Modulare Messtechnik für mitwachsende Gebäudeverteiler
Zukunftsfähigkeit inklusive
In der industriellen Produktion ist ein genauer Einblick in die Energieflüsse unerlässlich. Er gibt Auskunft über Energieeffizienz, aber auch über mögliche Fehlerquellen. Die entsprechenden Messgeräte müssen in der Elektroinstallation neuer Anlagen von vornherein berücksichtigt werden, ohne die Kosten in die Höhe zu treiben oder zukünftige Erweiterungen zu erschweren. Verteiler mit modularer Messtechnik und einem netzwerkfähigen Bedienpanel als Frontend vereinen hierbei scheinbar widersprüchliche Anforderungen wie Standardisierung und Flexibilität.
An Standorten großer Industriekonzerne müssen regelmäßig Großbaustellen mit Energie versorgt werden und neue Gebäudekomplexe in Betrieb gehen. Aber dies darf sich keinesfalls auf die Versorgungssicherheit auswirken. Trotz aller Sorgfalt können nach dem Zuschalten neuer Anlagenteile Störungen in der Stromversorgung auftreten. Mit der richtigen Messtechnik und durchdachten, festen Prozessen lassen sich Störquellen schnell lokalisieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten.
Der Start ins digitale Zeitalter
An einem großen Produktionsstandort aus dem Automotive-Sektor begann im Jahr 2001 der Wechsel hin zur digitalen Messtechnik mit einem ersten Testgerät von Janitza. Aus den ersten Schritten entstanden rasch komplexe Mess-Strategien und vor allem neue, werksinterne Standards, wie ein Beispiel aus der Gebäudetechnik zeigt: Um Neuinstallationen, Wartungsarbeiten und Umbauten möglichst effizient zu gestalten, gab es unternehmensintern schon seit Jahren einen Standard für Gebäudeverteiler mit einer festgelegten Anzahl von Feldern und Sicherungsabgängen. Das verkürzt die Installationszeiten im Neubaubereich und erleichtert auch die Wartung. Der Nachteil dieser einheitlichen Verteiler ist, dass bestimmte Komponenten wie z. B. die Messtechnik vorinstalliert werden müssen, die später möglicherweise nicht benötigt werden. Sie blieben über die gesamte Lebensdauer des Schaltschranks ungenutzt. Mit der Umstellung auf die neueste digitale Messtechnik bot sich die Möglichkeit, dieses in die Jahre gekommene Konzept abzulösen. Besonders das Janitza UMG 801 brachte eine neue Flexibilität in den Verteilerbau, denn es kann modular auf bis zu 22 Messungen von Drehstromabgängen 3- und 4-kanalig erweitert werden. So konnte man mit diesem Gerät eine neue Messstrategie für die die Hauptverteilung konzipieren, die viel flexibler und ressourcenschonender ist als alte Hardware. Unter der Federführung des Endkunden entstand ein Prototyp für einen neuen Verteiler. Mit dabei war Janitza, der Schaltschrankbauer Fa. SAB aus Nufringen und vor allem der Janitza Solution Partner Sys.Tec Gebäudeautomation. Als Spezialist für Energiemanagement und Messsysteme begleitete der Sys.Tec-Mitarbeiter Mike Rösch die Entwicklung. Er beschreibt eine typische Anforderung: "Die grundsätzliche Belegung von Abgängen in einem Verteiler ist planbar, aber während der Bauphase können sich immer Änderungen ergeben." Gewünscht war deshalb eine Verteilung, die mit der Anwendung mitwachsen kann. So entstand ein Gebäudeverteiler, in dem nur noch das Einspeisefeld standardmäßig gemessen wird. Die Abgangsfelder sind flexibel variierbar. Erst wenn alles angeschlossen ist, legen die Techniker fest, wo und wie Abgänge gemessen werden sollen, MID-konform oder nicht. Um einzelne Abgänge modular erweitern zu können, werden die Messmodule auf die bereits vormontierte Datenschiene aufgesteckt und von Sys.Tec programmiert, anschließend stehen die Messwerte zur Verfügung.
Panel statt Display - Visualisierung neu gedacht
Das UMG 801 ist kein Fronttafel-Einbaugerät mit großem Display, sondern für die Tragschiene gedacht. Trotzdem muss es möglich sein, direkt am Verteiler Messwerte abzurufen oder zu sehen, ob eine Sicherung gefallen ist. Hierfür haben der Kunde, Sys.Tec und Janitza eine Visualisierung mit Hilfe eines Bedienpanels entwickelt. Der Clou dabei: Das Gerät ist ein eigenständiger Netzwerkteilnehmer. So kann es auf Anwendungen, wie die zentrale Visualisierungssoftware GridVis von Janitza zugreifen. Mike Rösch: "Man kann ohne einen PC mitzuführen auf alle Infos über zentrale Webanwendungen zugreifen, etwa auf aktuelle und historische Daten." Ein besonderes Highlight: Sogar der Schaltplan ist elektronisch hinterlegt. Und er bietet Funktionalitäten wie ein Logbuch. Damit wird nicht nur der klassische Ordner überflüssig, auch die vielen handschriftlichen Ergänzungen und Notizzettel sind Vergangenheit. Änderungen werden elektronisch im Logbuch hinterlegt und sind so beliebig abrufbar und nachvollziehbar.
Sonderfall EEG-Umlage
Die Kombination aus modularem Messgerät und Touchpanel machen den Verteiler hochflexibel. Für Eigenerzeugung oder für Drittverbraucher braucht man aber eichrechtskonforme Messungen und derzeit ist es nicht möglich, eine MID-Zertifizierung für ein modulares Gerät zu erhalten. Deshalb gibt es in der Schranktür bereits eine Aussparung und auch die Vorverdrahtung für MID-zertifizierte Messungen mit Zählstandsgangmessung. So ist der Schrank auch für die Herausforderungen gewappnet, die die EEG-Umlage für ein so großes Gelände mit sich bringen wird: Drittverbraucher und Eigenerzeugungsanlagen wie z. B. Prüfstände mit Rückspeisung gehören dazu. Auch hier bietet Janitza technische Möglichkeiten an, wie sie aktuell nur von wenigen Herstellern zu haben ist. Der nachträgliche Einbau hat noch einen weiteren Vorteil: Ein MID-Messgerät muss nach acht Jahren neu zertifiziert oder ausgetauscht werden. Deshalb ist es sinnvoll, ein Gerät erst einzusetzen, wenn es tatsächlich benötigt wird.
Neue Wandler für Strom- und Differenzstrommessung
Auch bei den Wandlern gab es durch die neuen Messgeräte einige Umstellungen. Diese müssen nicht mehr wie früher vorgerüstet werden. Die Techniker installieren erst im Bedarfsfall je nach Anwendung geeichte oder ungeeichte Wandlern für die Betriebsstrommessung. Hierfür sind die Schränke mit einem NH-Leistensystem von Wöhner ausgerüstet, das mittels Steckklemmmontage auf ein berührungsgeschütztes Sammelschienensystem mit CrossLink Klemmen montiert wird. Dies erlaubt ein gefahrloseres Arbeiten unter Spannung. Zusätzlich werden Wandler für die Differenzstrommessung und die Messung des Neutralleiters eingesetzt. Diese dienen nicht nur zur Messung der Energie, sondern erfassen auch Ausgleichsströme. So lassen sich schleichende Isolationsfehler erkennen und gegebenenfalls Maßnahmen einleiten, lange bevor Fehler oder Probleme zu Ausfällen führen würden. Die anlagenspezifischen Grenzwerte wurden im Rahmen eines Messkonzepts mit fachlicher Unterstützung der Firma Ghmt aus Bexbach (Saarland) definiert. Die Resultate flossen während der der Installation und Inbetriebnahme in die Parametrierung ein. Das Fachwissen des Anwenders bleibt aber immer gefragt. Alexander Lang: "Bei der Differenzstrommessung muss ich immer einen "Gut-Zustand" definieren. Null werde ich nicht schaffen. Es ist bedingt egal, ob es 4A oder 4mA sind. Es geht darum eine Veränderung festzustellen."
Transparenz ab dem ersten Spatenstich
Um die Versorgung für das gesamte Gelände sicherzustellen, müssen die Messungen beginnen lange bevor ein Gebäude in Betrieb geht, am besten schon bei der Fehlerstrommessung in der Baustromverteilung. Die Baufirmen bringen ihr eigenes Gerät mit, das normalerweise nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Prüfstandsgebäude betrieben wird. Ein geradezu klassisches Beispiel sind Baukräne mit CNC-Steuerung und Frequenzumrichter. Auch wenn sie anderenorts völlig problemlos im Einsatz waren, können diese auf dem Werksgelände empfindliche Störungen verursachen. Mit der richtigen Mess-Strategie sind solche Störquellen rasch zu identifizieren. Abweichungen lassen sich sofort beim Zuschalten erkennen und damit auch die die Ursachen schnell lokalisieren. Dieses Procedere begleitet auch die Installationen im Gebäude, insbesondere bei komplett bezogenen Teile wie Prüfstände oder Werkstatteinrichtungen. Für diese macht die werksinterne Elektrotechnik nur Vorgaben gemäß den Leitlinien der Automobilindustrie und liefert die Anschlüsse. Solchen Komponenten gilt die besondere Aufmerksamkeit der Techniker. Beim Zuschalten großer Anlagenteile überwachen sie den Differenzstrom. Ist der Wert nicht plausibel, geht die Anlage sofort wieder vom Netz. Ein weiterer kritischer Punkt sind provisorische Anschlüsse, die manchmal unvermeidlich sind. Dabei treten rasch Fehler auf. Ein weiterer Klassiker ist eine Verbindung von PE und Nullleiter. Das kann im Baustromverteiler oder auch Endstromkreis passieren, aber auch durch einen unglücklich platzierten Ordner mit Schaltplänen, der im Verteiler durch seine metallenen Schutzkanten die offen geführten PE- und N-Schienen verbindet. Doch mit der richtigen Messtechnik sind auch solche tückischen Fehler rasch auszumachen.
Zukunftsaussichten
Da die Messwerte dank der Digitaltechnik als Daten im Netz zur Verfügung stehen, sind auch völlig neue Formen der Überwachung und des Energiemanagements möglich. In wenigen Jahren werden sich die Anwender in einem virtuellem Raum bewegen und dort ein Messgerät anklicken. Das verbindet sich dann im Hintergrund mit der Visualisierungssoftware. Per Datenbrille oder auf dem Desktop kann sich so ein Techniker noch vom Büro aus viel rascher einen Überblick verschaffen, als dies durch die Suche in mehreren Programmen möglich wäre. Es gibt nur noch eine Oberfläche, in der alle Daten zusammenfließen. Mit den modularen Messgeräten und der Software GridVis stehen hierfür viele Möglichkeiten offen.
In der industriellen Produktion ist ein genauer Einblick in die Energieflüsse unerlässlich. Er gibt Auskunft über Energieeffizienz, aber auch über mögliche Fehlerquellen. Die entsprechenden Messgeräte müssen in der Elektroinstallation neuer Anlagen von vornherein berücksichtigt werden, ohne die Kosten in die Höhe zu treiben oder zukünftige Erweiterungen zu erschweren. Verteiler mit modularer Messtechnik und einem netzwerkfähigen Bedienpanel als Frontend vereinen hierbei scheinbar widersprüchliche Anforderungen wie Standardisierung und Flexibilität.
An Standorten großer Industriekonzerne müssen regelmäßig Großbaustellen mit Energie versorgt werden und neue Gebäudekomplexe in Betrieb gehen. Aber dies darf sich keinesfalls auf die Versorgungssicherheit auswirken. Trotz aller Sorgfalt können nach dem Zuschalten neuer Anlagenteile Störungen in der Stromversorgung auftreten. Mit der richtigen Messtechnik und durchdachten, festen Prozessen lassen sich Störquellen schnell lokalisieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten.
Janitza electronics GmbH
Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU 1 (März) 2021 - 10.03.21.Für weitere Artikel besuchen Sie www.schaltschrankbau-magazin.de