Zertifizierung bei der additiven Fertigung
Mit Sicherheit drucken
Selektives Laserschmelzen kommt als additives Fertigungsverfahren vermehrt auch für die Herstellung sicherheitsrelevanter Bauteile zum Einsatz. In diesem Bereich gibt es hohe regulatorische Anforderungen, jedoch fehlen oft verlässliche Standards. Daher hat TÜV Süd Industrie Service mit anderen Unternehmen ein Zertifizierungsprogramm entwickelt, dass erstmals bei Rosswag Engineering angewendet wurde.
Selektives Laserschmelzen (SLM) ist ein Pulverbettverfahren, das in der Industrie zunehmend bei der Herstellung metallischer Bauteile zum Einsatz kommt. Dabei wird eine dünne Schicht Metallpulver auf einer Grundplatte aufgebracht. Dann schmilzt ein Laser das Pulver an ausgewählten Stellen schichtweise zu einem Bauteil. Bei komplexen Geometrien sind noch Stützstrukturen nötig, um vorübergehend Halt zu geben und Hitze abzuführen. Nach der Fertigung werden die Stützstrukturen und das restliche Pulver vom Bauteil entfernt.
Vorteile gegenüber anderen Verfahren
Gegenüber anderen Verfahren wie Gießen, Fräsen oder Schweißen bietet das selektive Laserschmelzen einige Vorteile. Viele Bauteile lassen sich zeit- und kostensparender herstellen. Zudem kann überschüssiges Pulver weiterverwendet werden und auch Bearbeitungswerkzeuge sind nicht erforderlich. Die Bauteile lassen sich fast ohne Einschränkungen frei konstruieren und formen und das Design hängt dabei nicht vom Fertigungsverfahren ab, wodurch sich komplexe und optimierte Geometrien erzielen lassen. Ein digitaler Bauplan ersetzt beispielsweise die Gussform und kann mitunter sogar die Entwicklungszeiten verkürzen. Zudem können Metall-3D-Drucker schnell in bestehende Produktionsstraßen eingebunden werden und es fallen geringere Logistik- und Lagerkosten an, weil Einzelteile auf Anfrage gefertigt werden können.
Sicherheitsrelevante Bauteile drucken
Auch sicherheitsrelevante, drucktragende Bauteile - beispielsweise Druckbehälter, Rohrleitungen, Ventile etc. - für die chemische Industrie werden mittlerweile additiv gefertigt. Zum Schutz von Menschen, Umwelt und Sachwerten gelten für diese besonders hohe Anforderungen, wie z.B. einheitliche Festigkeitswerte und Abmessungen bei der Serienfertigung. Um solche Anforderungen zu erfüllen, sind einheitliche Standards und ein durchgängiges Qualitätsmanagement nötig. Das beginnt bereits bei der Materialqualifizierung, da der Rohstoff (das Metallpulver) einen wesentlichen Einfluss auf das spätere Bauteil hat.
Unterschiedliche Anforderungen
Je nach Anwendung bestehen verschiedene Anforderungen an das Metallpulver. So sollten die Partikel möglichst kugelförmig sein und die richtige Größe haben. Für breitere Querschnitte eignen sich eher großvolumige Partikel, da diese eine höhere Toleranz für größere Energieeinträge eines Lasers haben. Sind sie zu klein, verringert sich beispielsweise die Fließfähigkeit des Pulvers und es lässt sich schwieriger verarbeiten. In der Luft können zu kleine Partikel zudem eine Gefahr für die Gesundheit darstellen. Außerdem verdampfen sie oft zu schnell und führen zu unerwünschten Poren in den Bauteilen. Poren können ebenfalls entstehen, wenn das Metallpulver beim Transport, der Lagerung und Verarbeitung nicht ausreichend geschützt ist und Feuchtigkeit aufnimmt. Der Laser spaltet diese in Wasserstoff und Sauerstoff, der ins Material eingelagert wird.
Standards fehlen
Da der Einsatz additiver Fertigungsverfahren für sicherheitsrelevante Bauteile noch relativ neu ist, fehlen oftmals noch verlässliche Standards, spezifische Betriebserfahrung und Materialkennwerte. Auch besteht ein großer Bedarf an neuen Werkstoffen mit weiteren Eigenschaften. Dabei ist zu prüfen, ob die gefertigten Bauteile auch die bei der Auslegung vorgesehenen Parameter erreichen. Aufgrund komplexer Geometrien sind zerstörungsfreie Prüfungen nicht immer bzw. nur bedingt möglich. Viele Anforderungen und Vorgehensweisen sind noch nicht umfassend festgelegt und definiert. Zwar existieren für gängige Fertigungsverfahren bereits zahlreiche ISO-Standards und DIN-Normen, diese lassen sich aber oftmals noch nicht auf additive Fertigungsverfahren anwenden. Einige Betriebe entwickeln eigene Prozessrichtlinien und Qualitätsprüfungen, ohne sie durch unabhängige Prüfstellen validieren zu lassen. Die Bauteile lassen sich daher nur bedingt zertifizieren, was Rechtsunsicherheit und offene Haftungsfragen nach sich ziehen kann.
Zertifizierungsprogramm entwickelt
TÜV Süd Industrie Service hat in Kooperation mit Unternehmen aus der Pulver- und Druckgeräteherstellung ein Zertifizierungsprogramm entwickelt, das auf dem AD 2000-Regelwerk für Druckgeräte und der europäischen Druckgeräterichtlinie DGRL basiert. Metallpulver-Hersteller können sich zuverlässig bewerten und zertifizieren lassen, um die Qualität ihrer Prozesse nachzuweisen. Im Vordergrund stehen die Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit der Produkte, der Nachweis der Fertigungssicherheit für ausgewählte Werkstoffgruppen und die grundsätzliche Eignung des Metallpulvers für additive Verfahren. Darüber hinaus erfolgt eine Prüfung von Mitarbeitern, Werkstoffen, Fügeverfahren und Qualifizierungen. Fortlaufende Zertifizierungen und Qualitätsprüfungen sind dabei wichtige Kriterien. Ferner stehen unterschiedliche Fragen im Mittelpunkt wie: Sind alle Anlagen und Prozesse kalibriert, reproduzier- und rückverfolgbar? Erfolgt eine fortlaufende Überwachung der Verarbeitung? Gibt es Risikoanalysen und werden diese bei Bedarf angepasst?
Qualifizierung verbessert
Mitte 2019 hat TÜV SÜD Industrie Service beispielsweise Rosswag Engineering auditiert und im Verlauf erfolgreich zertifiziert. Dabei haben die Experten die Herstellung, Prüfung und Qualifizierung der Metallpulver untersucht. Neue Werkstoffe bzw. Legierungen durchlaufen bei Rosswag umfangreiche Qualifizierungsprozesse. Das betrifft die Interaktion zwischen Metallpulver, Anlagenparametern und Bearbeitungsprozessen. Vom Rohstoff bis zum fertigen Bauteil wird fortlaufend nach festgeschriebenen Produktionsbedingungen und Qualitätsstandards auf Güte geachtet. Sonderpulver benötigen derzeit normalerweise etwa 30 Wochen für eine Qualifizierung. Rosswag Engineering kann diesen Zeitraum als zertifizierter Hersteller mitunter auf nur vier Wochen verkürzen.
Selektives Laserschmelzen kommt als additives Fertigungsverfahren vermehrt auch für die Herstellung sicherheitsrelevanter Bauteile zum Einsatz. In diesem Bereich gibt es hohe regulatorische Anforderungen, jedoch fehlen oft verlässliche Standards. Daher hat TÜV Süd Industrie Service mit anderen Unternehmen ein Zertifizierungsprogramm entwickelt, dass erstmals bei Rosswag Engineering angewendet wurde.
Selektives Laserschmelzen (SLM) ist ein Pulverbettverfahren, das in der Industrie zunehmend bei der Herstellung metallischer Bauteile zum Einsatz kommt. Dabei wird eine dünne Schicht Metallpulver auf einer Grundplatte aufgebracht. Dann schmilzt ein Laser das Pulver an ausgewählten Stellen schichtweise zu einem Bauteil. Bei komplexen Geometrien sind noch Stützstrukturen nötig, um vorübergehend Halt zu geben und Hitze abzuführen. Nach der Fertigung werden die Stützstrukturen und das restliche Pulver vom Bauteil entfernt.
TÜV SÜD Industrie Service GmbH
Dieser Artikel erschien in IT&Production 5 (Juni) 2020 - 10.06.20.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com