben, ist dieser Prozess mittlerweile ziemlich ausgereizt", lässt Dietz durchblicken. "Das war für uns eine sehr anspruchsvolle Aufgabe", pflichtet ihm Borner bei. Um den reduzierten Taktzeiten Rechnung zu tragen, werden heute teilweise zwei Roboter pro Linearachse eingesetzt. "Fast jeder Zentimeter Produktionsfläche wird genutzt und dennoch sind unsere Roboter erstaunlich mobil", sagt Dietz. Wie lange die tatsächliche Laufzeit der Anlagen tatsächlich sein wird, hänge zum Teil von der Akzeptanz der produzierten Fahrzeuge ab. "Aber wir haben hier im Werk sehr zukunftsfähige Anlagen und sind von daher auch gut für Nachfolgeprojekte aufgestellt", versichert Dietz.

Flexibilität in der Logistik

Fahrerlose Transportsysteme (FTS) sind ebenfalls im Werk in Mühlacker im Einsatz. Sie übernehmen einen großen Teil des Behältermanagements in der Logistik. Die Unterfahrmodelle von DS Automotion können Gewichte bis zu 1t bewegen, obwohl sie kompakt konstruiert sind. Es gab auch Überlegungen, den Transport der Karosseriebaugruppen zwischen den Anlagen per FTS zu realisieren. "Unsere Roboter sind aber relativ groß, schon der kleinste trägt 180kg", erklärt Borner. In der Regel bringen die Roboter zusammen mit den Bauteilen deutlich über 2t auf die Waage. "Das ist zu viel, um sie mit marktüblichen FTS-Lösungen zu verfahren." Deshalb sei man bisher bei spezifisch ausgelegten Linearachsen geblieben. "Die Achsen bewegen bei uns samt Roboter, Greifer, Verfahrwagen und Last bis zu 7t." Leichtbaurobotik und Mensch/Roboter-Kollaboration sind deshalb am Standort bislang kein Thema. (mby)

ThyssenKrupp System Engineering GmbH

Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 2 (Hannover Messe) 2020 - 16.04.20.
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