Simulationstechnik für KMU
Griff in die virtuelle Kiste
Simulationstechnik hilft Firmen bei der Verbesserung ihrer Produktions- und Fertigungsabläufe. Doch für kleine und mittlere Unternehmen sind die Hürden oft hoch. Mit dem passenden Ansatz und womöglich externer Unterstützung können aber auch KMU von aktueller Simulation profitieren - etwa in der Robotik.
Große Unternehmen nutzen das Potential von Simulationstechnik längst in seiner ganzen Breite aus. KMU haben allerdings häufig ein Problem: Weil es ihnen meist an den notwendigen (Rechen-)Ressourcen mangelt, trauen sie sich an die Materie nicht wirklich heran. So verfügen die wenigsten von ihnen über ausreichend leistungsfähige Computer oder gar große Rechenzentren. Für den hohen Rechenaufwand, den die oftmals sehr komplexen Simulationen meist erzeugen, sind diese aber durchaus von Vorteil. Darüber hinaus besitzen KMU selten das notwendige Knowhow, um die Simulationstechnik dann auch erfolgreich umzusetzen. Ohne externe Hilfe sind erfolgreiche Simulationsprojekte für sie deshalb selten realisierbar. Warum und wie sollten sie dennoch den Anschluss finden?
Mehrwert für die Produktion
Wie hoch der Mehrwehrt beim Einsatz von Simulationstechnik im Produktionsumfeld sein kann, zeigt die Arbeit des Fraunhofer IPA: In einem Projekt ging es um die roboterbasierte Vereinzelung chaotisch bereitgestellter Teile (Griff in die Kiste). Um in der Industrie Anwendung zu finden, muss der Roboter hierbei Bauteile schnell erkennen, sicher greifen und ablegen können. Der hohe Konfigurationsaufwand und die Notwendigkeit von Expertenwissen schränkten die Skalierbarkeit bei hoher Variantenvielfalt der Bauteile ein. Auch waren wichtige Qualitätskriterien, wie verhakungsfreies Greifen der Bauteile oder die vollständige Entleerung der Kiste, nicht garantiert. Die Forscher bauten deshalb eine virtuelle Lernumgebung in Form eines digitalen Zwillings auf, in der die Roboter bereits vor der Inbetriebnahme ihre neuronalen Netze trainieren. Der Griff in die Kiste wird also simuliert, die vortrainierten Netze anschließend auf den realen Roboter übertragen. Das spart bis zu 50 Prozent der Zeit im Vergleich zur älteren Ansätzen. Die KI-basierte Objektlageschätzung kann dabei robuste und akkurate Objektlagen in wenigen Millisekunden liefern. Aufgrund der Selbstkonfiguration des Systems auf Basis eines CAD-Modells ist Expertenwissen für die Inbetriebnahme nicht mehr erforderlich.
Machine Vision in der Praxis
Ein weiteres Beispiel aus dem Fraunhofer-IPA-Projektfundus: die Simulation von sensorrealistischen Bild- und 3D-Datensätzen für KI-Anwendungen. Für die KI-basierte Umsetzung von Machine-Vision-Aufgabenstellungen (z.B. den sogenannten roboterbasierten Griff vom Band) sind problemspezifische Datensätze erforderlich. Diese Datensätze müssen repräsentativ sein und eine ausreichende Anzahl an Beispielszenen enthalten (z.B. im Hinblick auf Beleuchtung oder Verformung). Das Erstellen der Datensätze ist in der Regel sehr zeitaufwendig und in puncto Ausbalancierung und Konsistenz der Daten meist unzureichend. Zur Lösung des Problems erstellten Mitarbeitende des Fraunhofer IPA realistische, synthetische Datensätze, indem sie Szenen oder einzelne Objekte mit physikalisch korrekten Rendering-Verfahren simulierten. Beispielhafte Anwendungsfälle (Instanzsegmentierung, Objektlageerkennung in 3D-Punktwolken und 3D-Posenschätzung aus Kamerabildern) zeigten, dass KI-Modelle, die auf diesen synthetischen Daten trainiert wurden, auch auf realen Daten genutzt werden können. Auch hier lässt sich viel Zeit sparen.
Knowhow-Transfer und Rechenkapazität
Solche Beispiele zeigen, welchen Effekt Simulationstechnik bei der Verbesserung von Produktionsabläufen erzielen kann - auch bei kleineren Firmen und im Mittelstand. Sie können fehlende Ressourcen oft über externe Partnerschaften ausgleichen, denn das Knowhow und die Rechnerkapazitäten sind am Markt vorhanden und auch für KMU zugänglich. Zahlreiche Forschungsinstitute wie das Fraunhofer IPA, Softwarehersteller und Dienstleister sowie branchenorientierte Simulationszentren ermöglichen einen Knowhow-Transfer und verschaffen Zugang zu Simulationstechnik. Landes- und Bundesförderprogramme leisten finanzielle Unterstützung. Große Rechenzentren, wie das HLRS Stuttgart bieten außerdem ihre Rechnerkapazitäten zu rein nutzungsbasierten Preisen an.
Beratung zu Simulation, HPC, Data Analytics und KI
Fällt die Orientierung im Markt schwer oder geht es grundsätzlich erst einmal darum, das Potential der Simulationstechnik für das eigene Unternehmen zu erfassen, können sich Firmen von Sicos BW unterstützen lassen. Die Organisation berät seit über zehn Jahren speziell KMU rund um die Bereiche Simulation und HPC sowie Data Analytics und KI. Die Beratungsleistung ist aufgrund finanzieller Unterstützung durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK) sowie ihrer Gesellschafter neutral und kostenfrei. Die Spezialisten von Sicos BW versorgen Unternehmen schwerpunktmäßig in Baden-Württemberg, aber auch bundesweit mit Informationen über Anwendungsmöglichkeiten und Werkzeuge, vermitteln bei Bedarf Zugang zu Höchstleistungsrechnern und unterstützen bei der Partnerwahl. Letztlich sollen die Unternehmen über ihre Partner oder eigenständig in der Lage sein, Simulations- und Visualisierungstechnik sinnvoll einzusetzen und ihr Potential gewinnbringend für sich auszuschöpfen.
Internes Knowhow aufbauen
Trotz aller Hilfsangebote sollten KMU auch ihr internes Knowhow rund um Simulation, Visualisierung und HPC ausbauen. Neben entsprechenden Einstellungskriterien bei neuen Mitarbeitern können KMU-gerechte Weiterbildungsprogramme im Bereich des High Performance Computing eine Lösung sein. Eine Möglichkeit: die Supercomputing-Akademie. Ihre Module vermitteln praxisorientiere Kenntnisse und Fähigkeiten im Höchstleistungsrechnen sowie der numerischen Simulation. Die Akademie basiert auf den Ergebnissen des Projekts 'Modulare Weiterbildung zum HPC-Experten (MoeWE)', das vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds sowie dem MWK gefördert wurde.
Simulationstechnik hilft Firmen bei der Verbesserung ihrer Produktions- und Fertigungsabläufe. Doch für kleine und mittlere Unternehmen sind die Hürden oft hoch. Mit dem passenden Ansatz und womöglich externer Unterstützung können aber auch KMU von aktueller Simulation profitieren - etwa in der Robotik.
Große Unternehmen nutzen das Potential von Simulationstechnik längst in seiner ganzen Breite aus. KMU haben allerdings häufig ein Problem: Weil es ihnen meist an den notwendigen (Rechen-)Ressourcen mangelt, trauen sie sich an die Materie nicht wirklich heran. So verfügen die wenigsten von ihnen über ausreichend leistungsfähige Computer oder gar große Rechenzentren. Für den hohen Rechenaufwand, den die oftmals sehr komplexen Simulationen meist erzeugen, sind diese aber durchaus von Vorteil. Darüber hinaus besitzen KMU selten das notwendige Knowhow, um die Simulationstechnik dann auch erfolgreich umzusetzen. Ohne externe Hilfe sind erfolgreiche Simulationsprojekte für sie deshalb selten realisierbar. Warum und wie sollten sie dennoch den Anschluss finden?
Sicos BW GmbH
Dieser Artikel erschien in IT&Production 5 (Juni) 2023 - 13.06.23.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com