Neue Sichtweise: Smart Factory Hive von MPDV
Wabenmodell statt Automatisierungspyramide
Es wird immer schwieriger, neue IT-Architekturen in der klassischen Automatisierungspyramide abzubilden. Eine neue Sichtweise ist nötig. Die MES-Spezialisten von MPDV haben daher ein neues Architekturmodell entwickelt, das sie Smart Factory Hive nennen. Doch wieso dieser Name - und was haben Waben damit zu tun?
Gleich zu Beginn stellt sich die Frage, warum es überhaupt ein neues Modell braucht - schließlich hat sich die Automatisierungspyramide über viele Jahre hinweg bewährt. Peter Hofmann, Manager Innovation bei MPDV, sagt dazu: "Ein wesentlicher Nachteil der Pyramidendarstellung ist, dass immer nur direkt benachbarte Schichten miteinander kommunizieren - und das meist in proprietären Protokollen. Heutzutage hat die Vernetzung deutlich zugenommen, sodass dieses Kommunikationsprinzip nicht mehr zielführend ist." Auch in der Fachpresse liest man schon seit ein paar Jahren immer wieder Schlagzeilen wie 'Automatisierungspyramide hat ausgedient' oder 'Das Ende der Pyramide'.
Die Pyramide wird flach
Experten schlagen daher vor, dass der Nachfolger der Pyramide ein Netz sein soll, in dem quasi jeder mit jedem redet. Das Ziel einer hierarchiefreien Kommunikation wird damit erreicht. Allerdings ergibt sich eine neue Herausforderung: Die Zahl der Schnittstellen steigt exponentiell. Wenn jedes System und jedes Gerät mit jedem anderen verbunden wird, dann ist eine immense Zahl an Verbindungen nötig. Diese Zahl wächst mit jedem neuen Gerät signifikant. Es kommt erschwerend hinzu, dass der Traum eines omnipräsenten Standardprotokolls noch immer Wunschdenken ist. Das bedeutet, dass mit der Zahl der Verbindungen auch die Vielfalt und somit die Komplexität steigen. Dies verdeutlicht, dass es nicht reicht, alle Systeme und Geräte direkt miteinander zu vernetzen. Ohne eine zentrale Plattform, an die jedes System und jedes Gerät angeschlossen werden kann, geht es nicht - eine Integrationsplattform ist ein Muss. Diesen Weg hat MPDV schon vor Jahren mit der Manufacturing Integration Platform (MIP) eingeschlagen. Peter Hofmann erläutert: "Alle Systeme und Devices kommunizieren mit der MIP. Damit gibt es jeweils nur eine einzige Schnittstelle, die obendrein auch noch standardisiert ist." Soll ein weiteres System oder Device angebunden werden, so wird lediglich eine einzige weitere Schnittstelle etabliert. Der Komplexität ist somit Einhalt geboten.
Warum nun die Wabendarstellung?
Als Alternative zum Netz wählten die Experten von MPDV eine Wabendarstellung: Die Wabe kennt man aus der Natur, insbesondere von Honigbienen. Die kompakte Bauform steht zudem für das Reduzieren von Schnittstellen in der Fertigungs-IT. Um einerseits der Komplexität der heutigen IT-Architekturen gerecht zu werden und andererseits die Übersichtlichkeit zu erhalten, entschied man sich bei MPDV für ein mehrschichtiges Wabenmodell - quasi einen Bienenstock.
Smart Factory Hive
Der Smart Factory Hive - Hive ist das englische Wort für Bienenstock - besteht zunächst aus vier Schichten:
Data/Shopfloor: Hier sind alle Datenlieferanten angesiedelt. Diese können auch Aggregationsplattformen sein, zum Beispiel Systeme auf Basis des Industrial Internet of Things (IIoT).
Integration: Sollen Daten verarbeitet, verteilt oder analysiert werden, so sorgt eine Integrationsplattform dafür, dass jeder die Daten bekommt, die er benötigt und für die er entsprechende Rechte hat.
Applications: Jede Art von Anwendung der Fertigungs-IT ist auf dieser Schicht zu Hause. Werden Daten benötigt oder Ergebnisse bereitgestellt, so erfolgt dies über die Integrationsschicht.
User Groups: Die einzelnen Benutzergruppen im Unternehmen sind der obersten Schicht zugeordnet. Jeder Benutzer kann auf seine Anwendungen und die ihm zugewiesenen Daten zugreifen.
Jede dieser vier Schichten besteht aus einem flexiblen Wabenkonstrukt, das die einzelnen Bestandteile der Schicht enthält. Dabei werden je nach Schicht unterschiedliche Arten von Bestandteilen zusammengefasst.
1. Data/ Shopfloor
Auf der untersten Schicht findet man sowohl physische Devices wie Maschinen, Steuerungen (SPS), Roboter und Werkzeuge als auch Kommunikationsprotokolle wie OPC UA, MTconnect oder MQTT. Automatisierungsplattformen unterschiedlicher Hersteller und IIoT-Plattformen als Datenaggregationssysteme kommunizieren ebenfalls auf dieser Schicht mit den anderen Teilnehmern.
2. Integration
Dreh- und Angelpunkt der Integrationsschicht ist eine Integrationsplattform wie die MIP von MPDV. Hier laufen alle Daten aus der Schicht Data/Shopfloor zusammen. Um das zuvor angesprochene Schnittstellenchaos zu vermeiden, ist die Integrationsplattform der einzige Kontaktpunkt zwischen dem Shopfloor und den darüberliegenden Anwendungen. Neben der Integrationsplattform befinden sich auf dieser Schicht eine Vielzahl von Integrationsbausteinen zu anderen Systemen. Dazu gehören neben dem ERP-System auch die Konstruktion (vertreten durch das PLM-System), das Supply Chain Management (SCM), die (Intra-)Logistik (vertreten durch das Warehouse Management System) sowie der Vertrieb und das Controlling (vertreten durch ein CRM-System bzw. ein Business Intelligence System). Die Integrationsbausteine dienen quasi als verlängerte Arme der Integrationsplattform und stellen eine standardisierte Kommunikation sicher. Selbstverständlich werden über die Integrationsplattform auch typische MES-Anwendungen auf der darüberliegenden Schicht angebunden.
3. Applications
Zu den Anwendungen der Fertigungs-IT zählen alle Arten von Apps, Programmen und IT-Anwendungen, die Daten aus dem Shopfloor verarbeiten und diese je nach Anwendungsfall einem Benutzer visualisieren. Das Wabenmodell beinhaltet hier zunächst klassische MES-Aufgaben gemäß VDI-Richtlinie 5600, erweitert diese aber um neue Anwendungsfelder wie das Assembly Management oder Analysen mit künstlicher Intelligenz. Insbesondere auf dieser Schicht kann die Darstellung sehr detailliert ausfallen, da die Vielfalt der Anwendungen im Zuge der Appifizierung ständig zunimmt. Je feingranularer Funktionen in einzelne Apps aufgeteilt werden, desto detailreicher wird die Darstellung der Anwendungsschicht.
4. User Groups
Die Gruppe der Anwender von Fertigungs-IT ist mindestens genauso vielfältig wie das Spektrum der Anwendungen. Dazu gehören sowohl klassische Rollen im Fertigungsunternehmen wie Werker, Meister, Planer und Produktionsleiter, aber auch Abteilungen und deren Mitarbeitende, deren Aufgabe es ist, die Geschäftsprozesse am Laufen zu halten. Zu Letzteren gehört unter anderem das Controlling, der Einkauf, die Geschäftsführung, aber auch die Entwicklungsabteilung oder ein Prozessmanager. Letztendlich profitieren all diese Benutzergruppen von der Kombination aus Shopfloor-Daten und betriebswirtschaftlichen Daten, die allerdings auf sehr unterschiedliche Art und Weise aufbereitet werden müssen.
Das Zusammenwirken der einzelnen Schichten
Ein Beispiel soll die Funktionsweise der Schichten im Smart Factory Hive erläutern: Auf einer Stanzmaschine läuft ein angemeldeter Auftrag. Bei jedem Hub werden fünf gleiche Teile hergestellt und fallen in eine Gitterbox. Die Maschinensteuerung (Data/Shopfloor) erfasst jeden einzelnen Hub. Diese Kommunikation mit der SPS erfolgt über OPC UA. Eine Edge-Komponente (Integration) erfasst das Zyklus-Signal und meldet dieses via Webservice an die Integrationsplattform MIP. Die Manufacturing App (mApp) Machine Monitoring (Applications) visualisiert den Zykluszähler und die daraus resultierende Menge am Werker-Terminal. Dort kann der Werker (User Groups) den Auftragsfortschritt ablesen. Über einen Integrationsbaustein zum ERP- und zum CRM-System (Integration) wird der Auftragsfortschritt weitergeleitet, um eine eventuelle Verzögerung an den Kunden melden zu können.
Ressourcen und Wartung
Gleichzeitig liefert die Maschinensteuerung (Data/Shopfloor) Energieverbrauchsdaten der Stanze an die Integrationsplattform. Über einen Integrationsbaustein werden die Energiedaten sofort an das Gebäudemanagementsystem weitergeleitet. Außerdem gleicht die mApp Maintenance & Service Management (Applications) den erfassten Energieverbrauch mit den Solldaten ab. Ist der Energieverbrauch zu hoch, wird automatisch eine Wartung der Stanze angesetzt. Diese wird in der Integrationsplattform vermerkt. Eine mApp mit angeschlossener Smart Watch visualisiert die anstehende Wartung einem Instandhalter (User Groups).
Vielfältige Prozesse abbildbar
Eine ähnliche Verkettung der Datenerfassung mit den daraus resultierenden Aktivitäten lässt sich für beinahe jede Art von Auftrag, Ereignis oder Unternehmen beschreiben. Der Ablauf ist immer identisch: Die erfassten Daten stehen in der Integrationsplattform jeder Anwendung zur Verfügung. Der Smart Factory Hive erläutert den Weg der Daten vom Shopfloor bis zum Anwender. Die heute kaum mehr sichtbare Hierarchie der einzelnen Anwendungen wird dadurch transparent und der Anwender findet sich besser zurecht.
Infobox Zitat
"Mit dem Smart Factory Hive katapultieren wir die Fertigungs-IT in eine völlig neue Ära. Die neue Darstellung gibt sowohl Anbietern als auch Anwendern eine frische und zukunftsorientierte Sicht auf die IT in der Smart Factory. Die Fertigungs-IT der Zukunft ist nicht mehr nur ein Konzept - sie beginnt hier und jetzt und eröffnet ungeahnte Möglichkeiten für mehr Effizienz, bessere Vernetzung und anhaltende Innovation."
Nathalie Kletti, Geschäftsführerin der MPDV Mikrolab GmbH
Es wird immer schwieriger, neue IT-Architekturen in der klassischen Automatisierungspyramide abzubilden. Eine neue Sichtweise ist nötig. Die MES-Spezialisten von MPDV haben daher ein neues Architekturmodell entwickelt, das sie Smart Factory Hive nennen. Doch wieso dieser Name - und was haben Waben damit zu tun?
Gleich zu Beginn stellt sich die Frage, warum es überhaupt ein neues Modell braucht - schließlich hat sich die Automatisierungspyramide über viele Jahre hinweg bewährt. Peter Hofmann, Manager Innovation bei MPDV, sagt dazu: "Ein wesentlicher Nachteil der Pyramidendarstellung ist, dass immer nur direkt benachbarte Schichten miteinander kommunizieren - und das meist in proprietären Protokollen. Heutzutage hat die Vernetzung deutlich zugenommen, sodass dieses Kommunikationsprinzip nicht mehr zielführend ist." Auch in der Fachpresse liest man schon seit ein paar Jahren immer wieder Schlagzeilen wie 'Automatisierungspyramide hat ausgedient' oder 'Das Ende der Pyramide'.
Die Pyramide wird flach
Experten schlagen daher vor, dass der Nachfolger der Pyramide ein Netz sein soll, in dem quasi jeder mit jedem redet. Das Ziel einer hierarchiefreien Kommunikation wird damit erreicht. Allerdings ergibt sich eine neue Herausforderung: Die Zahl der Schnittstellen steigt exponentiell. Wenn jedes System und jedes Gerät mit jedem anderen verbunden wird, dann ist eine immense Zahl an Verbindungen nötig. Diese Zahl wächst mit jedem neuen Gerät signifikant. Es kommt erschwerend hinzu, dass der Traum eines omnipräsenten Standardprotokolls noch immer Wunschdenken ist. Das bedeutet, dass mit der Zahl der Verbindungen auch die Vielfalt und somit die Komplexität steigen. Dies verdeutlicht, dass es nicht reicht, alle Systeme und Geräte direkt miteinander zu vernetzen. Ohne eine zentrale Plattform, an die jedes System und jedes Gerät angeschlossen werden kann, geht es nicht - eine Integrationsplattform ist ein Muss. Diesen Weg hat MPDV schon vor Jahren mit der Manufacturing Integration Platform (MIP) eingeschlagen. Peter Hofmann erläutert: "Alle Systeme und Devices kommunizieren mit der MIP. Damit gibt es jeweils nur eine einzige Schnittstelle, die obendrein auch noch standardisiert ist." Soll ein weiteres System oder Device angebunden werden, so wird lediglich eine einzige weitere Schnittstelle etabliert. Der Komplexität ist somit Einhalt geboten.
MPDV Mikrolab GmbH
Dieser Artikel erschien in IT&Production 2 (März) 2025 - 05.03.25.Für weitere Artikel besuchen Sie www.it-production.com