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Erfolgreicher Automation-Livestream zur ausgefallenen SPS-Messe

Good Morning Automation!

Vom 23. bis 25. November 2021 hätte beinahe die Fachmesse Smart Production Solutions (SPS) in Nürnberg stattgefunden. Nach einer pandemiebedingten Absage organisierte das SPS-MAGAZIN einen Livestream zu den wichtigsten Neuheiten der Branche - eine Weltpremiere inklusive.

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Beckhoff

Eigentlich hätte hier der Nachbericht zur SPS-Messe in Nürnberg stehen sollen. Bis eine Woche vor Redaktionsschluss sah es noch genau danach aus, wenngleich das Hygienekonzept zur Messe schrittweise von "3G+ ohne Maske" auf "2G mit FFP2-Maske" hochgestuft worden war. Doch bereits anderthalb Wochen vor Messestart bahnte sich Ungemach an: Einige große Aussteller kündigten an, der Messe fernbleiben zu wollen.

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Beckhoff

In einer Art Dominoeffekt zogen manche Unternehmen mit, andere ebenso wie die Messegesellschaft betonten, an der Präsenzmesse festhalten zu wollen. Das führte zu der bizarren Situation, dass in den Nürnberger Hallen einige Messestände abgebaut wurden, während direkt daneben weiterhin aufgebaut wurde. Am Freitag vor der Messe dann aber das endgültige Aus: Der Veranstalter Mesago sagte die wichtigste Automatisierungsfachmesse komplett ab.

Und komplett heißt komplett: Da laut Veranstalter insbesondere das geplante Vortragsprogramm des digitalen Teils der Messe 'SPS on Air' auf der Präsenzveranstaltung basierte, wurden auch alle Online-Events der Messe gecancelt. Der zentrale Ort, an dem man Trends und Innovationen der Branche entdecken hätte können, wo eine Vielzahl an Firmen ihre Neuheiten präsentiert hätte, er war nun auch digital verschwunden.

Doch wir vom SPS-MAGAZIN wären nicht das Sprachrohr der Branche, wenn wir nicht alles uns Mögliche getan hätten, um diese Lücke wenigstens ein Stückchen kleiner zu machen. Und so haben wir innerhalb weniger Tage die Livestream-Show Good Morning Automation ins Leben gerufen. An den drei entfallenen Messetagen konnten wir jeweils von 10 bis 12 Uhr insgesamt 27 hochrangige Gäste in unser virtuelles Studio einladen und so in lockerer Gesprächsatmosphäre ein bisschen Messestimmung entstehen lassen.

Täglich mehrere Hundert Zuschauer im Livestream gaben uns ebenso recht wie die Reaktion der eingeladenen Gäste: Die Show war ein voller Erfolg! Die Bandbreite der Gäste umfasste dabei Nutzerorganisationen und Verbände wie die OPC Foundation und den ZVEI ebenso wie große und kleine Unternehmen der Automatisierung: Mit Asem, Baumer, Beckhoff, B&R, Bosch Rexroth, Codesys, Dassault Systèmes, Helmholz, Igus, Keba, KEB, Koch, Nord Drivesystems, Pepperl+Fuchs, Phoenix Contact, Pilz, Schneider Electric, Sigmatek, SSP, Turck, Wago, Weidmüller und Wenglor waren alle wesentlichen Gewerke der Branche vertreten.

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Weltpremiere im Livestream: Hans Beckhoff enthüllte das neue MX-System in der Good-Morning-Automation-Show.

Weltpremieren im Stream

Und auch wenn so ein Livestream nie die persönlichen Kontakte und informellen Gespräche einer Präsenzmesse ersetzen kann, so kam doch ein wenig Messe-Feeling auf. Das lag auch daran, dass manche der Firmen in ihren Werkhallen Produktpräsentationen aufgebaut hatten, teilweise sogar ganze Messestände. Ein Glanzlicht setzte Hans Beckhoff, der in der Show als Weltpremiere gleich einmal das Ende des Schaltschrankes ausrief. Mit dem neuen MX-System, einem Automatisierungsbaukasten im Lego-Prinzip, sollen Steuerungselemente selbst zum modularen Schaltschrank werden. Lesen Sie mehr dazu im Beitrag auf Seite 26.

Doch auch andere Unternehmen präsentierten veritable Neuheiten in der Good-Morning-Automation-Show. Nord Drivesystems z.B. zeigte in einer Live-Demo sein neues Antriebssystem DuoDrive. Das sollte bereits auf der ebenfalls abgesagten Hannover Messe im April vorgestellt werden, dann auf der SPS. Letztendlich hielt Jörg Niermann, Bereichsleiter Marketing bei Nord, das Gehäuse des neuen Getriebemotors in unserem Livestream in die Kamera. Beim DuoDrive handelt es sich um ein integriertes Getriebemotorkonzept im hygienischen Washdown-Design, bei dem ein IE5+-Synchronmotor in einem einzigen Gehäuse zusammen mit einem einstufigen Stirnradgetriebe untergebracht ist. Dadurch soll das System laut Hersteller mit bis zu 92 Prozent den derzeit höchsten Wirkungsgrad einer Getriebemotorkombination dieser Leistungsklasse erreichen.

Schneider Electric wiederum wollte laut Pierre Buerkle, Vice President Industrial Automation DACH, auf der Messe zeigen, wie man die Modularität, die man in den Hardwarekomponenten bereits findet, nun auch im Bereich der Software abbilden kann. Damit wäre das Software-basierte industrielle Automatisierungssystem EcoStruxure Automation Expert im Fokus des Messeauftritts gewesen. Dabei betonte Buerkle im Livestream nochmals, wie wichtig ihm die Offenheit des Systems ist.

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Einblicke in den neuen Getriebemotor gewährte Jörg Niermann aus der Nord-Zentrale in Bargteheide.

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Nord

Die Lage der Automatisierungsbranche im Fokus

Neben Produktinnovationen kam auch der Branchentalk im Livestream nicht zu kurz. Branchen- und Technologieinsider Kai Binder, Verlagsleiter des TeDo Verlags, sowie das Redaktionsteam mit Mathis Bayerdörfer, Dr. Peter Ebert, Wolfgang Kräußlich und Jürgen Wirtz diskutierten mit ihren Gästen auch die Situation der Branche im Allgemeinen.

Das wurde mit aktuellen Zahlen unterfüttert. Rainer Brehm, CEO Factory Automation bei Siemens und Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Automation, brachte den Zuschauern des Streams die Konjunkturzahlen und Trends der Branche näher. In den ersten neun Monaten des Jahres 2021, so Brehm, waren die Auftragseingänge um gut 25 Prozent gestiegen, der Umsatz immerhin um 11 Prozent. Als Erklärung für den hinter den Aufträgen herhinkenden Umsatz sah er die Materialknappheit. Zwar hole die Branche mit dem aktuellen Wachstum auf: Die Exporte der Branche seien in Summe von Januar bis September 2021 gegenüber 2020 um zehn Prozent gestiegen. Sie liegen damit aber immer noch um gut zwei Prozent unter dem Vergleichszeitraum 2019.

Bedenklich stimmt, dass das globale Wachstum bei genauerem Hinsehen im Zehnjahresschnitt sehr ungleich verteilt ist. Asien ist laut ZVEI jährlich um knapp 7,1 Prozent gewachsen und hat inzwischen einen Anteil von 62 Prozent am Weltmarkt. Die EU liegt bei 19 Prozent Marktanteil, und hier konnte die Automation in der zurückliegenden Dekade nur moderat um durchschnittlich etwas mehr als ein Prozent im Jahr zulegen. Der Anteil Amerikas am Automations-Weltmarkt liegt bei 18 Prozent, das Wachstum betrug dort immerhin 4,3 Prozent.

Der ZVEI, so Brehm, habe vier zentrale Trends ausgemacht, die die Branche maßgeblich beeinflussen: Klimawandel, Digitalisierung, Individualisierung/Decoupling und demographischer Wandel. "Höchsten Stellenwert in der Automation genießt die Frage, wie wir in Zukunft Leben wollen und wie wir dahin kommen. Meiner Meinung nach geht das nur über Automationstechnik. Die Welt, in der wir uns bewegen, wird immer komplexer und wir müssen widerstandsfähig sein. Dafür benötigt es Offenheit, Transparenz in der Lieferkette, Agilität und Effizienz durch Digitalisierung und Automatisierung." Mit Sorge sah er, dass die Zielsetzungen bis 2030 und 2045 enorme Herausforderungen für die Unternehmen darstellten: "Automationstechnik hat eine besondere Bedeutung auf dem Weg zur klimaneutralen Industrie. Ihre Innovationen und Technologien ebnen den Weg in eine CO2-neutrale Industrie", so Brehm. "Die Zeit des Wandels ist kurz."

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Homeoffice statt Messestand: Stefan Hoppe, Präsident der OPC Foundation.

Industrie 4.0 zum Greifen nah

Weitaus technischer ging es in anderen Talks des Livestreams zu. Armin Hornberger von Pepperl & Fuchs präsentierte als Messeneuheit zwei 3D-Sensoren (einmal Time of Flight, einmal Stereovision) zur Überwachung einer Batteriezellenproduktion. Bei den Sensoren handelt es sich um eine gemeinsame Plattform mit gleicher Baugröße, die unabhängig vom Messverfahren ein 2D-Bild und eine Tiefeninformation liefern.

Wolfgang Engelhart von SSP präsentierte den Relaunch des Safety Simplifier Manager. Die Sicherheits-SPS mit integrierter Tastleiste bietet eine Wireless-Safety-Schnittstelle. Die zugehörige Software gibt es jetzt in Version 2.0 mit erweiterter Funktionalität, in der Safety Features modular abgelegt werden, was die Validierung einzelner Elemente erleichtert.

Arno Fast von Phoenix Contact zeigte auf, welche Use Cases rund um KI mit PLC Next sein Unternehmen für die Messe vorbereitet hatte. Anhand eines Erweiterungsmoduls zur Videoverarbeitung sollten Deep-Learning-Modelle präsentiert werden, um Personen und Objekte zu klassifizieren und schnell Entscheidungen zu treffen. Das sei für autonome Fahrzeuge und Roboter ebenso geeignet wie für die Qualitätssicherung.

Steffen Winkler führte aus, dass Bosch Rexroth eine ganze Reihe an Innovationen rund um CtrlX Automation in der Pipeline hat. Bei den CPUs sind kleinere Varianten mit weniger Schnittstellen ebenso verfügbar wie eine deutlich leistungsfähigere Variante. Zudem sollten die 32 ersten Module des neuen IO-Systems auf der Messe der Öffentlichkeit gezeigt werden.

Keba wollte laut Gesprächspartner Christian Gabriel in Zusammenarbeit mit Nabtesco u.a. den nach eigenen Angaben präzisesten Roboter der Welt zeigen. Indem die Steuerung Daten intelligent kombiniert, wurde die Regelung deutlich verfeinert. Ansonsten war die Plattform KemroX mit unterschiedlichen Branchenlösungen wie 2D-Lasercutting oder 3D-Druck als Ausstellungsobjekte geplant, wie er im Livestream ausführte.

Weidmüller zeigte den Zuschauern der Good-Morning-Automation-Show eine Neuheit im Bereich Steuerungstechnik, die U-Control Web. Alle nötigen Tools sind hier bereits auf der Steuerung installiert und im Webserver integriert, sodass man lediglich einen Browser und die IP-Adresse braucht, um loszulegen.

Ein wesentlicher Punkt, den Markus Sandhöfner von B&R im Livestream betont hat, war das Konzept der adaptiven Maschine. Hinzu kam der Hinweis auf die tiefere Integration der ABB-Robotik in die B&R-Steuerungswelt, sodass hier Prozesse im Maschinenbau wesentlich flexibler mit Robotik ergänzt werden können.

Auch Vertreter der OPC-Foundation waren enttäuscht über den Ausfall der Messe. Schließlich war der größte Messestand der Geschichte der OPC Foundation geplant, wie Stefan Hoppe, Präsident und Geschäftsführer der Organisation, im Livestream erklärte. Die Foundation wächst weiter und hat mittlerweile über 850 Mitglieder. Auf der Messe hätte die vor drei Jahren gegründete Field-Level-Communication-Initiative erstmals eine Live-Demo mit 20 Geräten von 20 unterschiedlichen Herstellern gezeigt, die per Controller-zu-Controller-Kommunikation verbunden sind. Diese horiziontale Vernetzung großer Automatisierungshersteller unter OPC UA FX sei einzigartig.

Persönliche Gespräche wurden dennoch vermisst

So spannend der Livestream war, so unterhaltsam und informativ die Gespräche, (die Sie auf unserem Youtube-Kanal auch als Aufzeichnung ansehen können), fast alle Referenten und auch wir von der Redaktion des SPS-MAGAZINs waren uns einig, dass der persönliche Austausch auf einer realen Messe fehlt. Zufallsbegegnungen, informelle Gespräche und Hintergrundinfos, der heimlich unter dem Tisch gezeigte Prototyp und sogar Konferenzkekse und Messekaffee - all das findet man nur auf einer echten Messe. Und so hoffen wir, dass diese Pandemie ebenso vorübergeht wie dieser Winter und wir uns, in alter Frische, auf einer Messe in 2022 wiedersehen.

P.S.: Was nicht heißt, dass wir das Livestreamen aufgeben. Was halten Sie davon? Schreiben Sie mir Ihre Meinung:

TeDo Verlag GmbH

Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 13 (Dezember) 2021 - 09.12.21.
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