Zugeschnittene Roboterapplikationen
Individuell Fräsen oder Beschicken
Die Famag-Werkzeugfabrik stellt eigentlich Bohr- und Fräswerkzeuge für zahlreiche Anwendungen her. Doch die 1999 ins Leben gerufene Abteilung für Automation hat sich in kurzer Zeit ebenfalls zu einem wichtigen Geschäftszweig entwickelt. Die dortigen Projekte zeigen, wie speziell auf Kundenbedürfnisse zugeschnittene Roboterlösungen die Automatisierung in kleinen und mittleren Betrieben schnell voran bringen.
Seit Jahren arbeitet Famag als Systemintegrator mit Kawasaki Robotics zusammen und greift in zahlreichen Projekten auf das Produktportfolio des Herstellers zurück. Durch die räumliche Nähe der Unternehmen bieten sich neben der hohen Systemverfügbarkeit auch kurze Reaktionszeiten. Selbst in den schwierigen Zeiten der Covid-19-Pandemie kann so die hohe Nachfrage nach robotergestützter Automatisierung bedient werden. Derzeit entwickelt das Unternehmen unter anderem zwei Anlagen auf Basis von Kawasaki-Robotern.
Schaumstoffbearbeitung für Spezialanfertigungen
Bei der Herstellung von Spezialmatratzen und Sitzauflagen, etwa für Senioren oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen, kommt es auf sehr hohe Präzision und Passgenauigkeit an. Die Polster müssen maßgeschneidert auf die jeweilige Person zugeschnitten sein. Ein Unternehmen, das auf den Zuschnitt von Schaumstoffen für Matratzen und andere ergonomisch anspruchsvolle Produkte spezialisiert ist, hat Famag mit der Konzeption einer robotergestützten Lösung beauftragt. Die per 3D-Körperscanner und CAD/CAM-Software erfassten bzw. verarbeiteten persönlichen Daten werden über das Kawasaki Tool K-AS-Load direkt und ohne zusätzlichen Aufwand an den Roboter bzw. den Controller übermittelt. Herzstück der Anlage ist ein Roboter vom Typ CX165L: Die auf das Handling von schweren Nutzlasten ausgelegte Kinematik hat eine Reichweite von 2.699mm und trägt bis zu 165kg. Der vielseitig einsetzbare Roboter verfügt über ein Hollow Wrist Design zur internen Kabelführung und ist mit einer Wiederholgenauigkeit von ±0,06mm sehr präzise.
Vielversprechende Praxistests
Der zu bearbeitende Schaumstoff wird auf einer speziellen Vakuumplatte fixiert und ist somit bereit für die Bearbeitung: Ausgestattet mit einer Frässpindel kann der CX165L das zuvor übermittelte 3D-Modell schnell und exakt umsetzen. Anfallender Staub und Schmutz werden parallel zum Fräsen abgesaugt. Der entscheidende Vorteil: Der Roboter liefert immer die gleiche Qualität in der Umsetzung, die gefrästen Polster entsprechen stets den individuellen Ansprüchen. Die ersten Praxistests der Anlage waren sehr erfolgreich. Die Inbetriebnahme beim Kunden wird voraussichtlich noch im Sommer stattfinden.
Maschinenbeschickung per Roboter
Bei der Beschickung von Werkzeugmaschinen kommt es auf größtmögliche Effizienz und eine konstante Auslastung der Anlage an. Famag hat eine Zelle entwickelt, die eine parallele Beschickung zweier Werkzeugmaschinen durch nur einen Roboter ermöglicht. Der Vorteil der neuen Anlage: Durch den parallelen Einsatz der Maschinen entstehen keinerlei Verzögerungen und die Gesamtkapazität der Anlage erhöht sich - ebenso die Kapazität des Roboters selbst. So lässt sich die Applikation mit einer deutlich geringeren Investition für den Kunden sowie reduziertem Platzbedarf lösen.
Zwei Maschinen - ein Roboter
Die Wahl für den Roboter im Zentrum der Anlage fiel auf das Modell RS010N von Kawasaki Robotics. Es ist Teil der vielseitigen R-Serie für kleine bis mittlere Traglasten. Das Anwendungsgebiet reicht von der Montage über den Materialtransport und die Beschickung bis hin zu vielen anderen Anwendungen. Der Roboter bietet eine maximale Tragkraft von 10kg und eine Reichweite von 1.450mm. Gerade das spezielle Design ermöglicht dem Roboter einen erweiterten Arbeitsbereich. Die neu gestaltete Armstruktur und das Antriebssystem sorgen zudem für höhere Geschwindigkeiten. Das Sicherheitssystem Cubic-S sorgt etwa beim Öffnen der Türen dafür, dass Roboter und Arbeiter gefahrlos zusammenarbeiten können. Die Software ermöglicht die Einrichtung besonders platzsparender Applikationen und Sicherheitsbereiche ohne aufwändige externe Sicherheitsmaßnahmen.
Mehrfachgreifer für Werkstücke
Über eine externe Zuführung entnimmt der Roboter mit einem speziell entwickeltem Mehrfachgreifer die Werkstücke und bewegt sie in die jeweilige Maschine zur weiteren Bearbeitung, während parallel das fertig bearbeitete Werkstück entnommen wird. Letzteres wird auf dem Weg zur zweiten Werkzeugmaschine in einer bereitstehenden Ausgabe abgelegt. Der gesamte Ablauf ist auf höchstmögliche Effizienz und Auslastung aller Anlagenteile sowie kurze Wege ausgelegt.
Carsten Stumpf, Vice President Kawasaki Robotics Deutschland, kommentiert die Auswirkungen durch die Covid19-Pandemie auf Produktion und Automatisierung.
ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie hat die Corona-Krise das Geschäft bei Kawasaki Robotics beeinflusst? @Interview_Grundschrift:Carsten Stumpf: Die Krise hat einen deutlichen Effekt auf unser Geschäft: Neben einer derzeit von Vorsicht und geringen Investitionen geprägten Marktsituation in Deutschland spüren wir auch die Restriktionen im Warenverkehr innerhalb Europas. Der Wegfall von Messen und Kundenbesuchen ist zweifelsohne ebenfalls ein erheblicher Einschnitt. Ein großer Teil unserer Mitarbeiter arbeitet von zu Hause, während ein Kernteam in der Niederlassung in Neuss vor Ort ist. Mit der japanischen Zentrale sind wir täglich in Kontakt um eine reibungslose Versorgung mit Robotern und Teilen zu gewährleisten.
ROBOTIK UND PRODUKTION: Sehen Sie in der Krise auch Chancen für die Zukunft der Automatisierung? @Interview_Grundschrift:Stumpf: Ich bin überzeugt: Ein Automatisierungsschub wird kommen. Die Pandemie zeigt die Vorteile einer automatisierten Produktion deutlicher denn je - etwa eine geringe Anfälligkeit für personelle Engpässe oder höhere Auslastungen und Sicherheit durch räumliche Abstände zwischen Mitarbeitern - und wird zahlreiche Unternehmen zum Umdenken bewegen. Zusätzlich muss die produzierende Industrie natürlich ihre Strategien in puncto Zentralisierung und Standortsicherung auf den Prüfstand stellen. Hier sollte man Gewinnmaximierung und nachhaltige Betriebs- und Versorgungssicherung neu abwägen. Doch diesen Effekt werden wir erst mittelfristig erleben. ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Lehren ziehen Sie aus der Situation? @Interview_Grundschrift:Stumpf: Wir merken, wie stark wir auf Messeauftritte oder persönlichen Kontakt mit Kunden angewiesen sind. Besonders letzteren können und möchten wir nicht ersetzen, aber wir nutzen die Krise natürlich um neue Konzepte zu testen und auch altbewährtes auf den Prüfstand zu stellen. So bietet unsere Kawasaki Robotics Academy seit März den gesamten Trainingskatalog erstmalig als Webinar an. ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Rolle wird der Faktor lokale Produktion in Zukunft spielen? @Interview_Grundschrift:Stumpf: Ob im öffentlichen Leben, etwa mit Blick auf Medikamente oder Atemschutzmasken, oder im geschäftlichen Umfeld: In der Krise zeigt sich, wie abhängig wir in Deutschland und Europa allein von chinesischen Produktionen und Warenverkehr sind. Ich bin sicher, dass deshalb die hiesigen Produktionsstandorte wieder gestärkt werden - hier wird der Bedarf an Robotern, etwa zum Palettieren und Verpacken, zweifelsohne steigen, um im internationalen Vergleich mithalten zu können.
Die Famag-Werkzeugfabrik stellt eigentlich Bohr- und Fräswerkzeuge für zahlreiche Anwendungen her. Doch die 1999 ins Leben gerufene Abteilung für Automation hat sich in kurzer Zeit ebenfalls zu einem wichtigen Geschäftszweig entwickelt. Die dortigen Projekte zeigen, wie speziell auf Kundenbedürfnisse zugeschnittene Roboterlösungen die Automatisierung in kleinen und mittleren Betrieben schnell voran bringen.
Seit Jahren arbeitet Famag als Systemintegrator mit Kawasaki Robotics zusammen und greift in zahlreichen Projekten auf das Produktportfolio des Herstellers zurück. Durch die räumliche Nähe der Unternehmen bieten sich neben der hohen Systemverfügbarkeit auch kurze Reaktionszeiten. Selbst in den schwierigen Zeiten der Covid-19-Pandemie kann so die hohe Nachfrage nach robotergestützter Automatisierung bedient werden. Derzeit entwickelt das Unternehmen unter anderem zwei Anlagen auf Basis von Kawasaki-Robotern.
Kawasaki Robotics GmbH
Dieser Artikel erschien in ROBOTIK UND PRODUKTION 3 (Juni) 2020 - 09.06.20.Für weitere Artikel besuchen Sie www.robotik-produktion.de