Strategien für die Elektronikindustrie
In Daten lesen, wo es hakt
Bessere Liquidität, kürzere Auftragsdurchlaufzeiten und höhere Liefertreue, danach streben auch Firmen der Elektronikbranche. Doch in Wirklichkeit schränken häufig hohe Lagerbestände den Handlungsspielraum ein - gerade wenn Aufträge wegbrechen. Mit den richtigen Daten lassen sich viele Probleme lösen.
Im Fahrwasser der Automobilbranche und von Allokation erlebte die Elektronikindustrie schon vor der Corona-Krise einen Auftragsdämpfer. Die Pandemie hat das noch einmal verstärkt. Wer nicht gerade für die Medizintechnik produziert, muss wahrscheinlich Kosten reduzieren. Und darin liegt die Chance, Prozesse in Materialwirtschaft und Auftragsbearbeitung so zu gestalten, dass operative Blindleistungen entfallen und achtsamer mit Kollegen und Ressourcen umgegangen wird.
Willen und Transparenz
Für Fachkräfte im Einkauf sind die Suche nach Fehlteilen, Engpässe in der Materialwirtschaft und die Statusprüfung von Fertigungsaufträgen mit viel Arbeitsaufwand verbunden. Zeit, die gerade in Zeiten von Kurzarbeit und erhöhtem Krankenstand oft fehlt und es schwierig ist, Mitarbeitende in Einkauf, Produktion und Versandabteilung so einzusetzen, dass die richtigen Aufträge passgenau produziert und termingerecht ausgeliefert werden können. Damit dies gelingen kann, braucht es neben dem Willen zur Veränderung absolute Transparenz in Materialwirtschaft und Auftragsbearbeitung. Die Mühe kann sich lohnen: weniger Kapitalbindung, größere finanzielle Spielräume, zufriedenere Kunden und positive Auswirkungen auf die Unternehmenskultur.
Ein Blick auf Fakten
Bei der Entscheidungsfindung hilft ein Blick auf Zahlen zu Material, Lagerbeständen und Auftragsdurchlaufzeiten: Die Materialkosten in der EMS-Branche betragen im Vergleich zu den Fertigungskosten rund 60 bis 80 Prozent und werden damit zum entscheidenden Faktor. Gleichzeitig haben viele Hersteller und EMS-Fertiger in der Vergangenheit auf hohe Lagerbestände gesetzt, um damit rare Bauteile zu sichern und so der Allokation vorzubeugen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Lagerbestände keine Garantie für gute Lieferperformance sind. Gleichzeitig schränken sie die Handlungsspielräume eines Unternehmens stark ein. Aktuell brechen zudem Fertigungsaufträge weg, wodurch sich der Effekt potenziert. Im schlimmsten Fall fehlt für Neuaufträge dann das Geld zur Materialbestellung.
Einfache Mittel
Ein düsteres Szenario, doch das Potential für Einsparungen ist groß. Beispielsweise ist oftmals beim Informationsmanagement und Materialhandling Luft nach oben. Dabei können Unternehmen bereits mit einfachen Mitteln Produktivität und Liquidität steigern, indem sie den Prozesswirkungsgrad erhöhen. Darunter versteht man den Quotienten aus Veredelungszeit und gesamter Durchlaufzeit eines Auftrags - dieser liegt in der Elektronikfertigung oftmals deutlich unter zehn Prozent. Der Ansatz zur Verbesserung liegt in der Ausrichtung der Terminketten auf die richtigen Engpässe. Statt Fertigungsaufträge mit der Bestellung sämtlicher benötigter Materialien zu starten, sollten Auftragsstartzeiten und Materialbestellungen auf den Termin ausgerichtet werden, an dem die Engpassbeseitigung kritischer Komponenten möglich ist. Daraus folgt eine Reduktion der Durchlaufzeiten und eine Verringerung der Liegezeiten von Aufträgen. Und damit eine geringere Kapitalbindung sowie mehr Produktivität durch die Konzentration auf solche Fertigungsaufträge, die realistisch produziert werden können. Letztlich schafft das auch Klarheit über mögliche Liefertermine, was zu einer höheren Liefertreue führt.
Gemeinsame Datenbasis
Die Grundlage für die Optimierung ist eine transparente und gemeinsame Datenbasis, die allen Beteiligten zur Verfügung steht. Die Unternehmensberatung Perzeptron hat dafür das Tool MiG (Materialwirtschaft im Gleichgewicht) entwickelt. Das Browser-basierte Programm kann an bestehende ERP-Systeme angebunden werden und analysiert bzw. visualisiert die dort vorhandenen Daten. Für jede Abteilung stehen eigene Ansichten, Analyse- und Optimierungsfunktionen zur Verfügung. Weil jeder Nutzer auf dieselben Daten zugreift, entfallen Unklarheit und Zweifel. Dabei nutzt das Programm jeweils den aktuellsten Datensatz, ohne selbst Änderungen vorzunehmen. Die Implementierung ist in der Regel in wenigen Tagen abgschlossen.
Sehen, wo Teile fehlen
Die Fertigungsübersicht zeigt zunächst Aufträge mit Fehlteilen. Das soll die Fertigungsleitung und Logistik dabei Unterstützung, die Produktion rechtzeitig anzupassen. Gleichzeitig kann der Einkauf rechtzeitig agieren und dafür sorgen, dass alle Materialien für einen Auftrag rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden. Mitarbeiter können kontinuierlich Materialbewegungen beobachten und strategische Entscheidungen zur Optimierung der Beschaffung treffen. Die Suche nach Bauteilen und Informationen entfällt ebenso wie die übereilte Bestellung von Fehlteilen. MiG wurde für alle Fertigungsbetriebe konzipiert, die mit Stücklisten arbeiten.
Mit wenig viel verbessern
Es zeigt sich, dass mit wenigen Maßnahmen deutliche Verbesserungen in der Materialwirtschaft und dem Produktionsprozess von Auftragsfertigern, Herstellern und OEMs erzielt werden können. Gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten können solche Optimierungen für Unternehmen wichtig werden. Gleichzeitig schaffen sie aber auch eine neue Art der Zusammenarbeit intern und mit Kunden - und bringen Mitarbeiter weg von operativen Tätigkeiten hin zu einer strategischen, vorausschauenden und gestaltenden Entwicklung des Unternehmens.
Bessere Liquidität, kürzere Auftragsdurchlaufzeiten und höhere Liefertreue, danach streben auch Firmen der Elektronikbranche. Doch in Wirklichkeit schränken häufig hohe Lagerbestände den Handlungsspielraum ein - gerade wenn Aufträge wegbrechen. Mit den richtigen Daten lassen sich viele Probleme lösen.
Im Fahrwasser der Automobilbranche und von Allokation erlebte die Elektronikindustrie schon vor der Corona-Krise einen Auftragsdämpfer. Die Pandemie hat das noch einmal verstärkt. Wer nicht gerade für die Medizintechnik produziert, muss wahrscheinlich Kosten reduzieren. Und darin liegt die Chance, Prozesse in Materialwirtschaft und Auftragsbearbeitung so zu gestalten, dass operative Blindleistungen entfallen und achtsamer mit Kollegen und Ressourcen umgegangen wird.
Perzeptron GmbH
Dieser Artikel erschien in IT&Production 1 (Februar) 2021 - 08.02.21.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com