Experteninterview mit Alin Dragan, Produktmanager bei WSCAD
"Zeitfressende Tätigkeiten so schnell wie möglich automatisieren"
Wer viele Schaltschränke plant und fertigt, will den zeitlichen und finanziellen Aufwand so gering wie möglich halten. Eine moderne Planungssoftware kann mit vielen Funktionen Routine- und Wiederholungsaufgaben weitgehend automatisieren. Trotzdem verbleibt der Anteil an manueller Arbeit auf hohem Niveau. Alin Dragan, Produktmanager bei WSCAD, hat sich Gedanken über dieses Phänomen gemacht und interessante Zusammenhänge entdeckt.
Herr Dragan, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Elektro-CAD und haben vor Ihrer Tätigkeit bei WSCAD selbst Schaltschränke geplant und in Betrieb genommen.
Alin Dragan: Die Automatisierung schreitet insgesamt und gerade auch in der Elektrokonstruktion unaufhaltsam voran. Wer hier stehen bleibt, bleibt stehen. Jüngstes Beispiel: ChatGPT. Wenn Sie davon nicht nur gehört sondern vielleicht sogar damit herum probiert haben, dann erkennen Sie, wie weit die Automatisierung durch Computerprogramme und künstlicher Intelligenz bereits vorangeschritten ist. Ich habe mir Beispiele angesehen, wo jemand mit diesem Tool eine coole Idee innerhalb weniger Minuten in eine funktionierende App verwandelt hat und diese nach Prüfung und Freigabe aus dem App Store heruntergeladen und genutzt werden konnte. Wie schnell ist das denn?
Was genau hat das mit der Planung und Fertigung von Schaltschränken zu tun?
Wenn Sie heute einen Schaltschrank planen, anschließend fertigen und auf der Baustelle in Betrieb nehmen, besteht der gesamte Vorgang aus einem kreativen Denkprozess am Anfang und jeder Menge daran anschließender präziser und qualitativ hochwertiger harter Arbeit. Die Kreativität kann heute noch niemand ersetzen und sie wird dem Menschen vermutlich noch lange vorbehalten sein. Aber von dem was folgt, lässt sich eine ganze Menge automatisch erledigen. Die Devise lautet deshalb: Entlaste Menschen von stupiden und wiederkehrenden Aufgaben und lass sie in der gewonnenen Zeit kreativ sein. Denn das ist das, was wir am besten können und was uns von Maschinen unterscheidet. Tatsächlich führen Computer ständig wiederkehrende Arbeiten nicht nur schneller aus, sondern vor allem wesentlich präziser und mit gleichbleibender Qualität.
Die Gewinner im Zeitalter der Automatisierung sind also kreative Menschen?
Absolut. Wenn ich sehe, was eine kleine KI-Software wie ChatGPT bereits heute leistet, wird sofort klar, dass wir im Schaltschrankbau und der Elektrokonstruktion zeitfressende Tätigkeiten so schnell wie möglich den Computerprogrammen übergeben sollten. Wer jetzt handelt, ist klar im Vorteil. Denn Kreativität will und muss wie ein Muskel trainiert werden und das geht nicht von heute auf morgen. Die E-CAD-Lösung von WSCAD hat schon seit längerer Zeit und in zunehmendem Maße Funktionen, mit denen Anwender Routineaufgaben auf Knopfdruck automatisieren können - einige Kunden machen von dieser Möglichkeit bereits Gebrauch, viele zögern aber noch.
Kennen Sie die Ursache dafür?:
Es gibt sowohl menschliche als auch organisatorische Gründe. Sie heißen: Chaos, unnötige Varianzen und Gewohnheiten. Sind diese Punkte erst einmal durchdacht und geklärt, braucht man nur noch das richtige Werkzeug, nämlich eine E-CAD-Lösung, die genügend Funktionalität und Freiräume bietet, um individuelle Vorstellungen und Prozesse abzubilden.
Was heißt das konkret?:
Wer 'chaotisch' plant und vorgeht, also mal so oder so und dann wieder ganz kundenspezifisch, der tut sich schwer, Wiederholungen, Regeln und Muster zu erkennen. Aber ohne die funktioniert Automatisierung nicht. Zudem gaukelt uns das Chaos vor, wir könnten gar nicht automatisieren, weil alles jedes Mal irgendwie anders abläuft. Aus dieser Schleife kommt nur der raus, der seine Prozesse durchdenkt und klare Strukturen entwirft. Die Projekte selbst folgen dabei einer klaren Strukturierung nach DIN EN 81346-1, das heißt unter Betrachtung des Funktions- und Ortsaspekts der Produkte. Im Bereich der Gebäudeautomation wird gerne auch nach AMEV strukturiert - bei WSCAD sind übrigens beide Kennzeichnungssysteme im selben Plan gleichzeitig darstellbar. Aber auch die Struktur der Pläne selbst ist ein wichtiger Gesichtspunkt.
Standards sind schön und gut. Aber sieht dann nicht ein Schaltschrank aus wie der andere?
Jein. Die Anforderungen sind unterschiedlich und es werden immer Varianzen auftreten. Es darf nur nicht zu viele Abweichungen geben. Die Regeln und Muster müssen so konsistent wie möglich bleiben. Unnötige Varianzen sind beispielsweise verschiedene Produktkomponenten, weil der Einkauf bessere Rabatte ausgehandelt hat oder der Vertrieb dem Endabnehmer die Vorteile eines Standards nicht vermitteln konnte. Oder ein Entwickler setzt immer wieder unterschiedliche Komponenten ein, weil er gerne eine eigene Duftmarke setzen oder einfach immer das Neueste haben möchte. Aus Erfahrung kann ich sagen: Je uniformer Schaltpläne und Schrankaufbauten dargestellt werden, desto besser. Hier helfen nur Listen mit freigegebenen Produkten sowie klare Standardisierungs- und Konstruktionsrichtlinien.
Neben Chaos und Varianzen nannten Sie auch menschliche Gewohnheiten. Was hat es damit auf sich?
Gewohnheiten verführen uns dazu, einmal entdeckte Regeln und Muster immer wieder auf die gleiche Weise zu verwenden. Jeder kennt und nutzt Copy/Paste, weil es schnell geht. Aber dahinter steht immer ein manueller Vorgang, der nicht automatisierbar ist. Jedes Mal ist dann tiefe Produkt- und Projektkenntnis gefragt. Teilschaltungen sind nicht neutral und im Gesamtplan schlecht zu finden. Zudem sind die Kopien kontextspezifisch und müssen abgeändert und bearbeitet werden. Dabei wird in größeren Projekten dann gerne mal was übersehen und vergessen. Wer automatisieren möchte, muss definitiv weg von Copy/Paste.
Und wie erfolgt die Automatisierung?
Häufig genutzte Teilschaltungen oder ganze Planseiten werden in Form von Makros unternehmensweit hinterlegt. Markos schaffen unabhängig von den Fähigkeiten unterschiedlicher Konstrukteure eine Chancengleichheit, verbessern für alle das Auffinden der Funktionen, gleichen die unterschiedliche Konstruktionsgeschwindigkeit aus und ebnen den Weg für gleichbleibende Qualität bei den Resultaten - Stichwort 'unternehmensweite Standards und Konstruktionshandbücher'. Und wer in den Makros Varianten als Platzhalter verwendet, kann später bei Bedarf Komponenten über alle Seiten und Pläne auf Knopfdruck schnell und sicher gegen andere tauschen.
Was also empfehlen Sie Anwendern?
Sie sollten das Thema 'Automatisieren von Routinearbeiten' unbedingt angehen. Wer jetzt handelt, ist klar im Vorteil. Das Strukturieren von Projekten führt zu besseren Ergebnissen, egal ob bei Maschinen, Anlagen oder in der Gebäudeautomation, nach DIN EN 81346-1 oder AMEV oder nach beiden Standards gleichzeitig. Außerdem empfiehlt es sich, die mit der Software mitgelieferten Makrobibliotheken zu nutzen und individuelle Makros in unternehmensweiten Bibliotheken abzulegen. Damit lässt sich die Planung beschleunigen und auf ein gleichbleibend hohes Niveau bringen. Wer einen Schritt weiter gehen möchte, kann mithilfe unseres Project Wizards häufig wiederkehrende Teilschaltungen nach vordefinierten Regeln zusammensetzen und so mehr oder weniger vollständige Pläne in einem Rutsch erzeugen. Letzter Punkt: Alle elektrotechnischen Planungsunterlagen lassen sich inklusive Dokumentation über unser Automation Interface durch individuelle oder am Markt verfügbare Produktkonfiguratoren auf Knopfdruck auslösen und erstellen. Einige unserer Kunden setzen das bereits erfolgreich um. Klar, es bedeutet etwas Nachdenken und Aufwand und unter Umständen ist es ratsam, erfahrene Unterstützung einzuholen. Aber der investierte Aufwand wird sich in kürzester Zeit amortisieren. Man wird in seiner Arbeit nicht nur effizienter, sondern auch wesentlich besser vorbereitet sein auf das, was an künstlicher Intelligenz bereits schon in der Tür steht.
Wer viele Schaltschränke plant und fertigt, will den zeitlichen und finanziellen Aufwand so gering wie möglich halten. Eine moderne Planungssoftware kann mit vielen Funktionen Routine- und Wiederholungsaufgaben weitgehend automatisieren. Trotzdem verbleibt der Anteil an manueller Arbeit auf hohem Niveau. Alin Dragan, Produktmanager bei WSCAD, hat sich Gedanken über dieses Phänomen gemacht und interessante Zusammenhänge entdeckt.
Herr Dragan, Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Elektro-CAD und haben vor Ihrer Tätigkeit bei WSCAD selbst Schaltschränke geplant und in Betrieb genommen.
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WSCAD GmbH
Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU 3 (Mai) 2023 - 15.05.23.Für weitere Artikel besuchen Sie www.schaltschrankbau-magazin.de