Von der Standardkomponente zur individuellen Roboterkinematik
Die Zukunft der Robotik ist modular
Im Maschinen- und Anlagenbau sind Handhabungsaufgaben so unterschiedlich wie die Anwendungen selbst. Die Anforderungen reichen von einfachen Pick-and-Place-Aufgaben bis hin zu hochdynamischen, mehrarmigen Handhabungslösungen. Für jede Aufgabe den passenden Roboter auf Lager zu haben, ist jedoch kaum realisierbar. Mit dem modularen Atro-System von Beckhoff steht eine Lösung bereit, die es ermöglicht, aus Standardmodulen eine anwendungsspezifische Roboterkinematik zusammenzustellen - ohne aufwendige Sonderlösungen oder eine Vielzahl verschiedener Robotertypen vorhalten zu müssen.

Das Atro-System zeichnet sich durch eine durchgängige Modularität aus, die sich sowohl in der Hardware als auch in der Software widerspiegelt. Motormodule mit integrierter Antriebstechnik und mechanisch passive Linkmodule lassen sich zu individuellen Kinematiken kombinieren. Die Module sind in unterschiedlichen Längen und Ausführungen verfügbar, sodass sich Lösungen vom einfachen 3-Achs-Handling bis zu komplexen Mehrarmrobotern realisieren lassen. Die endlose Rotation in Achse 1 ermöglicht es, Arbeitsstationen stets auf direktem Weg zu erreichen. Mit einem T-Modul nach der ersten Achse lässt sich beispielsweise ein Zweiarm-Roboter aufbauen, während ein X-Modul die Basis für einen Vierarm-Roboter bildet. Häufig werden jedoch nur drei oder vier Achsen benötigt, um Handhabungsaufgaben effizient zu lösen. So entstehen aus den gleichen Modulen unterschiedliche Roboter, die exakt auf die jeweilige Aufgabe zugeschnitten sind.
Die Verwendung identischer Module in verschiedenen Anwendungen reduziert die Variantenvielfalt im Lager und vereinfacht die Ersatzteilhaltung. Die Flexibilität des Systems ermöglicht es, auf wechselnde Anforderungen schnell zu reagieren und Handhabungslösungen wirtschaftlich umzusetzen. Darüber hinaus lassen sich bestehende Roboterkonfigurationen bei Bedarf unkompliziert anpassen oder erweitern, etwa wenn sich Produktionsprozesse ändern oder neue Produkte eingeführt werden.
Integration in die
Automatisierungsplattform
Ein zentrales Merkmal des Atro-Systems ist die vollständige Integration in die PC-basierte Steuerungsplattform Twincat. Damit stehen dem Anwender sämtliche etablierten Automatisierungsfunktionen zur Verfügung - von der Maschinensteuerung über Safety- und Vision-Anwendungen bis hin zu Condition Monitoring und Cloud-Anbindung. Die Robotersteuerung wird so Teil der Maschinenautomatisierung, was eine durchgängige Datenverfügbarkeit und eine koordinierte Steuerung von Roboter und Maschine ermöglicht. Für hochdynamische Applikationen ist die Integration auf Basis echtzeitfähiger Schnittstellen entscheidend, um die Bewegung der Maschinenachsen mit dem Werkzeug am Roboter-Endeffektor zu koordinieren und mit der Erfassung von Produktdaten aus Kamerasystemen zu synchronisieren.
Die Integration in Twincat bietet zudem die Möglichkeit, die Roboterkinematik mithilfe eines 3D-Visualisierungstools zu konfigurieren. Hierbei lassen sich die hinterlegten Atro-Module individuell zusammenstellen und die Einbettung des Roboters in die Maschinenumgebung visualisieren. Die Konfiguration kann anschließend direkt in die Twincat-Entwicklungsumgebung übernommen werden. Dadurch werden alle notwendigen Vorbereitungen und Verknüpfungen im System automatisch erstellt, sodass der Anwender unmittelbar mit der Bewegungsprogrammierung beginnen kann. Eine Online-Verbindung zur realen Steuerung ermöglicht es zudem, die 3D-Darstellung als Live-Ansicht der aktuellen Roboterpose und -bewegung oder als Simulationsansicht zu nutzen.

Interne Medienführung
und endlose Rotation
Alle Atro-Module verfügen über eine interne Medienführung für Daten, elektrische Versorgung und zwei Fluidkanäle. Externe Leitungen zum Endeffektor entfallen, wodurch Störungen durch Torsion und der damit verbundene Wartungsaufwand reduziert werden. Die Medien werden an der Roboterbasis eingespeist und durch die Module bis zum Endeffektor geführt, ohne die Beweglichkeit der Achsen einzuschränken. Die endlose Rotation aller Achsen bleibt erhalten, was die Flexibilität im Einsatz weiter erhöht. Besonders im Dauerbetrieb oder bei häufig wechselnden Bewegungsrichtungen zeigt sich der Vorteil einer solchen internen Medienführung: Die Lebensdauer der eingesetzten Komponenten steigt, und der Wartungsaufwand sinkt spürbar.
Mechanik: Variabel und
montagefreundlich
Jedes Motormodul des Atro-Systems bildet ein vollständiges Antriebssystem für eine Roboterachse. Es handelt sich um einen dezentralen 48-V-Ethercat-Antrieb mit integrierter Bremse, Getriebe und Safe-Motion-Funktionen. Für den Betrieb werden lediglich eine Spannungsversorgung und eine Steuerung benötigt, was den Platzbedarf im Schaltschrank reduziert. Die Module werden über das Atro-Interface mechanisch robust miteinander verschraubt, das zugleich die Kontaktierung der Medienführung sicherstellt. Der Aufbau kann von einer einzelnen Person durchgeführt werden, was die Montage und Wartung vereinfacht.
Basismodule dienen als Sockel und ermöglichen die Montage des Roboters auf einer Grundplatte, an der Wand oder an der Decke. Die Anschlussebene für die Medienführung kann seitlich oder nach unten herausgeführt werden. Der Anschluss erfolgt über Hybridstecker, die sowohl die elektrische Versorgung als auch die Kommunikation übernehmen. Die 48-V-Versorgung wird in der Basis durch einen Brems-Chopper mit Widerstand stabilisiert. Linkmodule in unterschiedlichen Längen und Formen bilden die Arme des Roboters. Da alle Module Ethercat-Teilnehmer sind und ihre mechanischen Eigenschaften digital mitbringen, kann die Steuerung die Konfiguration automatisch erkennen und die Bewegungsberechnung entsprechend anpassen. Für die Werkzeuganbindung am Endeffektor stehen verschiedene Flansch-Module zur Verfügung, die die interne Medienführung nach außen führen oder eine vollständige Integration von Werkzeugen ermöglichen.
Normen und Sicherheitsanforderungen
Die europäische Maschinenverordnung EU 2023/1230 sowie die harmonisierten Normen DIN EN ISO 10218-1 und DIN EN ISO 10218-2 regeln die Sicherheitsanforderungen für Industrieroboter. Mit der neuen Version der ISO-Normen, die 2025 veröffentlicht wurde, müssen Maschinenbauer bei der Integration von Robotern in ihre Anlagen diese Anforderungen erfüllen. Das Atro-System unterstützt dabei mit vorgeprüften Sicherheitstemplates und Softwaremodulen, die die normkonforme Umsetzung erleichtern. Die Sicherheitsfunktionen gemäß ISO 10218-1:2025 umfassen unter anderem sichere Stopp-Funktionen sowie die Überwachung der kartesischen Geschwindigkeit des Tool-Center-Points (TCP) und exponierter Roboterstellen. Die Umsetzung erfolgt über die Twincat-Safety-SPS, die auf Beckhoff Standard-Industrie-PCs eine sichere SIL3-Logik bereitstellt. Spezielle Funktionsbausteine überwachen die sichere Geschwindigkeit und Position der Achsen. Anwendungsbeispiele, die von einer Prüfstelle abgenommen wurden, unterstützen den Anwender bei der normkonformen Umsetzung in der eigenen Applikation.

Vereinfachte Inbetriebnahme
und Bedienung
Für die Inbetriebnahme und Bedienung des Roboters steht eine intuitive Oberfläche auf Basis von Twincat HMI zur Verfügung. Sie ermöglicht eine normkonforme Bedienung, etwa zum Verfahren der Einzelachsen oder in kartesischen Koordinaten. Die bereits zur Konfiguration genutzte 3D-Visualisierung steht auch als Online-Ansicht zur Verfügung und kann um weitere Funktionen wie Vision Controls oder Scope Controls ergänzt werden. Applikationsspezifische Funktionen lassen sich über ein App-Konzept individuell einblenden, beispielsweise zur Bewegungsprogrammierung oder zur Verwaltung von Wegpunkten.
Die Programmierung erfolgt wahlweise direkt an der Maschine, am Programmierrechner oder in der gewohnten PLC-Umgebung. Eine umfangreiche Robotik-Bibliothek abstrahiert die Einzelmodule zu einer Roboterinstanz, an der alle relevanten Parameter wie Längen, Masseträgheit und Dynamikmodell eingestellt werden können. Die Bedienoberfläche ist webbasiert und kann auf verschiedenen Endgeräten wie Maschinenpanel, Tablet oder Teach-Pendant genutzt werden. Besonders in der Praxis bewährt sich die Möglichkeit, Bewegungs- und Greiferbefehle mit Wartezuständen zu kombinieren, um eine einfache Ablaufprogrammierung zu erstellen. Komplexere Bewegungsprogramme können am Rechner vorbereitet und direkt in die Maschinensteuerung integriert werden.
Flexible Umrüstung als Praxisbeispiel
Ein typisches Beispiel für den Einsatz des Atro-Systems findet sich in der variantenreichen Montage: Hier müssen häufig unterschiedliche Produktvarianten bearbeitet werden, was eine schnelle Umrüstung der Handhabungslösung erfordert. Mit dem modularen System kann der Anwender die Kinematik des Roboters anpassen, indem er einzelne Module austauscht oder ergänzt. Die Steuerung erkennt die neue Konfiguration automatisch, sodass keine aufwendige Neukalibrierung notwendig ist. Durch die interne Medienführung bleibt die Flexibilität der Endeffektoren erhalten, auch wenn sich die Anforderungen an die Zuführung von Energie oder Fluiden ändern.
Technologische Einordnung und Ausblick
Die Entwicklung modularer Robotersysteme wie Atro folgt einem Trend, der in der Industrie 4.0 zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Fähigkeit, Roboterkinematiken flexibel an wechselnde Aufgaben anzupassen, unterstützt die Forderung nach wandlungsfähigen Produktionssystemen. In Verbindung mit durchgängigen Software-Toolchains und standardisierten Schnittstellen lassen sich auch herstellerübergreifende Multi-Robotersysteme realisieren, die in Zukunft eine noch größere Rolle spielen werden. Modellbasierte Entwicklungsmethoden und Simulationstools ermöglichen es, neue Kinematiken vorab zu testen und zu optimieren, bevor sie in der realen Produktion eingesetzt werden.
Fazit
Das Atro-System bietet Maschinen- und Anlagenbauern eine modulare und flexible Lösung für die Integration von Industrierobotern. Die Kombination aus mechanischer Modularität, interner Medienführung, durchgängiger Integration in die Automatisierungsplattform und unterstützenden Softwaretools ermöglicht es, Handhabungsaufgaben effizient und anwendungsspezifisch zu realisieren. Die Einhaltung aktueller Sicherheitsnormen wird durch vorgeprüfte Lösungen erleichtert, während die einfache Montage und Bedienung den Aufwand für Inbetriebnahme und Wartung reduziert. Damit lassen sich auch komplexe Handhabungsaufgaben mit geringem Aufwand und hoher Flexibilität umsetzen - ein Ansatz, der dem Maschinen- und Anlagenbau neue Möglichkeiten in der Automatisierung eröffnet.
Im Maschinen- und Anlagenbau sind Handhabungsaufgaben so unterschiedlich wie die Anwendungen selbst. Die Anforderungen reichen von einfachen Pick-and-Place-Aufgaben bis hin zu hochdynamischen, mehrarmigen Handhabungslösungen. Für jede Aufgabe den passenden Roboter auf Lager zu haben, ist jedoch kaum realisierbar. Mit dem modularen Atro-System von Beckhoff steht eine Lösung bereit, die es ermöglicht, aus Standardmodulen eine anwendungsspezifische Roboterkinematik zusammenzustellen - ohne aufwendige Sonderlösungen oder eine Vielzahl verschiedener Robotertypen vorhalten zu müssen.

Das Atro-System zeichnet sich durch eine durchgängige Modularität aus, die sich sowohl in der Hardware als auch in der Software widerspiegelt. Motormodule mit integrierter Antriebstechnik und mechanisch passive Linkmodule lassen sich zu individuellen Kinematiken kombinieren. Die Module sind in unterschiedlichen Längen und Ausführungen verfügbar, sodass sich Lösungen vom einfachen 3-Achs-Handling bis zu komplexen Mehrarmrobotern realisieren lassen. Die endlose Rotation in Achse 1 ermöglicht es, Arbeitsstationen stets auf direktem Weg zu erreichen. Mit einem T-Modul nach der ersten Achse lässt sich beispielsweise ein Zweiarm-Roboter aufbauen, während ein X-Modul die Basis für einen Vierarm-Roboter bildet. Häufig werden jedoch nur drei oder vier Achsen benötigt, um Handhabungsaufgaben effizient zu lösen. So entstehen aus den gleichen Modulen unterschiedliche Roboter, die exakt auf die jeweilige Aufgabe zugeschnitten sind.
Die Verwendung identischer Module in verschiedenen Anwendungen reduziert die Variantenvielfalt im Lager und vereinfacht die Ersatzteilhaltung. Die Flexibilität des Systems ermöglicht es, auf wechselnde Anforderungen schnell zu reagieren und Handhabungslösungen wirtschaftlich umzusetzen. Darüber hinaus lassen sich bestehende Roboterkonfigurationen bei Bedarf unkompliziert anpassen oder erweitern, etwa wenn sich Produktionsprozesse ändern oder neue Produkte eingeführt werden.
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Beckhoff Automation GmbH & Co. KG
Dieser Artikel erschien in SPS-MAGAZIN 6 (Juni) 2025 - 12.06.25.Für weitere Artikel besuchen Sie www.sps-magazin.de