Interview mit Sven Rasser, Product Manager Digital Twin bei Wago
Schlüssel zur Digitalisierung von Engineering und Fertigung
Der klassische Schaltschrankbau ist immer noch durch viele manuelle Arbeitsschritte geprägt, z. B. bei der Datenerstellung und -pflege, aber auch im Engineering und in der Fertigung, wo immer noch papierbasierte Dokumente eingesetzt werden. Diese Prozesse sind häufig zeitaufwändig, teuer und fehleranfällig. Durchgängige digitale Prozesse steigern die Effizienz - die Abläufe im Schaltschrank werden dadurch schneller, wirtschaftlicher und präziser. Dabei spielen digitale Zwillinge als Basis eine wichtige Rolle. Doch was sind digitale Zwillinge eigentlich genau, welche Vorteile bieten sie und weshalb sollten sich Schaltschrankbauer damit unbedingt beschäftigen? Mit diesen Fragen - und vielen mehr - beschäftigt sich Sven Rasser, Product Manager Digital Twin bei Wago tagtäglich.
Herr Rasser, was ist ein digitaler Zwilling eigentlich genau?
Sven Rasser: Bei einem digitalen Zwilling handelt es sich um die digitale Darstellung eines physischen Produktes. Ein digitaler Zwilling kann alle Informationen erhalten, die dieser benötigt, um vollständig beschrieben zu werden, d. h. CAD-Daten, Produktdaten, Simulationen etc. Dies dient dazu, das Produkt für alle Anwendungszwecke optimal digital abzubilden - und dem Anwender so einen möglichst passenden Informationsgehalt zu liefern. Konkret umfasst dies in jedem Prozessschritt unterschiedliche Informationen: im Einkauf beispielsweise BMEcat mit der Beschreibung der Verpackungseinheiten sowie den Preisen des Produkts. Im Engineering benötigt der Ingenieur hingegen CAD- und CAE-Daten sowie technische Informationen wie elektrische Eigenschaften, Hinweise zum Material etc. Im Manufacturing und in der Maintenance sind es wiederum Handhabungshinweise, Pflegebeschreibungen usw. und im Recycling werden Informationen über die Materialzusammensetzung und Demontage benötigt, sodass die Einzelteile der Produkte möglichst sortenrein wiederverwendet werden können.
Welche Vorteile bieten digitale Zwillinge? Warum sollte man sich als Schaltschrankbauer damit beschäftigen?
Rasser: Die Vorteile der digitalen Zwillinge liegen vor allem darin, dass sie bereits vor dem Bau eines Schaltschranks geplant und auf Richtigkeit überprüft werden können. Etwaige Fehler können somit frühzeitig aufgedeckt und behoben werden. Dadurch wird die Projektplanung und -umsetzung insgesamt schneller und wirtschaftlicher. Zukünftig werden wir mehr Anwendungen erleben, für die digitale Zwillinge die Grundlage bilden. Dies wird unter anderem deshalb notwendig, weil Deutschland ein Hochlohnland ist und zudem zu wenige Fachkräfte zur Verfügung stehen. Mögliche Lösungen können darin bestehen, durch Werkerassistenzsysteme auch ungelerntes Personal in der Fertigung einzusetzen bzw. durch Roboter die Fertigung teilweise zu automatisieren. Beide Lösungen bedürfen jedoch Produktinformationen - also digitalen Zwillingen. Wir von Wago stellen diese Informationen bereit bzw. unterstützen die Kunden dabei, die passenden digitalen Zwillinge für ihr Engineering und ihre Fertigung zu finden, um sie so bei der digitalen Prozesskette zu unterstützen - und ihnen den Einsatz von ungelerntem Personal zu ermöglichen. Ein konkretes Beispiel: Ein Kunde von mir hat seine Fertigung bereits so weit mit digitalen Zwillingen digitalisiert, dass er zu einem Großteil ungelernte Arbeitskräfte bzw. Hilfskräfte in der Fertigung beschäftigen kann. Dies verschafft ihm den großen Vorteil, dass ihm genügend Arbeitskräfte für seine Fertigung zur Verfügung stehen. Außerdem erwarten wir, dass zukünftig gesetzliche Anforderungen den Einsatz von digitalen Zwillingen notwendig machen werden.
Welche betrieblichen Voraussetzungen müssen für die Realisierung von digitalen Zwillingen erfüllt sein? Welche Herausforderungen gibt es eventuell dabei?
Rasser: Die wichtigste Voraussetzung ist die eigene Motivation des Unternehmens. Möchte ich digitale Zwillinge einsetzen, weil es alle tun? Oder setze ich digitale Zwillinge ein, weil ich die Vorteile kenne und eine Vision verfolge? Bei Digitalisierungsprojekten ist es besonders wichtig, eine langfristige Vision aufzubauen und diese dann auch weiterzuverfolgen.
Gibt es einen Datenstandard bzw. akzeptierte normative Grundlagen für digitale Zwillinge in Europa?
Rasser: Im europäischen Raum gibt es einige Initiativen, mit denen digitale Zwillinge standardisiert werden bzw. ein Quasistandard realisiert wird. Als Beispiel ist hier ECLASS zu nennen, was wir bei Wago bereits seit vielen Jahren nutzen. Ein aus meiner Sicht wichtiger Standard, der sich gerade aber erst etabliert, ist die 'Asset Administration Shell' (AAS) - zu Deutsch Verwaltungsschale. Dabei handelt es sich um ein Konstrukt, wie digitale Zwillinge mensch- und maschinenlesbar bereitgestellt und über den Produktlebenszyklus ergänzt werden können.
Welche digitalen Zwillinge bietet Wago seinen Kunden? Seit wann?
Rasser: Die ersten digitalen Zwillinge haben wir bei Wago bereits in den 1990er-Jahren bereitgestellt - in Form von CAD-Daten. Die Bedeutung von digitalen Zwillingen hat jedoch erst in den letzten Jahren massiv zugenommen, sodass wir unser Portfolio erheblich erweitert haben. Heute bieten wir neben CAD- und CAE-Daten, Produktdaten und Datenformaten wie BMEcat auch Softwarelösungen, mit denen digitale Zwillinge auf einfache Art und Weise weiterverarbeitet werden können. Dazu gehören zum Beispiel passende Schnittstellen oder unser Wago Konfigurator Smart Designer.
Warum wird diesem Thema bei Wago so eine große Bedeutung beigemessen?
Rasser: Im Schaltschrankbau sehen wir nach wie vor einen hohen Bedarf an Digitalisierung und damit einhergehend auch digitalen Zwillingen. Deshalb möchten wir - mithilfe der digitalen Zwillinge - gemeinsam mit unseren Kunden deren Marktvorteile sichern und sie bei der weiteren Digitalisierung des Engineerings und der Fertigung unterstützen. Anhand unserer Projekte, Kundengespräche, Downloadzahlen und Erfahrungen sehen wir, dass der Bedarf an digitalen Zwillingen zukünftig noch weiter steigen wird. Zudem erwarten wir gesetzliche Vorgaben, die schon in wenigen Jahren den Einsatz digitaler Zwillinge unumgänglich machen werden - weshalb sich spätestens dann jeder Schaltschrankbauer auch mit diesem Thema beschäftigen sollte.
Wie findet man den für sich passenden digitalen Zwilling - und wie kann Wago dabei unterstützen? Wo kann ich den digitalen Zwilling herunterladen?
Rasser: Optimalerweise kennen unsere Kunden die Bedarfe an digitalen Zwillingen. Falls es jedoch Fragen gibt, unterstützen und beraten wir sie gern bei passenden Lösungen. Aktuell stehen die digitalen Zwillinge an unterschiedlichen Orten bereit: CAD- und CAE-Daten können kostenlos in vielen Formaten über unsere Wago PartCommunity oder diverse CAE-Portale, wie das Eplan Data Portal oder WSCAD Universe, bezogen werden.
Wie sehen zukünftige Entwicklungen aus? Lassen sich digitale Zwillinge z.B. nutzen, um neue Geschäftsmodelle im Schaltanlagenbau zu generieren?
Rasser: Ich gehe stark davon aus, dass wir zukünftig neue Geschäftsmodelle mit dem digitalen Zwilling sehen werden - und auch unsere Kunden über diese Möglichkeit verfügen und sie nutzen werden. Die bereits erwähnte Asset Administration Shell wird dafür voraussichtlich die Grundlage bilden.
Stichwort digitale Zwillinge und Nachhaltigkeit - bieten digitale Zwillinge in diesem Bereich auch Vorteile?
Rasser: Selbstverständlich bieten digitale Zwillinge auch im Bereich Nachhaltigkeit Vorteile. In den digitalen Zwillingen werden zukünftig alle Informationen zu den verwendeten Materialien, den Umweltauswirkungen bei der Herstellung sowie klare Anweisungen, wie die Produkte demontiert werden können, hinterlegt sein. Dadurch können wir gewährleisten, dass unsere Kunden sich für die nachhaltigsten Produkte entscheiden - und diese nach Ende der Nutzungsdauer wieder dem Recyclingzyklus zuführen können.
Der klassische Schaltschrankbau ist immer noch durch viele manuelle Arbeitsschritte geprägt, z. B. bei der Datenerstellung und -pflege, aber auch im Engineering und in der Fertigung, wo immer noch papierbasierte Dokumente eingesetzt werden. Diese Prozesse sind häufig zeitaufwändig, teuer und fehleranfällig. Durchgängige digitale Prozesse steigern die Effizienz - die Abläufe im Schaltschrank werden dadurch schneller, wirtschaftlicher und präziser. Dabei spielen digitale Zwillinge als Basis eine wichtige Rolle. Doch was sind digitale Zwillinge eigentlich genau, welche Vorteile bieten sie und weshalb sollten sich Schaltschrankbauer damit unbedingt beschäftigen? Mit diesen Fragen - und vielen mehr - beschäftigt sich Sven Rasser, Product Manager Digital Twin bei Wago tagtäglich.
Herr Rasser, was ist ein digitaler Zwilling eigentlich genau?
Sven Rasser: Bei einem digitalen Zwilling handelt es sich um die digitale Darstellung eines physischen Produktes. Ein digitaler Zwilling kann alle Informationen erhalten, die dieser benötigt, um vollständig beschrieben zu werden, d. h. CAD-Daten, Produktdaten, Simulationen etc. Dies dient dazu, das Produkt für alle Anwendungszwecke optimal digital abzubilden - und dem Anwender so einen möglichst passenden Informationsgehalt zu liefern. Konkret umfasst dies in jedem Prozessschritt unterschiedliche Informationen: im Einkauf beispielsweise BMEcat mit der Beschreibung der Verpackungseinheiten sowie den Preisen des Produkts. Im Engineering benötigt der Ingenieur hingegen CAD- und CAE-Daten sowie technische Informationen wie elektrische Eigenschaften, Hinweise zum Material etc. Im Manufacturing und in der Maintenance sind es wiederum Handhabungshinweise, Pflegebeschreibungen usw. und im Recycling werden Informationen über die Materialzusammensetzung und Demontage benötigt, sodass die Einzelteile der Produkte möglichst sortenrein wiederverwendet werden können.
Welche Vorteile bieten digitale Zwillinge? Warum sollte man sich als Schaltschrankbauer damit beschäftigen?
Rasser: Die Vorteile der digitalen Zwillinge liegen vor allem darin, dass sie bereits vor dem Bau eines Schaltschranks geplant und auf Richtigkeit überprüft werden können. Etwaige Fehler können somit frühzeitig aufgedeckt und behoben werden. Dadurch wird die Projektplanung und -umsetzung insgesamt schneller und wirtschaftlicher. Zukünftig werden wir mehr Anwendungen erleben, für die digitale Zwillinge die Grundlage bilden. Dies wird unter anderem deshalb notwendig, weil Deutschland ein Hochlohnland ist und zudem zu wenige Fachkräfte zur Verfügung stehen. Mögliche Lösungen können darin bestehen, durch Werkerassistenzsysteme auch ungelerntes Personal in der Fertigung einzusetzen bzw. durch Roboter die Fertigung teilweise zu automatisieren. Beide Lösungen bedürfen jedoch Produktinformationen - also digitalen Zwillingen. Wir von Wago stellen diese Informationen bereit bzw. unterstützen die Kunden dabei, die passenden digitalen Zwillinge für ihr Engineering und ihre Fertigung zu finden, um sie so bei der digitalen Prozesskette zu unterstützen - und ihnen den Einsatz von ungelerntem Personal zu ermöglichen. Ein konkretes Beispiel: Ein Kunde von mir hat seine Fertigung bereits so weit mit digitalen Zwillingen digitalisiert, dass er zu einem Großteil ungelernte Arbeitskräfte bzw. Hilfskräfte in der Fertigung beschäftigen kann. Dies verschafft ihm den großen Vorteil, dass ihm genügend Arbeitskräfte für seine Fertigung zur Verfügung stehen. Außerdem erwarten wir, dass zukünftig gesetzliche Anforderungen den Einsatz von digitalen Zwillingen notwendig machen werden.
WAGO GmbH & Co. KG
Dieser Artikel erschien in SCHALTSCHRANKBAU 6 (Oktober) 2024 - 04.10.24.Für weitere Artikel besuchen Sie www.schaltschrankbau-magazin.de